Apostelgeschichte 2,1-11; Johannes 3,16-21

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Apostelgeschichte 2,1-11; Johannes 3,16-21

Pfingstmontag | 29.05.2023 | Apg 2,1-11; Joh 3,16-21 (dänische Perikopenordnung) | Anna Jensen |

Der Heilige Geist ist Zusammengehörigkeit mit Gott

Was ist Geist? Geist ist Zusammengehörigkeit. Was ist Heiliger Geist? Heiliger Geist ist Zusammengehörigkeit mit Gott.

Momentweise kann es geschehen, dass wir uns plötzlich verbunden fühlen, dass wir uns nahezu auflösen und mit dem verschmelzen, was uns umgibt. Das können Menschen sein, die Natur, ein Kunstwerk oder vielleicht etwas ganz anderes.

In Josefine Klougarts Roman „All dies könntest du bekommen“ erlebt das Mädchen Barbara in einer Nacht im Sommerhaus eine plötzliche Verbundenheit mit allem, was sie umgibt. Sie lag in ihrem Bett und hörte das Rinnen aus den Rohren hinter den Brettern und der Isolierung, den knurrenden Klang des Donners draußen über dem Meer, und sie fand, dass sich dies alles in ihr verband. Sie versuchte, ganz still zu liegen und sich nicht zu rühren, um nicht die Verbindung zu zerstören, für die sie keine Sprache hatte, die sie aber deutlich spürte. Die Tropfen, die in das Heidekraut und den Sand fielen, die Bucht, die von den Blitzen erhellt wurde, und sie merkte, wie sie fast verschwand und zur Wurzel der Heidepflanzen, dem Blitz, dem Regen, den Tropfen und der trockenen Erde wurde, und genauso plötzlich wie es entstand verschwand dieses Gefühl. Sie lag still, aber das Gefühl war verschwunden, und dann dachte sie an ein Wort, das Wort Offenbarung. Sie war erschüttert, sagte aber nichts. Dass sich die Welt plötzlich öffnen kann. Dass sie plötzlich so tief werden kann.

Geist ist Zusammengehörigkeit. An den dänischen Heimvolkshochschulen herrscht ein besonderer Geist, wenn die Schüler zusammen bei der Morgenandacht singen. Dann atmen sie im Takt! Der Gesang aus der Vergangenheit wird Gegenwart, bezieht sich aber auf die Zukunft, die Augen lesen die nächste Linie der Strophe, ehe sie laut wird. Im Geist gibt sich der einzelne der Gemeinschaft hin, wird ein Teil des Gemeinsamen, ob das nun die Natur, die anderen Schüler oder eine Fußballmannschaft ist.

Der Heilige Geist ist das Gegenteil von Autonomie.

In diesem 21. Jahrhundert huldigen wir der Autonomie. Das Selbstbestimmungsrecht ist wichtig, niemand verfügt über dich und deine Geschichte. Du kannst frei deinen Nachnamen ändern, du kannst deine Ausbildung frei wählen, deine Familie, deinen Umgangskreis, deine Religion, du kannst dein Haar färben und deinen Körper verändern, so dass er genau zu deiner Vorstellung und deiner Erzählung von dir selbst passt. Freiheit und Glücksgefühl gehören zusammen, nie sind wir so frei gewesen, nie waren wir so glücklich, und dennoch gibt es viele von uns, die zuweilen finstere Stunden erleben. Nach der Beseitigung aller Hindernisse sahen wir einer neuen Generation entgegen, die das Leben ergreift und sich hineinwirft, aber wir haben vergessen, dass die Freiheit des Lebens viele Entscheidungen erfordert, und mit diesen Entscheidungen folgt ein Unbehagen.

Gewisse Dinge können zeitweise unangenehm sein, auch wenn sie uns eigentlich zugutekommen. Es ist unangenehm, die Prüfung zu einem Examen machen zu müssen, die Nervosität kann Schweiß und Zittern auslösen. Es ist unangenehm, in eine Versammlung von Menschen gehen zu müssen, die man nicht kennt. Da ist es angenehmer, sein Handy hervorzuholen und sich dahinter zu verstecken. Es ist unangenehm, etwas Neues zu beginnen, etwas Unbekanntes, oft ist man versucht aufzugeben, weil das leichter ist und unmittelbar Unbehagen erspart.

Der Weg heraus aus unserer Unsicherheit und unserem Unbehagen ist nicht der, dass man die Hindernisse entfernt oder die Ansprüche reduziert. Nein, ich glaube, dass Weg eben hier zu Pfingsten aufgezeigt wird.  Die Gemeinschaft ist Geist, deshalb müssen wir den Geist etwas mehr zu Herzen nehmen. Trotz unserer großen Freude am Selbstbestimmungsrecht wohnt in vielen von uns noch immer eine Sehnsucht nach Zugehörigkeit, eine Sehnsucht nach etwas, was unbeweglich ist, was den Charakter von Ewigkeit hat, eine Sehnsucht nach dem Licht, eine Sehnsucht nach Zusammengehörigkeit.

Der Geist ist das Gegenteil von Autonomie. Also muss man viel vom Eigenen aufgeben, um an der Gemeinschaft teilzuhaben.

Gott wollte die Gemeinschaft mit den Menschen. Deshalb gab er nicht nur etwas von sich, nein er gab das Kostbarste, was er hatte, er gab seinen Sohn. Er sandte seinen Sohn auf die Erde, weil er nicht wollte, dass die Menschen verlorengehen sollten, er kam nicht um die Welt zu richten, sondern er kam, um uns zu erlösen. Er wollte uns eine Möglichkeit für ein anderes Leben zeigen, ein Leben im Reich Gottes, wo die Liebe herrscht. Gott gab sich selbst, er gab seinen Sohn, er gibt sich selbst hin für uns, wann immer wir sein Blut trinken und seinen Leib essen im Abendmahl. Er ruft uns hervor ins Licht.

Es erscheint unmittelbar als eine leichte Wahl, das Licht zu wählen und nicht die Finsternis. Der Mai und der Juni sind die schönsten Monate des Jahres, das Licht nimmt zu und weckt uns neu zum Leben, der Sommer ist Leichtigkeit, helle Nächte. Dennoch geschieht es, dass wir die Finsternis vorziehen. In der Finsternis können wir uns verstecken, all das verbergen, was uns leidtut und was wir nicht offen zeigen wollen. Das Licht, die Gemeinschaft ruft uns, aber in uns ist ein Streit. Um uns dem Geist hinzugeben, müssen wir unsere Autonomie aufgeben, wir müssen uns selbst der Gemeinschaft geben.

Dieser innere Kampf war leicht für die Jünger. Als der Pfingsttag kam, waren sie alle versammelt, ein Wind, eine Kraft fuhr durch das Haus, wo sie saßen, und sie wurden erfüllt vom Heiligen Geist. All ihre Furcht und Feigheit waren weggeblasen, erfüllt vom Heiligen Geist konnten sie von den Taten Jesu erzählen.

Der Heilige Geist wohnt schon in uns, er war unser Taufgeschenk. Der Heilige Geist ist unsere Gemeinschaft mit Gott. Als eine Linie, die stets offen ist, ein Kanal, ein Sprachrohr, Gott ist nicht weiter weg als ein Gedanke. Im Gebet können wir uns immer an ihn wenden. Das kann ein langwieriges fließendes Gebet sein, aber es kann auch ein nachdenklicher Moment sein, wo wir unsere Hände falten. Dann bringen wir unsere Wünsche uns Sorgen vor Gott. Auch wenn wir wissen, dass Gott der Unbewegliche ist, der fest steht, auch wenn die ganze Welt wackelt. Auch wenn wir Gott kennen als den, der weiser ist und größeren Überblick hat als wir, werden wir ihn im Gebet dennoch bitten, ihm erklären, vielleicht ihn geradezu überreden, unseren Wunsch zu erfüllen.

„Heile meine Schwester, die Krebs bekommen hat, hilf den jungen Leuten, die mit Angst kämpfen, lass nicht einen bösen Diktator den Krieg gewinnen, lass nicht die Erde durch Umweltzerstörung untergehen. Gib mir Brot, gute Nachbarn, gesunde Kinder, einen neuen Job, einen Parkplatz.“ So beten und streiten wir, denn es wird nie so kommen, wie wir wollen, sondern wie Gott will. Dadurch werden wir überwunden, nicht indem Gott über uns siegt, sondern indem der Heilige Geist in uns siegt. Der Heilige Geist kommt uns zu Hilfe, er beugt uns, so dass wir Gott suchen, die Gemeinschaft, der wir uns hingeben können. „Dein Wille geschehe wie im Himmel, so auf Erden“. Wenn wir diese Worte sagen, schmelzen wir zusammen im Geist, da wirkt der Heilige Geist in uns, und all unser Eigenes das wir loslassen müssen, wird ersetzt von all dem Großen, von der Gemeinschaft, der Zusammengehörigkeit, vom Geist. Wir treten ein in das Reich Gottes – immer, wenn wir morgens aufstehen. Der Heilige Geist wohnt in uns, er ruft uns hin zum Licht.

Pfingsten bedeutet Neuschöpfung, neue Kräfte. Gott verspricht seinen Kindern nicht ein leichtes Leben ohne Unannehmlichkeiten und Schmerzen, aber er verspricht, in seinem Geist stets in uns zu sein, so dass wir mit der Finsternis und dem Leiden leben können. In der Gemeinschaft Gottes werden wir durch das Schwere im Leben getragen, so dass wir freie Hände haben, so dass wir zum Licht kommen und die Wahrheit tun können. Amen.

Pastorin Anna Jensen

5230 Odense M

E-mail: ansj(at)km.dk

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