Kolosser 3,1-4

Kolosser 3,1-4

Osternacht | 17.04.2022 | Kol 3,1-4 | Katharina Wiefel-Jenner |

Dies ist die Nacht, in der Gott den Tod nicht mehr erträgt

 

1 Seid ihr nun mit Christus auferweckt, so sucht, was droben ist, wo Christus ist, sitzend zur Rechten Gottes.

2 Trachtet nach dem, was droben ist, nicht nach dem, was auf Erden ist.

3 Denn ihr seid gestorben, und euer Leben ist verborgen mit Christus in Gott.

4 Wenn aber Christus, euer Leben, offenbar wird, dann werdet ihr auch offenbar werden mit ihm in Herrlichkeit

 

Schaut auf. Frohlocket, ihr Engel. Lobsinge, du Erde.

Dies ist die Nacht, in der der Tod den Tod findet. Dies ist die Nacht, in der die Fluten zurückweichen und die Flucht vor den Mördern gelingt. Dies ist die Nacht, in der die Waffen

zerbrochen werden und die Panzer untergehen. Dies ist die Nacht, in der die Überlebenden aus den Bunkern heraustreten.

 

Schaut auf. Schaut nach oben. Hebt euren Blick.

Dies ist die Nacht, in der die Schöpfung aufatmet. Dies ist die Nacht, in der die Engel singen und die elende Finsternis weicht.

Dies ist die Nacht der Versöhnung.

Dies ist die Nacht des Friedens.

Schaut auf. Schaut nach oben.     

 

Wir schauen nach oben. Wir erheben unseren Blick.

Und wir sehen nur Dunkel.

Die Waffen sind intakt.

Die Panzer rollen weiter.

Die Überlebenden warten unter der Erde.

Die Toten sind nicht geborgen.

Die Schöpfung weint.

 

Wo singen die Engel?

Wo ist Versöhnung?

Wo ist der Frieden?

 

Schaut auf. Schaut nach oben.

Diese Nacht ist wahrhaftig. Heute verhüllt das Dunkel die Wahrheit nicht. Heute siegt das Leben über den Tod – verborgen hinter dem Dunkel. Das Leben siegt, Christus siegt, Gott siegt – endlich. Dies ist die Nacht, in der Gott die Macht des Todes nicht länger erträgt.

Wie lange haben wir darauf gewartet? Dies ist die Nacht, in der Gott das Schreien erhört und die Taten der Mörder nicht mehr hinnimmt.

In der Gott sich den Tod nicht mehr gefallen lässt.

In der Gott die Schmerzen nicht mehr erträgt, die Krankheiten verbannt, den Hunger stillt.

Dies ist die Nacht, in der die Meister des Todes überwältigt werden.

Dies ist die Nacht, in der Gott Jesus aus dem Tod erweckt.

Die Nacht, in der Gott den Stein vom Grab wälzt und den Gekreuzigten aus dem Tod holt.

Die Nacht, in der das Licht die Dunkelheit besiegt.

Dies ist die Nacht der Auferstehung vom Tod.

 

Schaut auf. Schaut nach oben.     

Ihr könnt es sehen. Ihr seid es. In dieser Nacht werdet ihr mit geöffneten Augen das Wunder der Schöpfung erleben. Diese Nacht gehört Christus und ihr gehört zu Christus. Ihr seid die Auserwählten. Das Verborgene ist vor euch nicht länger geheim. Nicht in dieser Nacht. Diese Nacht ist wahr und sie zieht euch hinein in ihr Geheimnis von der Auferstehung. Vor euch ist es nicht mehr verborgen. Christus ist da – heute Nacht im Himmel, heute Nacht auf Erden.

Schaut nach oben.

 

Ja, wir halten Ausschau, richten unsere Sinne nach oben. In dieser Nacht ahnen wir das Geheimnis des Himmels auf der Erde. Wir suchen Christus am Himmel, und sind auf Erden bei ihm. Wir suchen Christus inmitten nächtlicher Schatten. Wir finden ihn in der Mitte der Nacht.

Christus ist da.

Gott ist da.

Wir sind da.

Wir sehen, wie Gott herabstiegt aus dem Himmel, wie Christus sich herabbeugt vom Kreuz. Sehen, wie Christus durch die Hölle geht, die Todeszonen durchquert, an den Bombenkratern vorbeigeht, die Verletzten aufsucht, die Weinenden anrührt, die Mörder richtet und die Toten mit seinen Händen umfängt.

Wir ahnen, wie der Tod auf der Erde vor Christus zurückweicht.

Wir ahnen und glauben und sind in dieser Nacht erfüllt vom Geheimnis.

Der Herr ist auferstanden. Er ist wahrhaftig auferstanden.

 

Schaut auf. Schaut nach oben.

Erhebt eure Herzen.

         Wir erheben unsere Herzen.

Wir haben sie beim Herrn.

 

Wir nehmen den Mund voll und singen, was wir glauben. Wir singen, weil Gott da ist. Wir singen, weil Christus da ist. Wir singen, weil wir da sind in dieser Nacht, in der Gott den Tod vertreibt. Wir nehmen den Mund voll und singen.

Wir singen aus voller Kehle und loben diese Nacht, damit wir in den kommenden Nächten den Meistern des Todes standhalten, die Verletzten aufsuchen, die Weinenden anrühren, die Mörder verklagen und die Toten begraben.

Wir nehmen den Mund voll und singen bis der Morgenstern erscheint, auf den die Welt in allen Nächten wartet.

 

Schaut auf. Schaut nach oben.

Erhebt eure Herzen.

         Wir erheben unsere Herzen.

Wir haben sie beim Herrn.

Ja, dies ist die Nacht,
diese geheiligte Nacht vertreibt den Frevel,
sie wischt ab die Schuld,
bringt die Unschuld zurück den Schuldigen
und den Trauernden Freude.
Sie vertreibt den Hass, stiftet Eintracht
und beugt die Gewalten.

Schaut auf. Frohlocket, ihr Engel. Lobsinge, du Erde. Der Herr ist auferstanden. Halleluja. Er ist wahrhaftig auferstanden. Halleluja.

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Dr. Katharina Wiefel-Jenner

Berlin

wiefel_jenner@hotmail.com

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Katharina Wiefel-Jenner, geb.1958, Pfarrerin i.R., bildet als Dozentin für Liturgik und Homiletik Ehrenamtliche für den Verkündigungsdienst aus.

 

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