Das Wort geht vom Vater aus

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Das Wort geht vom Vater aus

 


Göttinger Predigten im Internet
hg.
von Ulrich Nembach und Johannes Neukirch


(Zur Übersicht der
Predigtreihe)

Predigtreihe „Passion im Lied“ – Gründonnerstag,
12.4.2001

EG 223 „Das
Wort geht vom Vater aus“, Klaus Hoffmann


1. Das Wort geht vom Vater aus,
Und bleibt doch ewiglich zu
Haus,
und geht zu der Welten Abendzeit,
das Werk zu tun, das uns
befreit.

2. Da von dem eignen Jünger gar,
der Herr zum Tod
verraten war,
gab er als neues Testament,
den Seinen sich im Sakrament

3. gab zwiefach sich in Wein und Brot,
sein Fleisch und
Blut, getrennt im Tod,
macht durch des Mahles doppelt Teil,
den ganzen
Menschen satt und heil.

4. Der sich als Bruder zu uns stellt,
gibt sich als Brot
zum Heil der Welt,
bezahlt im Tod das Lösegeld,
geht heim zum
Thron als Siegesheld.

5. Der du am Kreuz das Heil vollbracht,
des Himmels
Tür uns aufgemacht:
gib deiner Schar im Kampf und Krieg
Mut, Kraft
und Hilf aus deinem Sieg.

6. Dir, Herr, der drei in Einigkeit,
sei ewig alle
Herrlichkeit.
Führ uns nach Haus mit starker Hand
zum Leben in das
Vaterland.

Eine steile dogmatische Sprache, in der formelhaft kurz und fast
lapidar Heilswahrheiten verkündet werden:

…gab er als neues Testament
den Seinen sich im Sakrament

… gab zwiefach sich in Wein und Brot:
… gibt sich als Brot zum Heil
der Welt,
bezahlt im Tod das Lösegeld,
Der du am Kreuz das Heil
vollbracht,…

Vom Werk unserer Befreiung zu der Welten Abendzeit singt
der Liederdichter Otto Riethmüller 1932/34. Er überträgt dazu
den Laudushymnus ins Deutsche, den der katholische Gelehrte Thomas von Aquin
1264 zur Einführung des Fronleichnamfests gedichtet hatte. Und er
wählt dazu die Melodie des Chorals „Wir danken dir, Herr Jesu Christ,
dass du für uns gestorben bist“ (EG 79), den der Kantor Nikolaus
Herman 1551 in Böhmen komponierte.

Hier ein mittelalterlicher Hymnus, der Christus fast unnahbar
monumental ins Zentrum setzt, da eine Melodie aus der Reformationszeit, die
überaus sangbar, emotional leicht eingängig und auch einnehmend ist
und in ihrer Moll-Tonart auch etwas anrührend Trauriges, ja
Melancholisches mitschwingen lässt und dann ein neuzeitlicher
Liedermacher, der als begeisternder Jugendführer und Vertreter des
„Neuen Liedes“ gerühmt wird. Wie kommt das zusammen?

Riethmüller hat sich sein Leben lang mit den
theologisch-künstlerischen Gestaltungsmitteln der Jugendarbeit
beschäftigt. Er schuf Spielmotetten, dramatisierte Bibelworte und
Kirchenlieder, ging spielerisch mit der rituellen Liturgie um. Er meinte:

„Wir müssen das Evangelium, wenn es der Jugend etwas
bedeuten soll, so sagen können, dass es die heutige Jugend hört, dass
es die heutige Jugend fassen und erfassen kann…
Darum lasst uns
barmherzig und darum anschaulich sein. Wir wollen lieber zu einfach als zu
kompliziert, lieber in hinkenden Gleichnissen als in zu abstrakter Sprache
reden“.

1932 brachte er Ein Liederbuch für die deutsche
evangelische Jugend – EIN NEUES LIED
im Burckhardthaus-Verlag heraus.
Friedrich von Bodelschwingh nannte ihn Lobsänger Gottes und Christi.

1928 war Riethmüller Direktor de Burckhardthauses geworden,
der Zentrale der evangelischen weiblichen Jugend in Deutschland. Und schon 1933
musste er der existenzbedrohenden Herausforderung standhalten, der
Gleichschaltung. Es sollte nur noch eine Jugend des Führers geben. Er
musste einen Vertrag unterschreiben, dass das evangelische Jugendwerk in die
Hitlerjugend mit ihren Untergliederungen übernommen wird. Er kommentierte
das so:
„Wir sollen uns nur noch mit Bibel und Gesangbuch
beschäftigen? Gut, so halten wir uns an sie“.

Und er tat es auch, konzentrierte sich auf den Kern der
Verkündigung, verbreitete Bibel-Lesepläne, Losungen, veranstaltete
Singegottesdienste und Sprechmotetten und antwortete so auf die politische
Herausforderung. Die Irrlehren der Deutschen Christen verurteilte er und
schrieb in der Monatsschrift für Pastoraltheologie 1934:

„Summa summarum: Nur diejenige Kirche kann wirklich auf die Dauer
helfen und dienen, die ihren eigenen und nicht fremden Gesetzen folgt, und das
gilt auch für die Jugendarbeit der Kirche“.

Dies findet sich in der Barmer Theologischen Erklärung so
wieder, vom 31. Mai 1934:
„Wir verwerfen die falsche Lehre, als
gebe es Bereiche unseres Lebens, in denen wir nicht Jesus Christus, sondern
anderen Herren zu eigen wären, Bereiche, in denen wir nicht der
Rechtfertigung und Heilung durch ihr bedürften.
… Wir verwerfen die
falsche Lehre, als könne und dürfe sich die Kirche abseits von diesem
Dienst besondere, mit Herrschaftsbefugnissen ausgestattete Führer geben
oder geben lassen“.

1935 wird Riethmüller auch Vorsitzender der
Reichsjugendkammer der Bekennenden Kirche. Es war auch einer der ersten, der
den Aufruf gegen die Einführung des Arierparagraphen in der Kirche
unterschrieb.

In der Zeit 1932-34, als die Totalitätsansprüche des 3.
Reiches immer deutlicher wurden und dennoch, viele – auch in der Kirche –
den Führer als erhofften Erneuerer begrüßten und von ihm
Heilstaten fürs ganze Vaterland erwarteten, da übertrug
Riethmüller von Aquins Hymnus und propagierte ein anderes
Vaterland. Gegen den maßlosen Herrschaftsanspruch des Führers
will er den wirklichen Herrn aller Herren groß und herrlich machen, will
eindeutig Position beziehen und sagen, von wem wirklich Rettung und Heil zu
erwarten ist. Die „Urdaten der Heilsgeschichte“ sollen
genannt sein. Die direkt bekennende Sprache des altlateinischen Hymnus kommt
ihm da entgegen. Und im Umfeld der „böhmischen Brüder“, die
sich nach Jan Hus’ Verbrennung als Reformbewegung zusammengefunden hatten,
fand er die passende Melodie von Nikolaus Herman. Die Lieder der
„böhmischen Brüder“ hatten ihn schon immer interessiert,
wegen ihrer Ursprünglichkeit und Andacht, wohl aber auch, weil es
geistliche Äußerungen eines Glaubens- und Gemeinschaftslebens sind,
das viele Verfolgungs- und Unterdrückungssituationen kennt und vom
Kampfgeist und Leidensbereitschaft gekennzeichnet ist. So wurde aus dem
Rückgriff auf die Tradition eine aktuelle politische Äußerung,
das Lied „Das Wort geht vom Vater aus“. Mit der
Übertragung des Hymnus „Verbum supernum prodiens“, der
als „reinste Verkörperung der katholischen Festidee vom
Altarsakrament gilt,
gelingt Riethmüller auch eine ökumenische
Tat. Das Lied kann nun auch bei einer evangelischen Abendmahlsfeier erklingen.
Die immer noch schmerzliche Trennung der Kirchen auch an dieser zentralen
Stelle, dem Abendmahl, wird demonstrativ überwunden.

Das Lied „Das Wort geht von dem Vater aus“ wird
am Gründonnerstag gesungen. Gründonnerstag kommt wahrscheinlich von
Grein-Donnerstag – Greinen heißt weinen. Das ist der Tag, an dem das
Abendmahl eingesetzt wurde, an dem wir Christen auch des letzten Pessach-Mahles
gedenken, das Jesus mit seinen Jüngern feierte. Das Pessach-Mahl feiern
die Juden als Erinnerung an die Errettung aus Ägypten.

In unserem Abendmahl setzen wir auch die jüdische
Pessachtradition fort. Es geht um die grundlegende Heilstat Gottes. Es geht um
die Vergegenwärtigung unserer Rettung. Deswegen fragen wir am
Gründonnerstag nach Zeichen unserer Bewahrung in der jüngsten
Geschichte. Diese Geschichte ist auch die des Holocaust. Wir müssen uns
dieser Geschichte stellen „Wir müssen uns erinnern, was Christen
ihren jüdischen Schwestern und Brüdern an unsäglichem Leid
zugefügt haben“. Vielleicht kann uns dies auch helfen gegen einen
neuen Rechtsradikalismus, die Hassattacken gegen Fremde und gegen den latenten
Antisemitismus.

Gründonnerstag ist der Beginn der eigentlichen Passions- und
Osterfeiern. Wer auf diesen Leidensweg geht, der braucht Stärkung und
Gemeinschaft. Der soll zum Abendmahl eingeladen sein.

Klaus Hoffmann
Zentrum für Medien Kunst Kultur im Amt
für Gemeindedienst
Archivstr. 3, 30169 Hannover
E-Mail:
Klaus.Hoffmann@evlka.de

(Als Quelle wurde das verdienstvolle Buch von Martin
Rößler, Liedermacher im Gesangbuch, Bd. 3 Stuttgart 1991, benutzt).


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