Predigt zu Römer 10,9-17

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 Predigt zu Römer 10,9-17

Zuhören und Zuwendung | 17. Sonntag nach Trinitatis | 26.09.2021 | Predigt zu Römer 10,9-17(18)| verfasst von Udo Schmitt |

„Du hörst mir ja nie zu!“

Haben sie das auch schon mal gesagt?
Dann sind sie wahrscheinlich eine Frau. Womöglich verheiratet.
Oder haben Sie diesen Vorwurf schon mal zu hören bekommen?
Und womöglich mit „Ja, Schatz!“ geantwortet?
Dann sind sie ziemlich sicher ein verheirateter Ehemann.

Hinter der meist männlichen Schwerhörigkeit steckt,
so der meist weibliche Vorwurf, mehr als bloße Unkonzentriertheit.
Du hörst mir nie zu. Nie. Also: Du achtest gar nicht mehr auf mich.
Es ist dir egal, was ich sage. Ich bin dir egal.
Du liebst mich nicht mehr.

Spätestens hier sollte der Ehemann alarmiert sein und dann
doch einmal den Kopf aus dem Wirtschaftsteil der Zeitung heben
oder den Blick vom Fernseher, der Sportschau, dem Fußballländerspiel,
oder was sonst auch immer seine Aufmerksamkeit gefangen nimmt, abwenden
und seiner Gattin in die Augen blicken.

Zuhören hat etwas mit Zuwendung zu tun.
Zuhören hat etwas mit Zärtlichkeit und Liebe zu tun.
Und, wen wundert‘s da noch, echtes Zuhören ist deshalb selten.
Etwas Kostbares, Rares, etwas ganz Wunderbares.

Die meisten Menschen denken von sich, dass sie gut zuhören können.
Stimmt aber nicht.
Die meisten Menschen verlieren schnell die Lust am Zuhören.
Denken bei sich: Weiß ich schon. Kenn ich. Laaangweilig!

Die meisten Menschen hören nur das gern, was sie hören wollen.
Alles andere ist ihnen unangenehm. Schwierig, lästig.

Menschen suchen Bestätigung. Darum ist das Internet (genauso wie das Fernsehen) nur bedingt ein Mittel der Aufklärung und Information. Da gibt es genug Ecken in denen sich Gleichgesinnte gegenseitig bestätigen, dass nicht sie die Bekloppten sind, sondern alle anderen. Die nicht an Ufos glauben – oder an die heilende Kraft von Katzenbildern.

Menschen suchen Bestätigung. Schon immer. Früher gingen sie dafür vielleicht in eine andere Ecke, vielleicht die Kneipe an der Ecke. Und hielten anderen einen Vortrag. Über Politik oder Musik oder eine andere Sache, von der sie ganz schrecklich viel Ahnung hatten. Das ist eher typisch männlich. Ich rede, nicht um etwas auszusagen, sondern um mich selbst zu bestätigen.

Gibt es aber vielleicht auch bei Frauen. In dem Jugendbuch: „Neues vom Räuber Hotzenplotz“, geht die Großmutter, um auf andere Gedanken zu kommen, auf dem Heimweg noch zu Besuch zu Frau Meier von nebenan. „Frau Meier bewirtete sie mit Tee und Zuckerplätzchen. Dann begannen die alten Damen zu plaudern und da sie meist gleichzeitig redeten, wurde es keiner von beiden langweilig.“ Man sieht: Man kann – und frau auch – stundenlang miteinander reden ohne zuzuhören.

Aktives, echtes Zuhören kommt selten vor.

Es heißt den anderen annehmen, ihm Raum geben, Zeit schenken.
Sich interessieren, mitfühlen, nachfragen,
bewusst schweigen und bewusst antworten.

Du hörst mir ja nie zu….
Manchmal hat man den Eindruck, dass wir in einer Zeit leben, in der die Menschen es verlernt haben, einander zuzuhören. Jeder sagt nur: Ich, ich, ich. Ich will, dass meine Anliegen Gehör finden. Aber den anderen Gehör schenken? Deren Probleme und Nöte – davon will ich nichts hören!

Ich weiß nicht, ob es tröstlich ist…
Aber auch Paulus hatte schon ein ähnliches Problem vor 2000 Jahren. Er verbreitete als Freudenbote, fröhlichen Fußes die freudige Nachricht von Jesus Christus.
Gott will, dass alle Menschen gerettet werden. (Komm)
Sagt es allen weiter, überall auf der Welt. (Ruft es in jedes Haus hinein)

Aber ausgerechnet seine eigenen Leute wollen nichts davon hören.
Gott, so sagen sie, ist nur für uns zuständig. Wir sind das Volk.
Wir sind das Volk. Er ist für uns da. Nicht für all die anderen.
Das sind Ausländer. Gojim. Fremde. Was haben wir mit denen zu schaffen?

Doch, sagt Paulus, hört ihr, Freunde, hört ihr es nicht?
Der Zaun ist eingerissen, der uns von denen getrennt hat.
Die Liebe Gottes kommt in Jesus Christus zu allen Menschen.

Was denn, auch zu den Barbaren?
Diese Ungewaschenen und Unbeschnittenen, die unreine Speisen essen, Schweinfleisch fressen und sich nicht zu benehmen wissen. Auch die?

Ja, auch die, sagt Paulus. Wenn sie sich nur zu Christus bekehren, ihn als Herrn ihres Lebens annehmen und bekennen. Dann sollen sie Gott recht sein. Dann sollen auch sie Gerechte sein, so wie wir. Der Gerechte wird aus Glauben leben. Hört ihr? Auf den Glauben kommt es an. Alles andere sind Äußerlichkeiten.

Wowowow! Das geht nun wirklich zu weit, mein Freund. Nein, lass die Fremden da mal schön draußen. Und zieht einen Zaun hoch, baut eine Mauer. Wir wollen davon nichts hören. Hier drin.
Geh, erzähl es draußen. Aber lass uns damit in Ruh!
Man sieht: Die frohe Botschaft kommt nicht bei allen gut an.

Die Kommunikation des Evangeliums kann scheitern.

Das ist es, was Paulus betrübt, und nicht in Ruhe lässt. Bis zum Schluss.
Auch wir heute, wenn auch in einer ganz anderen Zeit und Situation, können uns nicht damit zufrieden geben, dass so viele die Botschaft von der Liebe Gottes hören – und doch nichts davon hören wollen. Nichts annehmen wollen für ihr Leben. Nur nehmen, aber nicht geben wollen.

Hör auf zu predigen, sagen sie. Ich kenne deine Botschaft schon:
Seid nett zueinander, liebet eure Feinde und fürchtet Gott.
Jang mir damit fott! Ich will nichts davon hören.

Wir könnten es uns leicht machen. Und resignieren.
Schweigen. Verstummen.
Aber das wäre auch keine Lösung.
Wenn keiner dem schreienden Unrecht widerspricht,
wenn keiner den Stummen seine Stimme leiht,
wenn keiner mehr Trost und Mut zuspricht,…
was wäre dann diese Welt noch für ein Ort?

Manchmal muss man sich doch die Mühe machen, es noch einmal und noch einmal zu versuchen. Und die alte Wahrheit mit neuen Worten sagen. Bis sie Gehör findet.

Die Kommunikation des Evangeliums, so schreibt schon Paulus hier,
hat etwas zu tun mit Sagen und Hören – Hören und Sagen.
Es ist aber nicht bloß Hörensagen.
Es geht um Leben und Tod, und um ein Berichten,
davon, wie Gott in meinem Leben wirkt, in deinem Leben wirkt,
durch Jesus Christus und seinen heiligen Geist.

Es reicht nicht, es bloß zu denken. Wir müssen es uns sagen und sagen lassen.
Uns ermahnen und erbauen immer wieder.
Uns Trost spenden und Mut machen gegenseitig.
Als seine Gemeinde – als sein Volk – als seine Familie.
Uns treffen, wenigstens einmal in der Woche.
Um Gemeinschaft zu erfahren, uns selber zu spüren,
und nicht nur zu funktionieren in Arbeit und Alltag.

Der Sonntag ist ein Geschenk.

Der Sonntag dient nicht nur der Erholung,
sondern auch der Besinnung und Verständigung darüber,
was wirklich wichtig ist in unserem Leben.

Das alte Modell des Sonntags wird es in einigen Jahren so nicht mehr geben. Immer mehr Menschen haben auch sonntags keine Zeit. Müssen. Müssen arbeiten, müssen bereit sein, wenn der Chef, der Kunde es will. Müssen sie springen.

Und das altehrwürdige Modell der Verständigung wird es in einigen Jahren so auch nicht mehr geben. Bisher – und das nun seit den Zeiten der Reformatoren – haben wir an Universitäten ausgebildete Männer und Frauen damit beauftragt, sonntags auf die Kanzel zu steigen und zu predigen.

Von denen wird es in einigen Jahren nicht mehr viele geben. (Wenn die geburtenstarken Jahrgänge in Rente gehen). Nicht genug für alle. –  Wer wird uns dann predigen? Das Wort auslegen?  Uns unterrichten? Vom Glauben berichten? Zeugnis ablegen? Wer wir reden – und wer wird hören?
Wir werden sehen.

Und wir werden vielleicht lernen müssen, liebe Schwestern und Brüder, als Gemeinde Gottes neue Wege zu gehen, aufeinander zuzugehen. Wir werden darüber sprechen müssen, reden und reden lassen, sich etwas sagen und sich etwas sagen lassen, und am besten beginnen wir damit, indem wir erst einmal lernen, einander zuzuhören.

Zuhören hat etwas mit Zuwendung zu tun.
Zuhören hat etwas mit Zärtlichkeit und Liebe zu tun.
Echtes Zuhören ist deshalb selten.
Etwas Kostbares, Rares, etwas ganz Wunderbares.

Fangen wir bald damit an.
Uns darin zu üben.
Vielleicht heute schon.
Denn es ist Sonntag.

 

Liedvorschläge:

Du meine Seele singe (EG 302)

Go tell it on the mountain =
Komm, sag es allen weiter (EG 225)

Gott Lob, der Sonntag kommt herbei (EG 162)

Ich lobe meinen Gott von ganzem Herzen (HuE 142, EG 272)

Udo Schmitt, geb. 1968, Pfarrer der Evangelischen Kirche im Rheinland, von 2005-2017 am Niederrhein, seit 2017 im Bergischen Land.

Dorfstr. 19 – 42489 Wülfrath (Düssel)

udo.schmitt@ekir.de

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