Das Reich Gottes ist kein…

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Das Reich Gottes ist kein…

Das Reich Gottes ist kein Wellnessurlaub | Predigt zu Lk 9,57-62, verfasst von Christine Hubka |

Und als sie auf dem Wege waren, sprach einer zu ihm: Ich will dir folgen, wohin du gehst. Und Jesus sprach zu ihm: Die Füchse haben Gruben und die Vögel unter dem Himmel haben Nester; aber der Menschensohn hat nichts, wo er sein Haupt hinlege.

Und er sprach zu einem andern: Folge mir nach! Der sprach aber: Herr, erlaube mir, dass ich zuvor hingehe und meinen Vater begrabe. Er aber sprach zu ihm: Lass die Toten ihre Toten begraben; du aber geh hin und verkündige das Reich Gottes!

Und ein andrer sprach: Herr, ich will dir nachfolgen; aber erlaube mir zuvor, dass ich Abschied nehme von denen, die in meinem Hause sind. Jesus aber sprach zu ihm: Wer die Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes. Lk 9,57-62

Ich erlaube mir eine kleine bibelwissenschaftliche Vorbemerkung:

Nur ganz wenige Abschnitte in den Evangelien geben die Stimme Jesu, seine eigenen Worte, wieder.

Hier haben wir sozusagen den ganz seltenen O-Ton des Jesus von Nazareth.

Wann und in welchem Zusammenhang Jesus die jeweilige Aussage gemacht hat, ist uns nicht überliefert.

Der Evangelist Lukas hat sie wie Puzzlesteine genommen und ihnen in seinem Evangelium einen Platz gegeben. Ich denke, dass er sehr bewusst diese doch höchst verschiedenen Szenen zusammen komponiert hat. Er bewahrt uns damit vor Irrwegen und Abwegen beim Verstehen. Denn wenn man jede einzelne Szene allein betrachtet, könnten schon Missverständnisse aufkommen. Die hat es übrigens im 18. Jahrhundert tatsächlich gegeben.

Wer die Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes. Das hat man als Anleitung zum Pflügen verstanden und von der Kanzel Abhandlungen gemacht, warum es nicht klug ist, beim Pflügen nach hinten zu schauen.

Was also haben diese Bilder gemeinsam?

Immer geht es um einen Neuanfang. Immer geht es um den ersten Schritt hinein in ein Leben, das vom Reich Gottes durchdrungen und getragen ist.

Schauen wir uns die einzelnen Szenen an:

Und als sie auf dem Wege waren, sprach einer zu ihm: Ich will dir folgen, wohin du gehst. Und Jesus sprach zu ihm: Die Füchse haben Gruben und die Vögel unter dem Himmel haben Nester; aber der Menschensohn hat nichts, wo er sein Haupt hinlege.

Anders als viele andere, verspricht Jesus denen, die ihm nachfolgen wollen, nicht den Himmel auf Erden. Anders als viele andere, verspricht er nicht ein Leben, in dem es nur noch Friede, Freude, Erfolg, Glück und Wohlstand gibt. Der Glaube an Gott, ein Leben in der Nachfolge Jesu ist kein Wellnessurlaub. Schwere Zeiten, Not, Traurigkeit, ja sogar Katastrophen sind nicht ausgeschlossen. Ein Leben in der Nachfolge Jesu verläuft zuerst einmal nicht anders als jedes andere Leben auch.

Nachdem das geklärt ist, zeigt Jesus mir und vielleicht euch auch, was ein Leben in der Nachfolge bietet.

Und er sprach zu einem andern: Folge mir nach! Der sprach aber: Herr, erlaube mir, dass ich zuvor hingehe und meinen Vater begrabe. Er aber sprach zu ihm: Lass die Toten ihre Toten begraben; du aber geh hin und verkündige das Reich Gottes!

Hart klingt dieses lass die Toten ihre Toten begraben. Ich und die meisten von euch haben schon Tote zu begraben und zu beklagen gehabt. Natürlich müssen sie begraben werden. Ich denke, es geht um die Zeit danach.

Nach diesem Abschied ist die Welt, ist das Leben nicht mehr so, wie es gewesen ist. Und es wird auch nie wieder so sein. Jede und jede hier hat aber den ersten Schritt in dieses völlig neue Leben gewagt. Wie kann man das überhaupt schaffen? Ich kann mich noch gut erinnern: In dieser Zeit habe ich jeden Tag als eigene und als einzige Herausforderung erlebt. Heute mit Gottes Hilfe durch den Tag kommen. Heute schrittweise tun, was zu tun ist. Das lässt sich nicht aufschieben. Und morgen, ja für morgen hab ich heute gar keine Kraft mehr. Die werde ich – so Gott will – morgen bekommen. Und eines Tages werde ich wieder lachen können … denn Gott wird mir neue Lebensfreude schenken, auch wenn ich mir das heute überhaupt nicht vorstellen kann. So geht es für mich in so einer schweren Zeit darum, meine geliebten Verstorbenen Gott täglich neu anzuvertrauen. Und mich und mein neues Leben ohne sie auch. Jede und jede hier, die nach so einer Zeit wieder ins Leben zurückgekehrt ist, verkündigt das Reich Gottes ganz ohne Worte. Denn andere, die grad mitten drin stecken in so einer schweren Zeit, können sehen: Gott begleitet durch diese Zeit und gibt die Kraft, die ich brauche.

Und ein andrer sprach: Herr, ich will dir nachfolgen; aber erlaube mir zuvor, dass ich Abschied nehme von denen, die in meinem Hause sind. Jesus aber sprach zu ihm: Wer die Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes.

Wenn sich einer aufmacht und sein Leben so dramatisch ändert, wie es der tut, der Jesus nachfolgen will, dann ist mit ziemlicher Sicherheit seine Welt nicht mehr dieselbe. Denn die Freunde, von denen er sich verabschieden möchte, die bleiben ja zu Hause. Sie haben nun kaum mehr etwas gemeinsam.

Jesus nachfolgen kann auch dazu führen, dass alte Verbindungen, lieb gewordene Gewohnheiten, eingefahrene Muster nicht mehr passen. Es kann dazu führen, dass ich tatsächlich meine Ansichten und Einsichten ändere. Was mir früher gefallen hat, interessiert mich nicht mehr. Was ich abgelehnt habe, tue ich jetzt selbst. Der Apostel Paulus hat das drastisch beschrieben, wie sehr sich alles verändert hat. (Phil 3,7-8): Was mir Gewinn war, das habe ich um Christi willen für Schaden erachtet. Ja, ich erachte es … für Dreck, …

So heftig muss es ja nicht immer sein. Aber die Haltung zu Menschen und Fragen des Lebens wird sich schon verändern … Und dann, wie gesagt, fühle ich mich unter alten Freunden auf einmal vielleicht fremd.

Die Frage ist erlaubt, ob sich das alles lohnt für etwas, was Jesus hier das Reich Gottes nennt.

Reich Gottes, was ist das nun eigentlich.

Ich verstehe das nicht als einen Ort, so wie Öster-Reich, wo man hinein gehen und heraus gehen kann. Das Reich Gottes ist für mich eher ein Lebensgefühl. Ein Bewusstseins-Zustand. Ein Ereignis. Ein Augenblick, oder auch mehrere, wo ich bemerke: So ist es gut. So ist es recht. Was hier geschieht, ist total stimmig. Ich habe das in dramatischen Situationen erlebt. Als ich mit einer Familie im Hospiz Abendmahl gefeiert habe. Die Kinder der Sterbenden und die Enkelkinder waren ums Bett versammelt. Ihr geliebter Hund lag auf dem Bett, ganz nahe bei ihr. Und es war ein guter Moment. Eine schöne halbe Stunde. Ich trau mich zu sagen: für uns alle.

Ich erlebe Reich Gottes aber auch immer wieder in den Öffis hier in Wien. Das beginnt mit der Durchsage: Bitte seien Sie achtsam. Andere brauchen den Sitzplatz vielleicht notwendiger. Und dann nimmt jemand aus der bequemen Sitzposition wahr, hier [i]ist ein Mensch, der sich schwer tut beim Stehen. Und steht auf mit einem Nicken und einer Handbewegung und überlässt den Sitzplatz. Und die andere Person dankt und lässt sich erleichtert nieder.

Aber Achtung: Wir Menschen machen das Reich Gottes nicht, indem wir anderen unseren Sitzplatz überlassen. Wir erfahren in solchen Momenten, wie Gott diese Welt gemeint hat. Als ein Ort, wo man auf einander schaut und achtsam ist. Wir spüren bei solchen Gelegenheiten, wie unser Schöpfer uns von Anfang an begabt hat mit der Fähigkeit, dieser Welt ein freundliches Gesicht zu geben.

Und immer geht solchen Momenten eine Entscheidung voraus: Bleib ich in meinen alten Mustern, also bleib ich sitzen, oder steh ich auf im Fall der Öffis.

Das ist nicht revolutionär. Dieser Achtsamkeit Raum geben, sich in den Raum der Achtsamkeit begeben, kann aber sehr weit führen …

Wer mir jetzt sagen möchte, das ist aber anstrengend, dem kann ich nur zustimmen.

Aber davon, dass das Leben bequemer wird, wenn ich mich auf die Nachfolge Jesu und das Reich Gottes einlasse, davon hat Jesus auch nichts gesagt. Wir haben es noch im Ohr: Die Füchse haben Gruben und die Vögel unter dem Himmel haben Nester; aber der Menschensohn hat nichts, wo er sein Haupt hinlege.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.

Pfarrerin i.R. Dr. Christine Hubka; 1160 Wien; christine.hubka@gmx.at

Derzeit ehrenamtliche Gefängnisseelsorgerin in der Justizanstalt Wien-Josefstadt; Autorin (Bücher für Kinder, Erwachsene; Sendungen für ORF-Radio). Mitarbeiterin in der Fortbildung für muslimische Religionslehrer*innen und Gefängnisseelsorger*innen.

Verwendete Literatur:

  • Walter Schmithals (1980): Das Evangelium nach Lukas. Züricher Bibelkommentar NT 3.1. Theol. Verlag Zürich.
  • Klappert (1972): Artikel „Reich (Gottes)“. In: Theologisches Begriffslexikon zum NT. Bd. 3. S. 1023ff. Verlag Brockhaus. Wuppertal.
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