Der Apfel, ein Drama in…

Home / Bibel / Altes Testament / 01) 1. Mose / Genesis / Der Apfel, ein Drama in…
Der Apfel, ein Drama in…

Der Apfel, ein Drama in drei Akten | Predigt zu Genesis (1. Buch Mose) 3:1-21, verfasst von Rudolf Rengstorf |

Liebe Leserin, lieber Leser!

Ein scharfer Riss ist durch die letzte Woche gegangen. Begonnen hatte sie mit dem Rosenmontag – mit Bildern von schunkelnden und tanzenden Menschen, ausgelassen und ausgebrochen aus den Bahnen des Alltags, in Lebensfreude schwelgend.- Und dann am Aschermittwoch – begleitet vom sattsam bekannten Gezänk der Politiker – die ernüchternde Mahnung: Bedenke, Mensch, dass du Staub bist und zum Staube zurückkehrst!

Bei uns in Norddeutschland bekommen wir das alles ja nur aus zweiter Hand mit. Aber auch wenn einen das alles nur wenig oder gar nicht berührt: der Gegensatz zwischen dem Hoch-Hinauswollen und dem Zurückmüssen zur Erde – der belastet auch uns. Woher er kommt, dieser Gegensatz, wer schuld daran ist und wie wir selber da mit drinhängen, davon erzählt die Geschichte, über die heute gepredigt werden soll. Sie ist aufgemacht wie ein Theaterstück in drei Szenen. Und für den Titel dieses Stückes bedarf es nur eines einzigen Wortes, nämlich des Wortes „Aber“.

Zu finden ist dieses Stück im 2. Kapitel des ersten Buches der Bibel:

  1. Akt:

Und die Schlange war listiger als alle Tiere auf dem Felde, die Gott der Herr gemacht hatte, und sprach zu der Frau: Ja, sollte Gott gesagt haben: Ihr sollt nicht essen von allen Bäumen im Garten?

Da sprach die Frau zu der Schlange: Wir essen von den Früchten der Bäume im Garten;

3 aber von den Früchten des Baumes mitten im Garten hat Gott gesagt: Esset nicht davon, rühret sie auch nicht an, dass ihr nicht sterbet!

Da sprach die Schlange zur Frau: Ihr werdet keineswegs des Todes sterben  sondern Gott weiß: an dem Tage, da ihr davon esst, werden eure Augen aufgetan, und ihr werdet sein wie Gott und wissen, was gut und böse ist.

Und die Frau sah, dass von dem Baum gut zu essen wäre und dass er eine Lust für die Augen wäre und verlockend, weil er klug machte. Und sie nahm von seiner Frucht und aß und gab ihrem Mann, der bei ihr war, auch davon und er aß.

Da wurden ihnen beiden die Augen aufgetan und sie wurden gewahr, dass sie nackt waren, und flochten Feigenblätter zusammen und machten sich Schurze. (1. Mose,3,1-7)

Die Eintracht des Paradieses, in dem Gott und Mensch ganz unmittelbar zusammen sind, die Welt, in der alles heil und einfach ist – sie erscheint wie eine ferne Heimat, aus der wir kommen und nach der wir uns sehnen – aber. „Aber die Schlange war listiger als alle Tiere des Feldes.“ List und Klugheit sind nichts Böses, die Schlange auch nicht. Sie ist ein Geschöpf Gottes und mitnichten der Teufel. Aber da ist von Anfang an etwas in der Welt, das die Versuchung an den Menschen heranträgt. Es lässt sich auch nicht ein für allemal festlegen, sondern nimmt immer neue Gestalten an. Und da ist vor allem etwas im Menschen, was sie und ihn für die Verführung empfänglich macht. Woher das kommt, bleibt im Dunkel. Es ist da, und damit müssen wir leben. Es ist da, dass der Mensch sich über Gott hinwegsetzen will und das auch kann. „Von allen Früchten darfst du essen“, hatte Gott gesagt, „nur von diesem Baum nicht, dann wirst du sterben.“ Die Frau aber lässt sich einreden, dass sie sich von Gott nicht behandeln lassen soll wie ein Kind und gut daran tut, Aber zu sagen, sich über ihn hinweg-, sich an seine Stelle zu setzen. Weil sie nur so weiterkommt und lernt und alles in den Griff bekommt. Und siehe da, das geht. Weder sie noch ihr Mann, der dabei mitmacht, wird vom Bannstrahl des Todes getroffen. Und in der Tat, ihnen werden die Augen aufgetan. Sie sind klüger geworden. Das Aber-Sagen und –tun bringt den Menschen voran in seiner Selbst- und seiner Welterkenntnis, keine Frage. Nur Gott gegenüber kommt er nicht

weiter. Da bringt das Aber die Menschen auf sich selbst zurück. Sie sehen, was dabei herausgekommen ist: Bloßgestellt sind sie – verletzlich, schutzbedürftig, empfindlich – natürlich peinlich für die Gernegötter, peinlich voreinander und peinlich vor Gott

selbst. Und so gehen sie auf Distanz zu sich selbst und zu Gott. Übrigens, die sich an Stammtischen so gerne schlüpfrig über die Eva äußernde Männerwelt hat offenbar noch gar nicht gemerkt, was für eine klägliche Rolle der Mann in dieser biblischen Geschichte spielt. Keine Rede davon, dass er verführt werden muss. Adam macht einfach mit, was seine Frau ihm vormacht, schließt sich an, ist nichts als ein Mitläufer. Es ist sie, die erst dazu gebracht werden muss, von ihren Grundsätzen abzuweichen, während er sich seiner Frau nur wortlos anschließt. Von Frauenfeindlichkeit kann ich hier nichts entdecken!

 

  1. Akt:

 Und sie hörten Gott den Herrn, wie er im Garten ging, als der Tag kühl geworden war. Und Adam versteckte sich mit seiner Frau vor dem Angesicht Gottes des Herrn zwischen den Bäumen im Garten. Und Gott der Herr rief Adam und sprach zu ihm: Wo bist du?

Und er sprach: Ich hörte dich im Garten und fürchtete mich; denn ich bin nackt, darum versteckte ich mich. Und er sprach: Wer hat dir gesagt, dass du nackt bist? Hast du gegessen von dem Baum, von dem ich dir gebot, du solltest nicht davon essen?  Da sprach Adam: Die Frau, die du mir zugesellt hast, gab mir von dem Baum und ich aß. Da sprach Gott der Herr zur Frau: Warum hast du das getan? Die Frau sprach: Die Schlange betrog mich, sodass ich aß.(3,8-13)

 

Sein-Wollen wie Gott, aber doch weit hinter unseren Ansprüchen zurückbleiben.- Klagen, dass Gott nicht da ist, wenn man ihn braucht – aber sich wegducken und verstecken, wenn sein Ruf zu hören ist:  So geraten wir in ein ständiges Verhör. Tag für Tag sind wir doch dabei, uns zu rechtfertigen und uns Schuld vom Leibe zu halten. Auch dann, wenn gar kein Ankläger da ist.

Weil Gottes Ruf immer schon in unserem Leben drinsteckt: Adam, Mensch, wo bist du? Mensch, warum zeigst du dich nicht? In dem ewigen Schuldverschieben und -verdrängen sind auch die mit ihm beschäftigt, die behaupten, ohne ihn zu leben. Und was wir dann vorbringen, ist übrigens nie ganz falsch. Wenn Adam sich selbst entschuldigend – anklagend auf Eva verweist und diese wiederum auf die Schlange: Ganz falsch ist das alles gar nicht. Weil Schuld nie nur den einzelnen allein trifft, weil er mit seiner Schuld immer in einem größeren Zusammenhang verwoben ist. Aber in diesen Zusammenhängen machen alle sich gern so klein, suchen sich wegzustehlen, dass es Verantwortliche nicht mehr zu geben scheint – und deshalb hört Gott nicht auf zu rufen.

 

  1. Akt:

Da sprach Gott der Herr zu der Schlange: Weil du das getan hast, seist du verflucht vor allem Vieh und allen Tieren auf dem Felde. Auf deinem Bauche sollst du kriechen und Staub fressen dein Leben lang. Und ich will Feindschaft setzen zwischen dir und der Frau und zwischen deinem Samen und ihrem Samen; er wird dir den Kopf zertreten, und du wirst ihn in die Ferse stechen.  Und zur Frau sprach er: Ich will dir viel Mühsal schaffen, wenn du schwanger wirst; unter Mühen sollst du Kinder gebären. Und dein Verlangen soll nach deinem Mann sein, aber er soll dein Herr sein.

Und zum Mann sprach er: Weil du gehorcht hast der Stimme deiner Frau und gegessen von dem Baum, von dem ich dir gebot und sprach: Du sollst nicht davon essen –, verflucht sei der Acker um deinetwillen! Mit Mühsal sollst du dich von ihm nähren dein Leben lang.

Dornen und Disteln soll er dir tragen, und du sollst das Kraut auf dem Felde essen.

19 Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen, bis du wieder zu Erde wirst, davon du genommen bist. Denn Staub bist du und zum Staub kehrst du zurück.

Und Adam nannte seine Frau Eva; denn sie wurde die Mutter aller, die da leben.

Und Gott der Herr machte Adam und seiner Frau Röcke von Fellen und zog sie ihnen an.

(3,14-21)

 

 

Der Widerstand gegen Gott verändert die Welt Aus dem Sein-Wollen-wie-Gott und dem ständigen Schuldverschieben aus dem Aber des Menschen hat Gott Konsequenzen gezogen. Die gute Schöpfung- der traumhaft schöne Lebensraum für Tiere und Menschen, gerät selbst unter das Zeichen des Abers, des Risses, des Widerspruchs. So können Mensch und Tier gut miteinander leben – aber es ist auch eine Feindschaft zwischen ihnen, die auf Leben und Tod geht. Zwar haben die Möglichkeiten des Menschen, sich gefährliche Tiere vom Leibe zu halten, enorm zugenommen, auf der anderen Seite hat die Gefahr, die von Tieren als Überträgern von Krankheiten ausgeht, in einem früher ganz unbekannten Ausmaß zugenommen: Ich nenne nur Aids und Corona.

Weiter: Es ist ein wahrer Segen, dass Frauen das Leben in sich wachsen lassen und es weitergeben können – aber Schwangerschaft, Geburt und Erziehung sind auch heute noch mit Angst, Schmerzen und Sorgen verbunden. So sehr, dass viele junge Frauen heute meinen, die Nachteile des Mutterseins würden durch die Vorteile, den Segen, das Glück nicht mehr ausgeglichen.

Und sicher gehört es zu den größten Freuden des Menschen, dass es ihn als Frau und als Mann gibt, und die beiden eine unbändige Anziehungskraft füreinander empfinden. Aber die körperliche Überlegenheit des Mannes über die Frau ist zugleich eine Quelle von Angst und Demütigung. Das ist im Zeitalter der Emanzipation nicht anders geworden, im Gegenteil. Im Dunkeln allein auf der Straße oder gar in der Bahn – welche Frau traut sich das?

Und was für ein Segen für den Menschen, arbeiten zu können! Da kann er zeigen, was in ihm steckt, sich an der Gestaltung des Lebens beteiligen, sich mit anderen Menschen abstimmen und ergänzen. Aber wieviel Ärger handelt man sich da ein, wieviel Leerlauf ist im Spiel, wie viel Stress. Burnout und psychische Krankheiten nehmen in erschreckendem Umfang zu.

Das Aber, das die Welt durchzieht und die Frage nach dem Warum weckt – hier ist es darauf zurückgeführt, dass der Mensch sich mit seinem Aber von Gott abgesetzt hat und sich noch ständig absetzt von ihm. Damit geraten wir in den Schatten des Todes, der sich – mag er zeitmäßig auch weit weggerückt sein sich doch ständig in unserer Nähe herumtreibt, weil die Widersprüche des Lebens, seine Grenzen, beängstigende Vorboten der letzten Grenze sind. Das ist unser Leben – fern von Gott. Aber – Gott sagt das auch! – nicht verlassen von ihm. Fürsorglich – so wird am Ende erzählt – näht er Kleidungsstücke für die Menschen, damit sie dem Leben außerhalb des Paradieses

nicht ungeschützt ausgesetzt sind. Er kümmert und sorgt sich um sie, um uns. Davon wird ja weitererzählt, die ganze Bibel hindurch bis dahin, dass Gott sich selbst dem Riss durch unser Leben, dem Leiden und Sterbenmüssen aussetzt. Mag das Paradies verschlossen sein und der Tod viel näher erscheinen als Gott – alles bleibt in seiner Hand. Und das letzte Aber – das spricht er. Amen.

Superintendent i.R. Rudolf Rengstorf
Hildesheim
E-Mail: Rudolf.Rengstorf@online.de
de_DEDeutsch