Predigt zu Mt 13, 24 – 30

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Predigt zu Mt 13, 24 – 30

Gottes Weizensaat kommt zur Ernte. Dem Guten gehört die Zukunft“ | Mt 13, 24 – 30 Jahresschlussgottesdienst am  31. 12. 2021 | Prof. Dr. Michael Plathow | 

Liebe Gemeinde an der Schwelle des Jahres 2021/22,

die Jahresgrenze weist irgendwie auch auf die Begrenztheit unserer Zeit, meiner Lebenszeit: über die gegebenen Kreise unseres Lebensbaumes – nun ein weiterer „kleiner Ring begrenzt unser Leben“ (J. W. v.Goethe, Grenzen der Menschheit). Grenzzeit erlebte ich als kleiner Junge, wenn an Silvester der Sekundenzeiger der Fernsehuhr leise auf die Zwölf hintickte. Dann brach plötzlich lautes Glockengeläut mit buntem Feuerwerk und glückwünschendes Zuprosten aus. Diese Erfahrung von Grenzzeit wandelt sich heute meist in einen fließenden Übergang.

Zugleich lädt die Schwelle des Jahres weiterhin ein zu  Einkehr und Hinkehr, zu Erinnern und Vorausblicken:

Erinnert wird die Freude über die Geburt eines Enkelkindes und die Trauer über den Tod eines geliebten Verwandten; da sind die zum Erfolg führenden Entscheidungen und die falsche Entschlüsse, die nicht zurückgenommen werden können; da sind versöhnende Gesten und verletzende Worte; Handeln, das zum Guten führte, und Tun, das schuldig blieb und schuldig machte. Gefüllte Zeit und leere Zeit. Dank und Klage – auch vor Gott.

Diese Erlebnisse von Glück und Leid gehören zu uns. Wir selbst aber gehören Gott; er möge  grenzüberschreitend Zukunft eröffnen auf die Bitte: „Verwandle sie in Segen“, wie wir eben sangen; er möge verwandeln all dies in Gutes, sein Gutes. Grenzzeitliche Hinkehr zu Gott ist es und Vorausblicken auf das Gute, das kommt.!

Vom Guten, von guter Weizensaat und guter Ernte, erzählt Jesus in einem Gleichnis vom Reich Gottes.

Jesus predigt frei und öffentlich  den Jüngern und allem Volk, allen:

Wir hören aus dem Matthäus-Evangelium Kap 13, 24 – 30:

Die Überschrift über diesem Gleichnis in meiner Bibelübersetzung heißt „Vom Unkraut unter dem Weizen“. Heute am Jahreswechsel soll sie lauten: „Gottes Weizensaat kommt zur Ernte“, „Dem Guten gehört Zukunft“.

Der Landwirt sät aus auf seinem Acker gute Weizensaat, zukunftsträchtig, hoffnungsvoll, Frucht versprechend. Ein Feind aber verstreut heimlich, unbemerkt, bei Nacht zwischen den Weizen Unkrautsamen. Es handelt sich um den in Palästina verpönten und bekämpften Taumel-Lolch; nicht nur ungenießbar, sondern gesundheitsschädlich und giftig ist er. Unerkannt keimt er und treibt Wurzeln, schlingend und verstrickend. Dann wuchert er und ist einfach da – der „Taumel-Lolch unter dem Weizen“.

Er wuchert wie einfache und vereinfachende populistische Saat, die ungut wie sie ist, Gehör findet. Als Gerücht wird sie weitergesagt, in Social Media verbreitet, und weil sie Ängste aufsaugt, akzeptiert. Über infizierende Brandstifter gewinnt das Ungute gesellschaftliche Macht. Die Zeit der Pandemie, die Zeit der Klimakrise ließ uns das erfahren: „covid 19 – nur Grippe“, „Klimakrise – nur politische Kampagne“, „Nationalist – nur Patriot“, und auch „Religion – nur unmündige Unvernunft“ und „Kirche – nur Institution wie jede andere“. Das Einfache vereinfacht. Ungutes wächst hervor. Denn „nichts ist einfach“. Das meiste ist komplex, ja, kompliziert, etwa wenn corona bekämpft, wenn der Klimakrise begegnet werden soll, ja, und auch, wenn Jesu Erzählung von der guten Aussaat als Gleichnis vom gekommenen und kommenden Reich Gottes zu uns spricht am Jahresschluss.

Die Mitarbeiter des Landwirts sind es, die das Unkraut einfach ausjäten wollen. Fakten schaffen wollen sie, Eindeutigkeit herstellen, eine einfache  Antwort geben für eine komplexe Situation. Begleitet ist diese Absicht häufig mit empörtem Moralisieren, selbstgerechtem Urteilen, mit Verurteilen, Ausgrenzen und Spalten. Ideologische Kämpfe, beengende  Unfreiheit, Zukunft verschließende Angst sind nicht selten die Folge, wie die Geschichte – auch der Kirche – zeigt.

Da fragt die Heidelberger Dichterin Hilde Domin im Gedicht „Sämann“:

„Das leuchtende Unkraut,

mächtiger Sämann,

wie trenn ich es je

von den Ähren,

ohne die Felder

zu roden?“

 Der Landwirt im Gleichnis vom Reich Gottes beantwortet den Vorschlag der Mitarbeiter mit einem klaren „Nein!“.  Gottes Gedanken sind anders, seine Pläne weiter. Der Landwirt durchkreuzt das Ansinnen seiner Mitarbeiter, obwohl er das Unkraut unter dem Weizen kennt und die schädliche Wirkung des Taumel-Lolchs ernst nimmt. Im Wurzelwerk unentwirrbar verflochten, würde der Weizen zusammen mit dem Taumel-Lolch ausgerauft; die Ernte würde zerstört.

Die Verwobenheit von Gutem und Bösem, die Verstrickung von Gerechten und Ungerechten im Wissen, dass alles Leben auf Kosten anderen Lebens lebt, lässt eine Ausmerzung des Unkrauts nicht einfach zu.

Auch das Zusammen von Gläubigen und Ungläubigen kennt ein Unterscheiden, ohne zu trennen, von erfahrbarer Kirche und Reich Gottes, von „wahrer“ und „falscher“ Kirche.

„Wer ist drinnen?, Wer ist draußen?“, fragt einmal der Kirchenvater Augustin und bezieht auch uns ein: wir, zugleich Sünder und Gerechte, in Spannung und Widerspruch von Wollen und Vollbringen gerechtfertigter Sünder.

 Der Landwirt vereinfacht nicht, wenn er sagt: „Lasst beides wachsen bis zur Ernte“. Kein „laissez faire“, gleich-machend oder gleich-gültig. Er weiß um Vielheit und Widerspruch, um Auseinandersetzung und streitbare Toleranz. Und er blickt voraus der Zukunft, der Ernte guter Früchte, entgegen.

Der Landwirt entscheidet „nicht vor der Zeit“; er nimmt  in der Zwischenzeit die zukünftige Entscheidung nicht voraus. Gottes Sache bleibt das Richten: das Richten als zurecht richten. Jesus verkündigt im Gleichnis das zu allen gekommene und kommende Reich Gottes.

Der Zwischenzeit gehört das Wachsen und Werden. Unser Leben als Christen ist ein Werden, wie M. Luther (WA 7, 3361) sagt: „Das christliche Leben ist nicht Frommsein, sondern Frommwerden, …, nicht Sein, sondern Werden“. Wir sind auf dem Weg, gute Frucht zu bringen im Horizont der Verheißung: „Du stellst unsere Füße auf weiten Raum“ (Ps 31, 9). So schreiten wir voran „freudig und keck“.

Gottes Zu-Kommen eröffnet und schafft Zukunft. Das geht uns an und das nimmt uns in Anspruch als Menschen der Zukunft, der  Zukunft Gottes. Wir sind Saat, gesät auf Hoffnung, dass wir Wurzeln schlagen, dass wir im Glauben wachsen, uns zum Himmel strecken gleich dem Weizenhalm und Frucht bringen: hundertfältig, sechzigfältig, dreißigfältig, wie es in Jesu vorausgehendem Gleichnis heißt, oder wie das zum Baum werdende Senfkorn, so Jesu folgendes Gleichnis vom Reich Gottes. Ein Werden und Wachsen ist es; in dieser Zeit noch verbunden mit der Bitte: „Erlöse uns von den Bösen“ und auch mit dem Ruf „Widersteht dem Bösen mit Gutem“ (Röm 12, 21). Gute Frucht bringend fördern wir zukunftsträchtig das Gute, das der Liebe Gottes entspricht. Nachhaltige Frucht ist es „mit“ und „vor“ Gott, „dessen wir uns versehen alles Guten und bei dem wir Zuflucht haben in allem Schweren“. Verantwortlich für die Zukunft sind wir; die Zukunft aber liegt bei Gott.

 An der grenzzeitlichen Schwelle zum neuen Jahr nimmt uns Jesu Gleichnis so hinein in die Verheißung des zu-kommenden Gottes. Er kommt; er ist uns nah, näher als wir uns selbst sind; er ist da für uns. Und er ist es, der in Liebe Klarheit schaffen wird, der – wie D. Bonhoeffer bekennt – auch aus unsern Fehlern und Irrtümern „Gutes entstehen lassen kann“; der unsere Verflechtungen und Dilemmata zurecht richten wird; der einfach Klarheit bringt.

Gott kommt. Und er ist es, dessen Liebe uns zum Guten führen wird. Denn, wie der Apostel Paulus eben in der Schriftlesung fragt: „Ist Gott für uns, wer kann wider uns sein?“;  und bekennt: „Ich bin gewiss, nichts kann uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus offenbar ist, unserem Herrn“ (Röm 8, 31, 39). Voll Hoffnung und Zuversicht „darauf so sprech ich: Amen. So sei es!“.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne und unser Tun in der Gewissheit, dass Gott kommt und da ist heute und im Neuen Jahr. Amen.

Ablauf Gottesdienst: 

Lied: EG 64, 1, 2, 6,

Psalm 46,

Schriftlesung: Röm 8, 31b – 39

Dietrich Bonhoeffer: Ich glaube …

Predigt: Mt 13, 24 – 30

Lied: EG 65, 1 – 4, 7

Fürbitten

Lied: NG 173, 1, 2, 4

Segen

de_DEDeutsch