Das Licht scheint für …

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Das Licht scheint für …

Das Licht scheint für uns, die im Finstern wohnen | Jesaja 9,1-6a; Lukas 2,1-14 (dänische Perikopenordnung) | von Eva Tøjner Götke |

Begrenzte Plätze, nur für Eingeladene, geschlossene Türen – das ist unsere Wirklichkeit. Und plötzlich ist die Weihnachtsgeschichte nicht nur eine süße kleine Geschichte von einem Kind, das in einem gemütlichen warmen Stall unter kauenden Tieren geboren wird. Es ist unsere Wirklichkeit.

Die Herberge ist in dieser Zeit auch für uns geschlossen. Wir können nicht Weihnachten feiern, wie wir das gewohnt sind. Wir sind nicht zusammen wie gewohnt, weder in der Stadt, zuhause oder in der Kirche. Wir müssen andere Wege in das Licht und die Wärme finden.

In diesem Jahr kann niemand vor der weihnachtlichen Tristesse in fremde exotische Gegenden flüchten. Da sind keine Flugzeuge am Himmel, nur Sterne, Millionen von Sternen, die Gott dort angebracht hat, um uns zu erzählen, wann es Weinachten, Ostern und Pfingsten ist. Und um im Finstern einen leuchtenden Glauben zu wecken.

Wir sitzen isoliert – können nicht nah beieinander sein. Sind weit draußen wie die Hirten vor Bethlehem, die hören können, wie man sich in der Stadt amüsiert. Auch wir erinnern uns daran, wie das war in festlicher Gesellschaft mit vielen Menschen. Hören ihr lautes Gelächter und ihren Gesang, nicht gerade Engelgesang, aber immerhin, er kommt von Herzen. Sehen, wie sie einander umarmen, nicht anfassen, wie sie sich einander anvertrauen und einander an den Schultern ausweinen, wenn der Alkohol seine Wirkung zeigt und einen lockert – und im Freudenrausch werden sie ein Leib, eine große Gemeinschaft.

Und auch wir werden in dieser Zeit gezählt. Nicht nur hier in unserer kleinen Heimatstadt, sondern i den Ländern in aller Welt. Wir werden registriert und getestet – in Japan, in Norwegen, in Indien, in Ägypten, in Iowa, in Bolivien, in China und in Australien. Und die Zahlen stehen da und leuchten und blinken wie in einem Casino. Aber das ist kein Casino – denn wir sollen uns nicht freuen über die hohen Zahlen. Vielmehr sollen wir uns fürchten. Denn die hohen Zahlen bedeuten Gewinnverlust, Ansteckungsgefahr, Krankheit und Tod. Und alle Länder der Welt sind eingeteilt in Gefahrenzonen. Und da gilt nur ein Gebot – das größte von allen: Haltet Abstand!

Aber da ist kein Abstand mehr

Das ist nicht nur das, was das Weihnachtsevangelium verkündigt, dass der Himmel auf die Erde gekommen ist. Dass Gott in der unendlichen Ferne Mensch geworden ist und durch seinen Tod und seine Auferstehung all das überwunden hat, was trennt. Versuche nicht, das zu verstehen. Glaube nur!

Da ist kein Abstand mehr! Da ist die Welt, in der wir jetzt leben. Das ist auch unsere Wirklichkeit.

Die Welt, die vorher groß war, unendlich groß und fremd und märchenhaft weit weg – sie ist nun nahegekommen. Wir leben in derselben Welt.

Über Face-time können wir einander in die Stuben blicken. Wir können miteinander reden über tausende von Kilometern, kein Rauschen, keine Verspätung, ganz gleich ob du mit Bombay sprichst oder dem Nachbarort.

Wir können Bilder schicken und Augenblicke miteinander teilen – im gleichen Augenblick. Und wir können alle die anderen Augenblicke teilen – die trivialsten wie auch die tragischsten.

Und wo die Augenblicke früher verschwanden, so verschwinden sie nicht mehr. Wir können sie wiedersehen, wieder einspielen: Die Geburt eines Kindes, den Tod eines unschuldigen Mannes.

Das ist unsere Wirklichkeit.

Wir leben in einer globalisierten Welt. Wo wir früher eigene Wege gehen und alles andere außenvor halten konnten, da hängt nun alles zusammen. Wie verbundene Gefäße. Wie Ringe im Wasser: Ein Gletscher, der in Grönland schmilzt, lässt den Meeresspiegel steigen im Stillen Ozean. Eine Zeichnung in einer Zeitung in Jütland setzt die Welt in Brand.

Wir alle sind Teil derselben Geschichte. Registriert. Wir haben ein gemeinsames Schicksal. Ob wir das wollen oder nicht.

Wir fürchten dasselbe in dieser Zeit. Und wir hoffen dasselbe, und wir sehnen uns nach demselben.

Wir sehnen uns danach, einen Weg zu finden zum Licht und zur Wärme. Eng zusammen zu sein. Wir sehen uns danach, zusammen zu sein, an einem Tisch zu sitzen, zu singen und die Freude der Gemeinschaft zu genießen.

Ganz gleich, wo in der Welt wir wohnen, wir sehen uns danach, dass das Licht für uns scheint hier im Land der Finsternis.

Und das tut es! Der Stern leuchtet über uns. Die Sonne von Bethlehem. Denn das Weihnachtsevangelium ist unsere Wirklichkeit. Ein Kind ist uns geboren. Ein göttlicher Augenblick wird mit uns in dieser Nacht geteilt. Ein Augenblick, der nicht einfach verschwindet, sondern den man wiedersehen kann, neu erleben kann, und der für uns in der Finsternis leuchtet und den Weg weist, wieder und wieder.

Gott ist Mensch geworden. Mitten in unserer Welt. Um uns zu erlösen und uns einen anderen Weg zum Licht und zur Wärme zu zeigen als den durch gedankenlosen Konsum und rücksichtslosen Materialismus.

Er kam zur Welt in einem armen, dreckigen Stall. Ohne Spritdispenser am Eingang. Trat ein in die Welt ohne Visier und Mundschutz, weil er das Schicksal mit uns teilen wollte.

Er öffnete unsere Augen für das merkwürdige Paradox: Erst wenn alles nicht so ist wie gewohnt, entdecken wir das, was wert und teuer ist, was uns hält und trägt, auch wenn alles nicht so ist wie immer.

Er zeigte uns, dass der Weg zum wahren Leben, das, was unserem Leben Sinn gibt, anders verläuft als die Wege, die mit dem verbunden sind, was wir Reichtum und Freiheit nennen.

Die gute Nachricht, die die Engel für die Hirten verkündigten draußen auf dem finsteren kalten Feld und die alle Leute frohmachen sollte, war die, dass ihnen ein Heiland geboren war.

Geht und findet ihn! Sangen sie. Ihr könnt ihn daran erkennen, dass er in einem armen, schmutzigen Stall liegt und in alte Tücher gewickelt ist.

Und diese Neuigkeit ist immer wieder neu. Sie ist immer Breaking News, überrascht uns stets neu. Denn wir würden ja dort nicht suchen, wenn wir davon nicht gehört hätten.

Aber das wissen wir nun. Gott ist mitten unter uns. In unserer Wirklichkeit. In all den Augenblicken, die wir miteinander teilen – die lebensfrohesten Augenblicke und die schlimmsten. Wenn wir nicht wissen, was wir sagen und tun sollen. Und wenn da nichts zu sagen oder zu tun ist.

Wir sind nicht uns selbst überlassen hier in der Welt. Das Licht leuchtet für uns, die im Land der Finsternis wohnen. Ehre sei Gott in der Höhe bei den Menschen seines Wohlgefallens. Friede allen verletzlichen und verwundbaren Menschen in der Welt.

Frohe Weihnachten!

 

Pastorin Eva Tøjner Götke

DK-5230 Odense M

Email: etg(at)km.dk

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