Apostelgeschichte 9, 1-20

Apostelgeschichte 9, 1-20

12. Sonntag nach Trinitatis | 04.09.2022 | Apg. 9, 1-20 | Friedrich Seven |

Vom Saulus zum Paulus, liebe Gemeinde, so beschreiben wir gerne einen radikalen Sinneswandel bei einem Menschen, und meinen dabei viel mehr als diesen Wandel, sondern vor allem die Richtungsänderung, die dessen Leben genommen hat.  Geblieben ist sein Eifer, vielleicht gar sein Fanatismus, geändert hat sich das Ziel, auf das er diesen Eifer nun richtet.

Hat er bisher in seinem Leben vielleicht sogar Menschen mit einer bestimmten Gesinnung , einem bestimmten Glauben verfolgt, so verfolgt er nun solche mit einem anderen Glauben. Ein Jäger aber ist er geblieben.

So kennen wir  Geschichten von Bösen, die die Guten gejagt haben, bis sie -wie in einem Agentenfilm- zu Guten umgepolt worden sind, um ihre Jagd nunmehr auf  die ehemals Guten fortzusetzen. Aber auch  aus unserem wirklichen Leben sind uns Fälle bekannt, bei denen es ähnlich zugegangen ist und wir an einem Menschen schon bevor wir seine neue Gesinnung bemerkt hatten, noch den alten Zorn auf seiner Stirn wieder erkannt haben.

Hören wir doch einmal genauer auf die biblische Geschichte, auf die die prominente Redewendung Vom Saulus zum Paulus zurückgeht:

1) Saulus aber schnaubte noch mit Drohen und Morden gegen die Jünger des Herrn und ging zum Hohenpriester

2) und bat ihn um Briefe nach Damaskus an die Synagogen, damit er Anhänger des neuen Weges, Männer und Frauen, wenn er sie dort fände, gefesselt nach Jerusalem führe.

3) Als er aber auf dem Wege war und in die Nähe von Damaskus kam, umleuchtete ihn plötzlich ein Licht vom Himmel

4) und er fiel auf die Erde und hörte eine Stimme, die sprach zu ihm: Saul, Saul, was verfolgst du mich?

5) Er aber sprach: Herr, wer bist Du? Der sprach: Ich bin Jesus, den du verfolgst.

6) Steh auf und geh in die Stadt, da wird man dir sagen, was du tun sollst.

7) Die Männer aber, die seine Gefährten waren, standen sprachlos da, denn sie hörten zwar die Stimme, aber sahen niemanden.

8) Saulus aber richtete sich auf von der Erde; und als er seine Augen aufschlug, sah er nichts. Sie nahmen ihn aber bei der Hand und führten ihn nach Damaskus;

9) und er konnte drei Tage nicht sehen und aß nicht und trank nicht.

10)  Es war aber ein Jünger in Damaskus mit Namen Hananias; dem erschien der Herr und sprach: Hananias! Und er sprach: Hier bin ich Herr!

11) Der Herr sprach zu ihm: Steh auf und geh in die Straße, die die Gerade heißt, und frage in dem Haus des Judas nach einem Mann mit Namen Saulus von Tarsus, denn siehe er betet

12) und hat in einer Erscheinung einen Mann gesehen mit Namen Hananias, der zu ihm hereinkam und die Hand auf ihn legte, damit er wieder sehend werde.

13) Hananias aber antwortete: Herr, ich habe von vielen gehört über diesen Mann, wie viel Böses er deinen Heiligen in Jerusalem angetan hat;

14)  und hier hat er Vollmacht von den Hohenpriestern, alle gefangen zunehmen, die deinen Namen anrufen.

15)  Doch der Herr sprach zu ihm: Geh nur hin; denn dieser ist mein auserwähltes Werkzeug, dass er meinen Namen trage vor Heiden und vor Könige und vor das Volk Israel.

16) Ich will ihm zeigen, wie viel er leiden muss um meines Namens willen.

17) Und Hananias ging hin und kam in das Haus und legte die Hände auf ihn und sprach: Lieber Bruder Saul, der Herr hat mich gesandt, Jesus, der dir auf dem Wege hierher erschienen ist, dass du wieder sehend und mit dem heiligen Geist erfüllt werdest.

18) Und sogleich fiel es von seinen Augen wie Schuppen, und er wurde wieder sehend; und er stand auf, ließ sich taufen

19) und nahm Speise zu sich und stärkte sich. Saulus blieb aber einige Tage bei den Jüngern in Damaskus.

20) Und alsbald predigte er in den Synagogen von Jesus, dass dieser Gottes Sohn sei.

Liebe Gemeinde,

wir merken, wie groß der  Abstand  der Redewendung Vom Saulus zum Paulus, mit der wir uns an unsere eigenen  Erfahrungen mit Eiferern und Gesinnungsprüfern  erinnern wollen, und dem genauen  Hergang der Geschichte wirklich ist.

Da überrascht zunächst einmal, dass das Bekehrungserlebnis vor Damaskus keineswegs mit einer neuen Namensgebung verbunden ist. Aus dem Zusammenhang der Apostelgeschichte wissen wir zudem, dass Saulus schon vor der Bekehrung  auch unter dem Namen Paulus bekannt war, und damit unter  dem Namen, mit dem er dann in die Geschichte der frühen Christenheit eingegangen ist.

Auch ist das, was er in dieser Geschichte getan hat, ja nicht das Werk eines umgedrehten Christenverfolgers, der seit seinem Damaskuserlebnis damit begonnen hätte, die Menschen seines Volkes zu verfolgen. Wir kennen ihn doch vielmehr aus seinen Briefen, die er geschrieben hat, als einen  Apostel, dem es um die Sammlung der Christen und um die Entfaltung der christlichen Botschaft  in das Leben und den Alltag  der im Römischen Reich versprengten Gemeinden ging.

Von der  Freiheit von allen irdischen Bindungen, die in der Bindung an Gott dem Menschen gegeben ist, und vom Leben in dieser Freiheit mit anderen Menschen, die sich auch mit  Gott verbunden fühlen, davon war er beseelt und hat dazu das Wort immer wieder ergriffen.

Seine frohe Botschaft war nicht als ein Pfeil gegen andere gerichtet, sondern war und ist eine Anrede an seine Zuhörer und Leser.

Deswegen ist er nicht als Verfolger Andersgläubiger in die Geschichte eingegangen, sondern als einer, der seines Glaubens  wegen selber verfolgt worden ist und schließlich in Rom den Tod gefunden hat.

Mit seinen Briefen, die doch durchweg  von der Frohen Botschaft zeugen, wollte er den Menschen das neue Leben bringen.

Dabei hat er mit seinen Argumenten auch dafür plädiert, dass der neue Glaube von der Freiheit der Christen nicht in bloße Freizügigkeit mündete, die doch einigen in den Gemeinden zu weit ging.

Er hat nicht nur getröstet und aufgebaut, sondern auch gemahnt. Etwa, wenn es um die Übervorteilung wirtschaftlich Schwacher in der Gemeinde ging und die Geschwisterlichkeit christlichen  Leben gerade bei der Mahlgemeinschaft nicht mehr gegeben war.

Paulus wollte versammeln und er hat, wie wir an vielen Stellen seiner Briefe auch lesen können,  auch Geld gesammelt für die Gemeinde in Jerusalem, die auf Unterstützung angewiesen war.

In einem seiner Briefe schreibt Paulus auch  von seiner Bekehrung.

Da spricht er von sich als von einer unzeitigen Geburt, die, anders als Petrus,  Jesus in der Zeit vor dessen Tod und der kurzen Zeit nach Ostern, also dem irdischen Jesus, gar nicht begegnet ist.

Er hat nicht, wie etwa Thomas, seine Hand in die ´Wunde legen dürfen, sondern Christus begegnet ihm und überbrückt die Distanz zu diesem unzeitigen Menschen und seiner fanatischen Glaubensferne mit der Frage: „Was verfolgst du mich?“  Mit dieser Frage wird Saulus Paulus an die Sinnlosigkeit, den Leerlauf seines Fanatismus geführt.

So ist Paulus nicht umgedreht worden aus einem Kalkül einer ideologischen Parteiung, sondern er wurde wiedergeboren und, wie die wunderbare Geschichte erzählt, blindgeboren.

Die Menschen, die mit ihm waren, haben ihn dann in seiner Hilflosigkeit nicht etwa manipuliert, sondern zu seinem Ziel geleitet, wo ihm unter  den Händen eines Jüngers Jesu sein Augenlicht wieder gegeben wird.

„Allein durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin.“[1. Korinther 15, 10] So spricht er selbst  über seine Bekehrung.

Paulus will ab Damaskus nicht mehr verfolgen und vernichten, sondern weitergeben, was er von Gott empfangen hat.

Er ist dankbar, und wir dürfen Gott dafür danken, für all das Gute, das er uns durch Paulus gegeben hat.

Amen!

Dr. Friedrich Seven, Pfarrer i. R.

37412 Scharzfeld

E-mail: friedrichseven@t-online.de

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