Johannes 13,1-15

Johannes 13,1-15

Gründonnerstag | 14.04.2022 | Johannes 13,1-15 | Von Anna Jensen |

Judas – dieser Name ist bekannt als der Name des Verräters. „So ein Judas“, sagen wir, wenn wir von jemandem verraten werden, mit dem wir befreundet sind. Von jemandem verraten werden, der einem nahe steht, das ist viel schlimmer, als wenn ein bekannter Feind einem einen Schlag versetzt. Denn einen Feind kann man kommen sehen, und vielleicht kann man sich vor ihm schützen, ein Verräter aber kommt schleichend, mit einem falschen Lächeln auf der Lippe, und plötzlich schlägt er zu.

Die Erzählung von Judas ist eine traurige Geschichte, denn wie kann er so etwas tun? Waren es die dreißig Silberlinge, mit denen er belohnt wurde, oder war es, weil er nicht mehr an Jesus als Herrn und Meister glaubte? Nach der Tradition bereute Judas später und erhängte sich selbst.

Heute feiern wir Gründonnerstag. Wir feiern, dass Jesus sich mit seinen Jüngern zu Tisch setzte und das Abendmahl einsetzte. Aber das Wort Gründonnerstag bedeutet nicht Abendmahl, die Herkunft des Namens ist ungewiss, vielleicht bedeutet er, dass man an diesem Tag der Fastenzeit grünes Gemüse aß, der Tag heißt auch „weißer Donnerstag“, so auch in Dänemark der „helle Donnerstag“, ein Tag der Reinigung. Der Text der Predigt ist in diesem Jahr aus dem Johannesevangelium, wo der Bericht anders als in den anderen Evangelien detailliert davon erzählt, was Jesus sagte, als er zum letzten Mal mit seinen Jüngern zu Tische saß – aber wo die Einsetzung des Abendmahls fehlt! Da ist keine Zeichenhandlung, wo Jesus das Brot nahm, dankte, es brach – und so auch mit dem Wein. Im Zentrum steht eine andere Zeichenhandlung. Jesus erhob sich vom Tisch, nahm eine Schüssel Wasser und begann, seinen Jüngern die Füße zu waschen.

Das war demütigend und grenzüberschreitend, nicht nur für Jesus, sondern auch für die, denen er die Füße wusch. Wer wusch die Füße in der Zeit Jesu? Die Fußwaschung war eine Arbeit für Sklaven oder Frauen, Petrus, der schlaue Jünger, hatte Einwände, als er an die Reihe kam, aber Jesus antwortete: „Was ich hier tue, verstehst du jetzt nicht, aber später wirst du es verstehen“. Petrus sagte: „#Dann nicht nur meine Füße, sondern auch das Haupt und die Hände“ Petrus hat die Bedeutung der Zeichenhandlung nicht verstanden: „ihr seid schon rein!“ Die Nähe Jesu hat ihn gereinigt. Die Fußwaschung ist nur eine Zeichenhandlung, so wie unsere Taufe. Hier begnügen wir uns mit drei Handvoll Wasser als Zeichen für die Gnadengabe der Taufe, dass wir rein sind vor Gott!

Als Jesus bei jedem einzelnen Jünger niederkniete, geschah eine Umverteilung der Rollen oder eine Umwertung der Werte. Jesus ist nicht mehr nur Lehrer und Meister, jetzt wird er auch ihr Diener. So wie Jesus den Jüngern dient, so sollen sie auch einander dienen. Nun ist die Rolle des Dieners die große Rolle, nach der wir alle streben sollen.

Es kann demütigend und schamvoll sein, einen Dienst zu empfangen. Einige Gemeinden haben am Gründonnerstag damit experimentiert, einander die Füße zu waschen, was einige in große Verlegenheit versetzt hat. Es ist demütigend, wenn ein anderer Mensch vor einem kriecht, so wie es demütigend sein kann, der Diener zu sein, der sich niederbeugen muss, um anderen die Füße zu waschen. Der Begriff des Dienstes kann also eine doppelte Verlegenheit mit sich bringen, sowohl für den, der dient als auch dem, der sich bedienen lässt. Das hängt zusammen mit unserem Begriff von Freiheit und Selbstbestimmung. Wir fürchten den Tag, an dem wir nicht mehr imstande sind, für uns selbst zu sorgen, sondern Hilfe in Anspruch nehmen müssen für selbst die gewöhnlichsten Dinge wie Essen und Toilettenbesuch. Aber Jesus zeigt in der Fußwaschung einen Weg heraus aus unserer Verlegenheit und Scham. So wie Christus seinen Jüngern diente, sollen wir einander dienen. Wenn sowohl der, der dient, als auch der, der (be)dient wird, aufmerksam sind, kann der Dienst in für beide Seiten würdiger Weise geschehen.  Wir sind abwechselnd sowohl die Dienenden als auch die, denen gedient werden soll, beide Rollen besitzen die Würde, welche ihnen Christus gibt.

Indem er sich selbst erniedrigt, sowohl bei der Fußwaschung als auch später bei der Kreuzigung, erhöht Christus den Menschen. „Versöhner derer, die verlor‘n“ heißt es in dem Lied „Allein Gott in der Höh sei Ehr“.

Das Abendmahl schenkt Menschen Würde. Demütig knien wir nieder, in der Erkenntnis, dass wir Hilfe brauchen, dass Christus uns das geben kann, nach dem wir uns sehnen. Und dann geschieht das Wunder. Christus gibt uns sich selbst! Er demütigt sich, er lässt sich zerreißen, er lässt sich brechen wie das Brot, damit wir alle ein Stück von ihm bekommen. Damit geschieht eine Umwertung der Werte, und wir können erhobenen Hauptes unseren Weg gehen. Im Abendmahl erfährt der Mensch Aufrichtung, dass ist die Verheißung: Dass in Jesu Blut ein neues Verhältnis zwischen Gott und Menschen begründet wird, wo alle Vergebung empfangen für das, was sie falsch gemacht haben.

Als Jesus seinen Jüngern erzählt hatte, dass einer ihn verraten würde, sahen die Jünger einander an und fragten sich unsicher, von wem Jesus sprach. Schließlich fasste Petrus Mut und fragte: „Wer ist es?“ Jesus antwortete: „Der ist’s, dem ich den Bissen eintauche und gebe“.  Dann brach Jesus ein Stück Brot, tauchte es in Öl, gab es Judas und sprach: „Was du tust, das tue bald“. Als Judas den Bissen genommen hatte, ging er hinaus. „Und es war Nacht“.

Es war Nacht, ja, für ein Werk der Finsternis ist es, Jesus zu verraten. Aber trostreich ist es, dass Judas davon ging mit dem Brot in der Hand, dem Brot, das Jesus ihm selbst gereicht hatte. Man würde zu weit gehen, wenn man sagte, dass Judas mit dem Segen Jesu ging, aber er ging mit dem Wissen Jesu von dem, was bevorstand, und er ging mit dem milden und vergebenden Blick Jesu, ja er ging mit dem Brot in der Hand, er ging mit ihm, der das Brot des Lebens ist.

Das ist eine trostreiche Pointe für Judas, dass es auch für ihn Vergebung gibt, er geht mit dem Brot der Gnade in der Hand. Und das ist für uns alle ein Trost, die wir hin und wieder unser Tun bereuen: Wenn wir vom Abendmahl kommen, dann gehen wir mit dem Brot im Magen, wir tragen Jesus mit in unser Leben, dass er in uns wirken möge, uns seine Nahrung geben möge, dass wir den Mut finden, nicht uns selbst zu dienen wie ein Judas, sondern ihm, der unser Herr ist, und einander zu dienen.

Ich weiß nicht, ob Judas eine Wahl hatte. Ob er hätte anders handeln können. Als er das Brot aus der Hand Jesu erhielt, so wird erzählt, fuhr der Satan in ihn. Deshalb ist die letzte Strophe von Allein Gott in der Höh sei Ehr wichtig, denn hier rufen wir den Heiligen Geist an, unsren Tröster: „O Heil‘ger Geist, du höchstes Gut, du allerheilsamst Tröster: vor Teufel’s Gwalt fortan behüt, die Jesus Christus erlöset“.

Die Erzählung von Judas zeigt uns: Auch wenn das Schlimmste geschieht, dass wir die sind, die Jesus verraten, dann gibt es auch eine Hoffnung für uns, denn Judas erhielt das Brot in die Hand. Morgen ist Karfreitag. Judas machte seine Vorbereitungen, er verließ Jesus und die Jünger.

Es war Nacht. Amen.

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Pastorin Anna Jensen

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