Lukas 10,1-10

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Lukas 10,1-10

3.Sonntag nach Trinitatis | 25.06.2023 | Lk 10,1-10 (dänische Perikopenordnung) | Poul Joachim Stender |

Viel Luft nach oben

Der frühere dänische Minister Søren Pind (Liberale Partei) hat einmal gesagt: „In Dänemark ist viel Luft nach oben“. Und nach einer kleinen Pause fügte er hinzu: „Aber was nutzt das, wenn keiner springen will“. Irgendwie trifft er mit dieser Aussage et was Richtiges über dänische Mentalität. Da ist Luft nach oben in unserem Land. Aber die Sehnsucht, zB. nach Gott zu springen hält sich in Grenzen. Wir haben Religionsfreiheit. Christen werden in Dänemark nicht verfolgt wie sonst vielerorts in der Welt. Wir dürfen so viel wir wollen, nach Gott springen. Danmark ist eine religiöse Hüpfburg. Auch für Nichtchristen. Aber es wird nicht sehr viel gesprungen unter den Christen. Die Taufzahlen fallen in Dänemark. Das liegt nicht daran, dass sich die Eltern gegen das Christentum entscheiden. Es ist ihnen nur egal und sie meinen, ihre Kinder sollen sich entscheiden, wenn sie groß sind, ob sie sich taufen lassen wollen oder nicht.

   Von Gott kann man vieles sagen.  U.a., dass er ein Hüpfer oder ein Abtrünniger ist. Er sprang weg oder verließ die schwindelnden himmlischen Höhen hinab zu uns Menschen in Jesus Christus. Er war es, der zu uns kam, und wir brauchen deshalb nicht nach ihm zu springen. Er war es, der zu uns gekommen ist, und wir brauchen deshalb nicht nach ihm zu springen. Und dennoch. Man muss nach dem Göttlichen springen, um zu sehen, dass er angekommen ist. Viele Menschen bilden sich ein, dass man in die Kirche geht, weil man glaubt. Aber das stimmt nicht. Die meisten gehen in die Kirche, weil sie gerne glauben wollen.

Kirchgang kann ein Hüpfen nach dem Glauben sein. Hüpfe also. In Dänemark ist viel Luft nach oben und es besteht die Möglichkeit, nach dem Ewigen zu springen, nach großen Gedanken und Visionen, nach neuen Ideen und Taten.

    Am 5. Juni haben wir in Dänemark unser Grundgesetz[1] gefeiert. Ein Fest für die Demokratie. Man denke, so ein Glück, in einem Land zu leben, in dem Demokratie herrscht, die uns die Möglichkeit gibt, nach Höherem zu streben. Aber wenn wir nicht nach Höherem streben, um die Demokratie zu bewahren, dann verlieren wir sie. Demokratie ist keine Selbstverständlichkeit. Springe also nach Höherem im Leben der Gesellschaft, springe im Glauben, springe in der Phantasie. Spring, spring, spring, nutze die Möglichkeit, dass da Luft nach oben ist in Dänemark.

   Es gibt Länder, die in großer Unfreiheit gelebt haben. Das gilt z.B. für die Sowjetunion. Von 1917 bis 1991 durfte man nicht nach Jesus Christus springen. Das Christentum wurde auf stand-by gesetzt. Kirchen wurden in Hallenbäder verwandelt. Weihnachten fast verboten. Gottesdienste abgesagt. Klöster geschlossen. Priester entlassen. Es war gefährlich, wenn die kommunistische Partei herausfand, dass man sein Christentum praktizierte. Es handelt sich um 74 Jahre, wo Gott verboten war. Aber das Christentum hat überlebt. Es blüht heute in Russland. Und warum? Weil die Großmütter den Glauben am Leben hielten. Sie beteten mit den Enkelkindern. Sie erzählten ihnen von Jesus. Sie waren Christen, die Gefahr liefen, von den Behörden entdeckt und in ein Arbeitslager geschickt zu werden.

    Nach dem zweiten Weltkrieg wurde Deutschland geteilt. Die Sowjets übernahmen die Macht in Ostdeutschland, und das Christentum war auch hier bis 1989 fast verboten, als die Berliner Mauer fiel und die beiden Deutschland vereint wurden. Aber heute ist das frühere Ostdeutschland noch immer ent-christlicht. Man hat das Christentum vergessen. Man hat vergessen, was man vergessen hat. Die evangelische Kirche hat nur geringen Zulauf. Und warum? Die Großmütter! Die deutschen Großmütter haben das Christentum nicht an ihre Enkelkinder weitergegeben. Der christgliche Glaube verschwand, weil die ältere Generation nicht am Erbgut des Landes festhielt.

   An einem Sonntag, wo das Evangelium davon handelt, wie ein Hirte die große Herde von Schafen verlässt, um nach einem verschwundenen Schaf zu suchen, und von einer Frau mit zehn Drachmen, die die neun Drachmen verlässt, um nach der verschwundenen Drachme zu suchen, muss das ein eindringlicher Appell sein an heutige Großmütter und Großväter. Reißt euch zusammen. Eure Kinder haben das Christentum verlassen. Wer kommt am Sonntag zum Gottesdienst? Fast nur Großmütter und Großväter. Wo ist die jüngere Generation? Wo ist die Generation, die das Christentum heute weiterführen soll? Sie ist nicht da. Sie geht und wäscht das Auto oder liegt am Strand oder ist dabei, den Grill anzuzünden, um ein schönes Essen zuzubereiten. Wer aber soll das Christentum weitergeben an die Enkelkinder? Das sollen wir Großeltern, wie dies die Großmütter in der Sowjetunion getan haben. Wir sollen nicht nur Windeln wechseln und ihnen Waffeleis geben. Wir sollen ihr Denken ändern, wenn sie hören, dass wir das Vaterunser mit ihnen beten. Statt mit ihnen zu singen vom „Bus, dessen Räder rollen“[2] – alle wissen ja, dass die Räder an einem Bus rollen – könnten wir von etwas singen, was heute nicht alle wissen. Nämlich: „Hier ist Wärme hier ist Regen, Lasse, Lasse klein! Über allem herrscht doch Gott, Lasse, Lasse klein“.[3] Und sollten die Kinder sich darüber beklagen, dass die Enkelkinder von uns nach Hause kommen und mit einem Waffeleis in den Mundwinkeln von Jesus reden, soll dies das Familienleben nicht stören. Aber wir können etwas tun, was unsere Kinder nie entdecken. Wir können Gott bitten für unsere Enkelkinder und u.a. darum bitten, dass sie eines Tages nach Christus hüpfen in einem Land, wo Luft nach oben ist.

   Und was hat das alles mit dem Evangelium zu tun? Das hat, wie sich das in einer evangelischen Predigt gehört, alles mit dem Evangelium zu tun. So wie Jesus Christus nach uns suchen wird, wenn wir uns von ihm entfernt haben, so wie der Hirte im Gleichnis nach dem verschwundenen Schaf sucht und die Frau nach der verschwundenen Münze, sind auch wir verpflichtet, alles zu tun, um die zu finden, die auf dem Weg fort vom Christentum sind, und sie zurückzuführen zu Jesus Christus. Gott befohlen. Amen.

Pastor Poul Joachim Stender
DK 4060 Kirke Såby
pjs(at)km.dk

[1] Am 5.6.1849 wurde in Dänemark das Grundgesetz eingeführt, eine konstitutionelle Monarchie.

[2] Dänisches Kinderlied.

[3] Dänisches Kinderlied

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