Die Macht des Geldes

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Die Macht des Geldes

Predigt zu Lukas 19,1–10| verfasst von Thomas Bautz|

Liebe Gemeinde!

Einige politische Parteien stellen für den Fall eines Wahlsiegs immer wieder Steuererhöhungen für gut Verdienende in Aussicht. Angesichts der vielen Aufgaben, die der Staat jetzt schultert, muss klar sein, dass Bürger, die etliche Hunderttausend Euro verdienen, künftig einen höheren Beitrag zur Finanzierung des Gemeinwesens leisten sollten. Pragmatische Politik bedeute nicht, dass man Spitzenverdiener verschone und deshalb zusätzliche Schulden mache. Wir bräuchten ein leistungsgerechteres Steuersystem.[1]

Populärer ist die Steuererleichterung; sie ist beliebt bei allen sozialen Schichten, natürlich nicht nur bei den Reichen. Steuererleichterungen sind oft wenig hilfreich,  besonders in Zeiten der Krise, erst Recht während der Corona-Krise. Doch sind Steuererhöhungen verhasst; ihre Notwendigkeit wird selten eingesehen, selbst seitens derer, deren Kapital um ein Vielfaches höher ist, als der Staat von ihnen als Steuerabgaben einfordern würde. Im Klartext: es würde ihnen noch nicht einmal sonderlich weh tun. Sollten sie einmal freiwillig etwas zum Allgemeinwohl beitragen, wissen sie daraus einen Vorteil zu ziehen, d.h. ihrer Opferbereitschaft muss ein gehöriger Nutzen entsprechen.

Heute gibt es schier ungeahnte Möglichkeiten, sich am Allgemeinwohl, an Firmen, Banken, Börse, Unternehmen, politischen Institutionen oder einzelnen Bürgern zu bereichern. Übervorteilung, unlauterer Wettbewerb, Steuerhinterziehung, Korruption, bewusster Betrug und womöglich mehr sind die Instrumentarien schamloser Geldgeschäfte.

Es gibt Ausnahmen: sozusagen Reiche mit Herz, mit sozialem Engagement, aber die sind eher selten. Der Evangelist Lukas erzählt konfliktreiche Geschichten über Reichtum und der Abhängigkeit davon. Manchen Reichen bot sich beruflich die Möglichkeit, sich regelmäßig zu bereichern, z.B. den Zöllnern:

Im  römischen Reich wurden Steuern und Zölle (Grenzzoll, Marktzoll) in den Provinzen nicht durch den Staat direkt eingezogen, sondern dieser verpachtete die Gebiete an einzelne Zollpächter, die sie durch Unterbeamte (Zöllner) aus der einheimischen Bevölkerung eintreiben ließen. Die Pächter mussten eine festgelegte Summe an den Staat abliefern, so dass der Staat Risiken von Missernten u.a. auf diese abwälzen konnte. Es lag somit nahe, dass die Pächter und Zöllner mehr verlangten als nötig oder gar erlaubt war, um Überschüsse aus den Einnahmen zu erzielen. So wurden sie gehasst und verachtet, und man versagte ihnen die bürgerlichen Ehrenrechte, indem sie z. B. nicht vor Gericht als Zeugen zugelassen wurden.

Johannes der Täufer gab den Zöllnern den Rat: „Fordert nicht mehr, als euch vorgeschrieben ist!“ (Lk 3,12.13). Die Verpflichtung, der römischen Obrigkeit Steuern zu zahlen, blieb für Juden ein Ärgernis. Solche, die mit dem Eintreiben der Steuern betraut waren, wurden jeder Anerkennung für unwürdig erachtet. Daher werden im Neuen Testament „Zöllner und Sünder“ mitunter in einem erwähnt.[2]

Gemessen an seiner grundlegenden, scharfen Kritik gegenüber den Reichen und ihrem egoistischen, gottlosen Verhalten gegenüber den Armen und Notleidenden erzählt Lukas aber auch die Geschichte vom reichen Oberzöllner Zachäus – eine Geschichte, die Vorbildcharakter hat oder einfach utopisch ist? Rabbi Jesus ist hier Gast, und Zachäus springt weit über seinen Schatten. In der Forschung geht man von der Möglichkeit aus, dass es sich nicht um reine Fiktion handelt, „sondern im Kern eine Begebenheit aus dem Leben Jesu wiedergibt“.[3]

Der Erzähler bringt von Anfang an eine gewisse Dramatik ins Spiel: der reiche Oberzöllner ist klein von Wuchs, begehrt aber den allseits bekannten Rabbi Jesus zu sehen, der sich gerade Jericho nähert. Als Zugehöriger einer verhassten Berufsgruppe kann Zachäus nicht riskieren, sich durch die wartende Menge einen Weg zu bahnen. Man würde ihn erkennen und womöglich handgreiflich werden. Also steigt er auf einen Maulbeerfeigenbaum. Es bleibt offen, ob Zachäus Jesus wirklich nur beobachten will oder ob sein Interesse an dem Mann aus Nazareth einen tieferen Hintergrund hat. Als hätte Jesus dessen wahre Absichten von vornherein erkannt, kommt er Zachäus durch Zuruf und Aufforderung entgegen: Er wolle bei seinem Hause, bei seiner Familie, einkehren und Gast sein. Der Oberzöllner folgt dieser für ihn völlig überraschenden, spontanen Selbsteinladung des Rabbis.

Lukas sagt nicht einfach nur, der Nazarener wolle bei Zachäus einkehren, wie etwa in eine Herberge: nein, er wolle in seinem Hause, bei seiner ganzen Familie für einen Tag bleiben. Die Erzählung spart aus, wie der Gesinnungswandel bei diesem reichen Oberzöllner zustande kommt: Er will nicht nur die Hälfte seines Vermögens („Hab und Gut“) den Armen geben, sondern „wenn ich jemand ausgebeutet habe“ („wenn ich etwas von jemandem erpreßt“; „wenn ich gegen jemanden falsch ausgesagt habe“), gebe ich ihm das Vierfache zurück (Lk 19,8).[4]

Man hat fast den Eindruck, als hätte jemand – etwa ein späterer Redaktor – dieses Bekenntnis und Geständnis des reichen Oberzöllners in die Erzählung des Lukas eingefügt. Wenn Jesus der Familie des  Zachäus zusagt: „Heute ist diesem Hause Rettung („Heil“) widerfahren“ (Lk 19,9), geschieht das unabhängig von der überschwänglichen, utopisch wirkenden Reaktion des Oberzöllners. Narrativ als Übergang dient der etwas stereotype, aber als „programmatische Selbstaussage vertraute“ Satz:[5] „Denn der Menschensohn ist gekommen, um zu suchen und zu retten, was verloren war“ (Lk 19,10).

Zudem fällt doch auf, dass der Gastgeber den Rabbi Jesus „mit Freuden empfängt“ (Lk 19,6). Das dürfte jemandem sehr schwer fallen, der zumindest unterschwellig vorhat, ein Schuldbekenntnis und ein Geständnis abzulegen, immerhin in Sachen Bereicherung, Veruntreuung, Betrug. Lukas erwähnt mit keiner Silbe, wie es bei Zachäus zu dem Gesinnungswandel kommt. Die Erzählung vermittelt an dieser Stelle (Lk 19,8) eher eine Sozialutopie, während der Evangelist vielerorts im Evangelium seine strikte Haltung gegenüber Reichtum und die Spitzenverdiener mehr als deutlich werden lässt.

Viele Theologen und Bibelausleger sehen den Fokus dieser Geschichte darin, dass Jesus diesem reichen Oberzöllner, der bezüglich Moral und Rechtsbeugung nicht zimperlich ist, vorbehaltlos begegnet, ihn trotz sozialer Ächtung wieder in die jüdische Gemeinschaft aufnimmt. Das ist aber nichts Herausragendes. Man verkennt, dass die Evangelien häufig erzählen, dass Rabbi Jesus solche gesellschaftlichen Schranken generell durchbricht und Menschen nicht nach ihrem sozialen Status beurteilt. In beeindruckender Weise ist sein Handeln oft anstößig und nicht gesellschaftskonform. Dennoch zieht er zu Felde gegen solche, die nicht bereit sind, ihren Reichtum zu teilen, oder auch gegen die Frommen, die meinen, „vor Gott“ viel Gutes vorweisen zu können. Deshalb wettert der Nazarener öfter gegen eine heuchlerische Frömmigkeit, wie er sie bisweilen bei Pharisäern antrifft:

Eines Tages hören die Pharisäer Jesu kritische Worte über den Mammon und über Mammonismus. Sie lieben das Geld (sind geldgierig) und lachen ihn höhnisch aus (rümpfen die Nase über ihn). Doch Jesus spricht zu ihnen: „Ihr seid die, welche sich selbst vor den Menschen rechtfertigen. Gott aber kennt eure Herzen. Denn: Was bei Menschen hoch erhoben – eine Abscheulichkeit ist es vor Gott.“[6]

Manchmal geht beides ineinander über: Ein junger Mann begegnet Jesus und fragt ihn, was er Gutes tun solle, um „unendliches“, ewiges Leben[7] zu erlangen. Der Rabbi verweist ihn an die Weisungen der Tora (Zehn Gebote, Doppelgebot der Liebe usw.; selbstbewusst entgegnet der junge Mann: „Auf das alles habe ich geachtet“. Jesus aber antwortet mit Bestimmtheit: „Willst du vollkommen sein, so geh, verkaufe dein Hab und Gut und gib es (den) Armen. So wirst du einen Schatz in den Himmeln haben. Und auf, folge mir!“ Als aber der junge Mann das Wort hörte, ging er betrübt fort, denn er hatte viele Güter (Mt 19,16–22).[8]

Von den Nachfolgern (Jüngern) des Nazareners wird sogar gefordert, vollkommen zu sein, wie ihr himmlischer Vater vollkommen ist (Mt 5,48).[9] Damit ist kein äußerer Perfektionismus gemeint. Sie sollen nur eindeutig sein, so wie Rabbi Jesus keine Zwiespältigkeit, sondern Eindeutigkeit verkörpert. Das betrifft entscheidend die Nächsten- und Feindesliebe. Letztere dürfte das Schwierigste im Reich Gottes sein. Feindesliebe als Kraft  gegen pures Streben nach Reichtum: Neid, Missgunst, Geldgier, Machtgelüste, Hass auf Kontrahenten, Konkurrenten, Widersacher in Wirtschaft, Politik, mitunter aber auch in der Familie – das sind mächtige, fast unüberwindliche Parameter, die der Religion des Geldes[10] entstammen. Freundschaft gibt es nur unter Gleichgesinnten, notgedrungen, um mit den Wölfen einstweilen zu heulen, bis man ein noch größerer Wolf geworden ist, um nun die anderen zu verschlingen.

Faktisch machen sich die Reichen eher Feinde; sie werden nicht geliebt, allenfalls gefürchtet, wenn sie gleichzeitig noch die Rolle eines Diktators erfüllen. Wenn nun wirtschaftliche Macht, strukturelle Gewalt, wenn das gesamte soziale und politische Leben geldbestimmt sind, dann ist die Sozialutopie innerhalb der Geschichte vom reichen Oberzöllner Zachäus und Rabbi Jesus notwendig: Ein Reicher bekennt sein Unrecht und gesteht Betrug und Gesetzesbruch. Die Hälfte seines Vermögens gibt er den Armen und Vierfaches denen, die er ausgebeutet hat. Der Inhalt der Erzählung ist zwar utopisch, erfüllt aber eine Vorbildfunktion.

Weil Geld und Macht in ungeahnte Abhängigkeiten führen, stellt Lukas eine enorme Forderung auf: „Macht euch Freunde mit dem ungerechten Mammon … Der im Kleinsten Treue ist auch im Großen treu; der im Kleinsten Ungerechte ist auch im Großen ungerecht. Wenn ihr nun beim ungerechten Mammon nicht treu werdet, wer wird euch das wahre Gut anvertrauen?“ „Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon.“[11]

Für den Philosophen und Soziologen Georg Simmel (1858–1918) bietet der Mammonismus[12] bereits 1914 eine subtilere Gefahr als jene mehr materialistischen, habsüchtigen Begleiterscheinungen der Geldwirtschaft.[13] Das Geld erhält metaphysischen, religiösen Charakter. Geld kann unverhohlen als „Gott“ angesehen, mit „Gott“ identifiziert werden. Geld und Waren bekommen Fetischcharakter. Nicht nur Materielles wird zur Ware – auch geistige und soziale Werte und Beziehungen werden zu abstrakten Gebilden. Auch gesellschaftliches, politisches Leben. Humane Notwendigkeiten zum Schutz der Kranken, Schwachen, Notleidenden und der von Arbeitslosigkeit Bedrohten wichen längst sog. Sachzwängen: „unnötige“ Kosten einsparen, Gewinne maximieren, nach Möglichkeit Subvention vom Staat erhalten. Melden eine Firma, ein Konzern Insolvenz an, werden Spitzenmanager häufig vorher noch mit Boni oftmals in Millionenhöhe bedacht. – Geld regiert die Welt!

Was soll man dagegen tun? Der Volksmund sagt: Reiche werden immer reicher, Arme immer ärmer. Der Evangelist Lukas – vermutlich auf Jesus von Nazareth zurückgehend – ermahnt die Begüterten mit ernst, unmissverständlichen Worten; er versucht es auch mit der sozialutopischen Erzählung um den reichen Oberzöllner Zachäus, der freiwillig die Hälfte seines Vermögens den Armen opfert. Leider wird nicht erzählt, wie das überhaupt organisiert wurde. Obendrein erhielt jeder, den er ausgebeutet hat, das Vierfache von ihm. Gäbe es solche Wohlhabende in Wirklichkeit, bräuchte die politischen Parteien die Steuern für Reiche vielleicht nicht erhöhen. Aber Politik unterliegt selbst den Regeln des Kapitals.

Wenn Regierende politische Macht missbrauchen – nicht nur Aggressoren und Diktatoren, man findet sie auch in demokratischen Regierungen –, hätten sie keine Gewalt, wenn sie nicht ihrerseits einer noch weitaus mächtigeren Kraft huldigten: der Macht des Geldes, der monetären Sachzwänge, wie sie eine kapitalistische Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung entwickelt hat. Geld ist „die universelle Gestalt des Reichtums“, suggeriert und „eröffnet den scheinbar uneingeschränkten Zugriff der Zahlungsfähigen auf die Möglichkeiten der Welt und ist deshalb auch der universelle Gegenstand des Begehrens.“

Was  „Ideologen der modernen Volkswirtschaftslehre“ anpreisen als klügste, „segensreichste Erfindung der Menschheit“, bedeutet aber gleichzeitig die Gestalt eines universellen Problems mit seiner Kehrseite der „ungeheuerlichen Armut, die nicht mehr aus den Naturbedingungen erwächst, sondern künstlich produziert wird. Geld erscheint als unheimliche Macht, weil es das ‚abstrakte Ding‘ ist, gleichgültig gegen alles Sinnliche, gegen Mensch und Natur, gegen Gefühle und persönliche Bindungen. Geld kann alles und nichts repräsentieren.

In dieser gesellschaftlichen Abstraktion des Geldes lauert ein ungeheures Destruktionspotential, sobald sie real gegen die sinnliche Welt eingesetzt wird: ‚Abstraktionen in der Wirklichkeit geltend machen, heißt Wirklichkeit zerstören‘ (Hegel). Im Geld verkehren sich gleichzeitig auf paradoxe Weise soziale und dingliche Beziehungen: In ihrem wechselseitigen gesellschaftlichen Verhältnis repräsentieren die Menschen nicht sich selbst, sondern […] Geld.“ Dies absurde Verhältnis kann man mit Fug und Recht unter Rückgriff auf Karl Marx als Fetischismus bezeichnen.[14]

Die Beispielerzählung vom Oberzöllner Zachäus lehrt uns, dass es auf Verhältnismäßigkeit ankommt. Der Reiche gibt fünfzig Prozent seines Hab und Guts den Armen – das ist unverhältnismäßig viel, im besten Sinne des Wortes. So viel würde keine demokratische Regierung den Spitzenverdienern ihres Landes abverlangen. Zachäus aber handelt eben nicht nach den Gesetzen des Geldes; er unterwirft sich nicht mehr dem Mammonismus, dem es völlig egal ist, wie die Armen ihr Dasein fristen, außer wenn sie wie moderne Sklaven ihren reichen Herren dienen und sich dabei verwursten lassen.

Verstehen wir die Geschichte von Zachäus einmal spielerisch: Bei Durchsicht seiner Verhältnisse merkt er, ihm fehlt die nötige Übersicht; er braucht auch Aussicht auf eine alles ändernde Einsicht, die ihm durch die Begegnung mit Rabbi Jesus zuteilwird, den er freudig in seinem Haus empfängt. Von nun an wird der Oberzöllner die Gefahren des Reichtums beherzigen, wenn er beruflich Aufsicht führt; er wird nun Vorsicht walten lassen.

In Gesellschaft und Politik kursieren entlarvende Sprüche, die etwas Entscheidendes über unser Verhältnis zum Geld aussagen; wir erfahren, wie erfinderisch manche Politiker dabei sein können.

„Ohne Moos nix los!“ „Geld regiert die Welt.“ „Geld stinkt nicht. (Pecunia non olet.)“ Letzteres Idiom ist auch von der Herkunft her vielsagend: Die Redewendung geht zurück auf den römischen Kaiser Vespasian. Im alten Rom wurde Urin für die Ledergerbung und die Wäschereinigung eingesetzt. So wurden in Rom an belebten Straßen amphorenartige Latrinen aufgestellt, um Urin einzusammeln. Um die leeren Staatskassen zu füllen, erhob Kaiser Vespasian auf diese öffentlichen Toiletten eine spezielle Latrinensteuer. Vespasian rechtfertigte die Steuer vor seinem Sohn Titus, indem er ihm Geld aus den ersten Einnahmen unter die Nase hielt und fragte, ob der Geruch ihn störe. Als er verneinte, habe Vespasian gesagt: „Und doch ist es vom Urin“). Daraus wurde die Redewendung Pecunia non olet, „Geld stinkt nicht“.

Was heute humorvoll anmutet, war bei Kaiser Vespasian blutiger Ernst; immerhin ging es ihm um die Staatskasse oder den Staatshaushalt. Es stünde uns aber gut zu Gesicht, wenn wir heute getrost die Begebenheit aus der Antike belächeln. Bei allem Ernst heutiger Steuer- und Wirtschaftspolitik würde es niemand schaden – auch nicht in der sog. hohen Politik -, wenn wir mehr Humor walten ließen und keine Partei sich wichtiger nähme als alle anderen.

Den Spitzenverdienern, das Wort ist im Grunde besser und konkreter als das allgemeine Wort Reiche, ist zu wünschen, dass sie neu verstehen, was „Verhältnismäßigkeit“ im Vergleich zu sozial Schwachen bedeutet und worin ihr Beitrag für das Wohl des Gemeinwesens bestehen könnte. Es fällt schwer –ebenfalls Bürgern aus der Mittelschicht -, den Lebensstandard zugunsten der Notleidenden etwa zu reduzieren; denn eins gilt auch: Reichtum ist relativ, das war schon in der Antike so.[15]

Aber noch eine tiefere Wahrheit gilt: Es gibt innere Reichtümer, die, wenn sie nach außen treten bzw. ihren jeweiligen Ausdruck finden, Menschen erbauen: Malerei, Poesie, Bildhauerei, Tanz, Theater, Film. Die Kunst vermag uns zu bereichern. Zwar wird sie schon längst vermarktet, aber darüber muss man wohl hinwegsehen. Dann gibt es enorme Charakterstärken: Menschen, die unbestechlich, mutig ihrer Berufung folgen und sich unerschrocken für Menschen und Natur einsetzen, ihr eigenes Leben oft riskierend. Mögen wir in unserer kleinen Welt unser Möglichstes tun.

Amen.

Pfarrer Thomas Bautz

Bonn

E-Mail: thomas.bautz@ekir.de

[1] Bsp. https://www.tagesschau.de/inland/scholz-steuern-101.html (vom 29.08.2020).

[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Z%C3%B6llner_(Beruf); Ekkehard W. Stegemann/ Wolfgang Stegemann: Urchristliche Sozialgeschichte. Die Anfänge im Judentum und die Christusgemeinden in der mediterranen Welt (1995): (II.) Sozialgeschichte des Judentums im Land Israel und die Jesusnachfolge (4.) Jesusnachfolge im Land Israel in neutestamentlicher Zeit (4.1.2) Die Anfänge der Jesusnachfolge im Land Israel (174–189):  (c) Die soziale Einordnung der Jesusnachfolge, 177–181: 178–179.

[3] Volker Hampel: Menschensohn und historischer Jesus. Ein Rätselwort als Schlüssel zum messianischen Selbstverständnis Jesu (1990): (II) Die synoptische Menschensohnüberlieferung (B) Die Logien von der gegenwärtigen Hoheit des Menschensohns (IV.) Lk 19,10; S. 203–208: 203.

[4] Das Neue Testament. Übers. v. Fridolin Stier. Aus dem Nachlaß hg.v. Eleonore Beck et al. (1989), S. 180; Eduard Schweizer: Das Evangelium nach Lukas, NTD 3 (1986), S. 192; François Bovon: Das Evangelium nach Lukas, EKK III/3, Lk 15,1–19,27 (2001), S. 266.

[5] Jürgen Becker: Jesus von Nazareth (1996): (4) Die nahende Gottesherrschaft als gegenwärtiger Heilsbeginn für das verlorene Israel (4.2) Die Konstitutionsbedingungen für Jesu Verständnis der Gottesherrschaft (122–176): (4.2.4) Die Gottesherrschaft als Rettung der Verlorenen, 168–176: 168.

[6] E. Schweizer: Das Evangelium nach Lukas (1986): Die Funktion des Gesetzes (16,14–18), S. 170–176: 170; Das Neue Testament. Übers. v. Fridolin Stier (1989), S. 173; F. Bovon: Das Evangelium nach Lukas, EKK III/3 (2001): Regeln der Treue (Lk 16,10–18), S. 85–105: 89.

[7] Ewiges Leben ist das individuelle Pendant zum kollektiven Reich Gottes, Gottes Herrschaft, Reich der Himmel; je nach theologischem Vorverständnis überwiegt eine Polarisierung beider Dimensionen. Jesu Worte versteht man entweder präsentisch oder futurisch (auf Gegenwart oder auf Zukunft bezogen) und übersieht, dass sich seine Verkündigung oft auf Gegenwart und Zukunft beziehen, z.B.: „Das Reich Gottes ist inwendig in euch oder mitten unter euch oder zu eurer Verfügung“ (Lk 17,21); cf. Bovon: Das Evangelium nach Lukas, EKK III/3 (2001): Angesichts der Zukunft (17,20–37), S. 158–184: Die Präsenz des Gottesreichs, 164–168: 166.

[8] Das Neue Testament. Übers. v. Fridolin Stier (1989), S. 50–51.

[9] Hans Weder: Die „Rede der Reden“. Eine Auslegung der Bergpredigt heute (21987): Von der Nächstenliebe zur Liebe selbst (Mt 5,43–48), S. 136–152: 137 u. 151–152.

[10] Friedhelm Hengsbach: Kapitalismus als Religion? (2007). Christoph Deutschmann: Die Verheißung des absoluten Reichtums. Zur religiösen Natur des Kapitalismus (2., überarb. Aufl. 2001); Kapitalismus als Religion, hg.v. Dirk Baecker, copyrights 9 (2003): Kapitalismus als Religion (Walter Benjamin), 15–18; Die Grenzen des Kapitalismus. Kapitalismus, Religion und Politik in Benjamins Fragment ‚Kapitalismus als Religion‘ (Uwe Steiner), 35–59; Schuldgeschichte. Benjamins Skizze „ Kapitalismus als Religion“ (Werner Hamacher), 77–119; Die Verheißung absoluten Reichtums: Kapitalismus als Religion? (C. Deutschmann), 145–174; Geld und Geist: Die Metapher des Geldes und die Struktur der Offenbarung (Anselm Haverkamp), 175–186; Der Kapitalismus – eine Erfindung von Theologen? (Norbert Bolz), 187–207; Deus Creditor: Walter Benjamins ‚Kapitalismus als Religion‘ (Birger P. Priddat), 209–247.

[11] E. Schweizer: Das Evangelium nach Lukas (1986): Befreiung für die Zukunft Gottes (16,1–13), S. 167–170: 168.

[12] Annette Merz: Mammon als schärfster Konkurrent Gottes. Jesu Vision vom Reich Gottes und das Geld, in: Severin J. Lederhilger (Hg.): Gott oder Mammon. Christliche Ethik und die Religion des Geldes (2. Ökumenische Sommerakademie Kremsmünster 2000) (2001), 34–90.

[13] G. Simmel: Der Krieg und die geistigen Entscheidungen. Reden und Aufsätze (1917), in: G. Simmel: GA 16 (1999): Deutschlands innere Wandlung. Rede, gehalten in Straßburg, November 1914, S. 13–29: 17–18.

[14] Robert Kurz: Weltkrise und Ignoranz. Kapitalismus im Niedergang. Ausgewählte Schriften, hg.v. Roswitha Scholz/ Claus Peter Ortlieb (2013): Der strukturelle Wahn in der warenproduzierenden Moderne (68–87): (1.) Der Fetischismus des Geldes, 68–70: 68–69.

[15] Stegemann: Urchristliche Sozialgeschichte (1995): (I.) Wirtschaft und Gesellschaft der mediterranen Welt im 1. Jahrhundert (3.) Schichtung und soziale Situation (3.4) Darstellung der Elite: Die Oberschichtgruppen, 75 – 80.

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