Eine kleine Schule …

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Eine kleine Schule …

Eine kleine Schule des Betens in Zeiten von Corona – #Wirbetenzuhause | Predigt zu Matthäus 6,5-15 | verfasst von Katharina Wiefel-Jenner |

Matthäus 6,5-15

Und wenn ihr betet, sollt ihr nicht sein wie die Heuchler, die gern in den Synagogen und an den Straßenecken stehen und beten, um sich vor den Leuten zu zeigen. Wahrlich, ich sage euch: Sie haben ihren Lohn schon gehabt.

Wenn du aber betest, so geh in dein Kämmerlein und schließ die Tür zu und bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist; und dein Vater, der in das Verborgene sieht, wird dir’s vergelten.

Und wenn ihr betet, sollt ihr nicht viel plappern wie die Heiden; denn sie meinen, sie werden erhört, wenn sie viele Worte machen.

Darum sollt ihr ihnen nicht gleichen. Denn euer Vater weiß, was ihr bedürft, bevor ihr ihn bittet.

Darum sollt ihr so beten:

Unser Vater im Himmel! Dein Name werde geheiligt.

Dein Reich komme.Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden.

Unser tägliches Brot gib uns heute.

Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.

Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. [Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.]

Denn wenn ihr den Menschen ihre Verfehlungen vergebt, so wird euch euer himmlischer Vater auch vergeben.

Wenn ihr aber den Menschen nicht vergebt, so wird euch euer Vater eure Verfehlungen auch nicht vergeben.

 

Als Jesus auf das Volk sah, ging er auf einen Berg. Und er setzte sich, und seine Jünger traten zu ihm. Und er tat seinen Mund auf, lehrte sie und sprach:

I. Wenn du aber betest

Mitteilung an alle Kirchengemeinden:

Gemäß staatlicher Anordnung vom 16. und 17. März 2020 dürfen ab sofort bis zu einem noch zu bestimmenden Zeitpunkt, mindestens aber bis inklusive 19. April keine Gottesdienste und Andachten mit einer körperlich anwesenden Gemeinde mehr stattfinden, auch nicht in der Karwoche und an Ostern. 

Die Pfarrerin und eine Frau aus dem Kirchenrat stehen an der Kirchentür. Ein Mann kommt den Weg zur Kirche, bleibt vor den beiden Frauen stehen. „Das können wir uns nicht gefallen lassen. Die können uns nicht einfach den Gottesdienst verbieten.“ „Ich verstehe Ihre Enttäuschung,“ antwortet die Pfarrerin. „Wir sind keine Ärzte, aber die Lage ist ernst. Die Ärzte und Politiker sagen, dass wir Abstand zueinander halten sollen. Und wenn wir hier in der Bank nebeneinandersitzen, dann ist das vielleicht schon zu nah beieinander.“ „Ach, Frau Pfarrerin, so nah kommen wir schon nicht zusammen.“ „Ich möchte nicht schuld daran sein, wenn Sie krank werden. Ich weiß doch gar nicht, ob ich nicht auch ansteckend bin“, meldet sich die Frau aus dem Kirchenrat zu Wort. „Und wenn Sie dann im Treppenhaus Ihre Nachbarin anstecken. Arbeitet sie nicht im Altenheim?“ „Man kann uns nicht einfach den Gottesdienst verbieten. Das haben nicht einmal Hitler und Honecker gemacht.“ „So sollten Sie nicht reden und auch nicht denken. Niemand verfolgt uns, weil wir an Christus glauben. Niemand verbietet uns den Glauben. Niemand verwehrt es uns, zu beten.“

Jesus lehrte sie und sprach: Wenn du aber betest, so geh in dein Kämmerlein und schließ die Tür zu und bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist; und dein Vater, der in das Verborgene sieht, wird dir’s vergelten.

In Zeiten von Corona beten wir zuhause. Wir beten wie die ersten Christen hinter verschlossenen Türen und sind dabei nicht allein. Wir sind zuhause, beten und sind verbunden mit allen, die in ihren Kammern ihr Herz vor Gott ausschütten. Überall sitzen sie an den Küchentischen und beten. Überall beten sie – im Nachbarhaus, am anderen Ende der Stadt, am anderen Ende der Welt.  An ungezählten Orten beten wir und wir gehören zusammen. Wir sind gemeinsam mit Gott zuhause. Gott spürt unsere Traurigkeit und unsere Angst. Auch Gott vermisst mit uns zusammen das kleine Schwätzchen vor der Kirche, bevor der Gottesdienst beginnt. Auch Gott mag es, mit uns zusammen im Gesangbuch zu blättern, die Lieder aufzuschlagen und sie vor uns hinzusummen. In Zeiten von Corona sitzt Gott nicht in der Kirchenbank neben uns, sondern am Küchentisch. In Zeiten von Corona bleibt Gott mit uns zuhause. Gott sieht uns in unserer Kammer, hält keinen Abstand, berührt unsere Herzen. Gott hört uns in unserer Kammer, wenn wir beten. Gott hört, wie wir für die Regierenden beten und die Krankenschwestern, wie wir um Gesundheit und Frieden flehen. Gott ist mit uns zuhause und hört, wenn wir beten: Vater unser.

II. Und wenn ihr betet

Die Kamera ist angeschaltet. Das Bild wackelt. Der Ton hallt und knistert zugleich. Auf dem Boden sieht man Kabel liegen. Aus der Ecke des Bildes, da wo die Kirchenbänke beginnen, klingt ein brüchiger Gesang auf. Das Licht strahlt das Gesicht des Predigers an. Er redet. Seine Stimme tönt so vertraut, dass es schmerzt, sie aus diesem kleinen Lautsprecher zu hören. Seine Worte verschwimmen. Was sonst so klar war, ist auf dem Bildschirm weit weg. Die Ohren hören die Worte und die Gedanken ziehen weiter. Ah, jetzt ist die Predigt vorbei. Kommt nun das Gebet? Ja, endlich: „Lasst uns beten …“. Ja, er betet. Er betet von Corona. Das ist jetzt aktuell. Er erzählt, was Corona alles ist. Er erzählt Gott, wie Corona in die Seele kriecht und uns bedroht. Weiß Gott das nicht längst? Egal, Gott muss diese Worte hören. Sonst zerplatzt die Seele. Er erzählt, wie schwer das jetzt alles ist. Und wenn Gott das zehnmal und Millionen Mal weiß. Gott muss es von uns selbst hören, wie wir uns fühlen. Wie wir zerrissen sind, zwischen der Traurigkeit und der Hoffnung. Die Ohren werden müde. Die Worte reihen sie sich aneinander. Der Bildschirm flimmert, der Ton hallt und das Herz betet weiter: Vater unser.

Jesus lehrte sie und sprach: Und wenn ihr betet, sollt ihr nicht viel plappern. Denn euer Vater weiß, was ihr bedürft, bevor ihr ihn bittet.

 

In Zeiten von Corona beten wir zuhause. Wir beten, während aus Lautsprechern die Worte dringen. Wir beten mit Worten, die auf Bildschirmen vorüberziehen. Wir beten als ob wir es neu lernen müssten. Wie geht das mit dem Beten, wenn die Welt so verwirrend ist.? Wenn niemand weiß, was da draußen geschieht. Wenn im Sonnenschein eine unsichtbare Bedrohung herrscht und das Leben doch genauso aussieht vorher. Wir beten, als ob wir so noch nie gebetet hätten. Die Seele bahnt sich ihren Weg durch die vielen Worte hindurch, durch das Internet, das Fernsehen, vorbei an Zetteln und Aufrufen, die uns erreichen. Und Gott weiß, wie sehr uns Corona ängstet. Und Gott weiß, wie verwirrt und müde wir sind. Und Gott weiß, wie dunkel die Schmerzen sind. Und Gott weiß, wie ratlos wir wurden. Gott weiß es längst. Wir müssten kein einziges Wort sagen, denn jedes Wort hat schon Gewicht. Wir beten, weil wir sonst in dieser Zeit nicht wüssten, wer wir noch selbst sind. Wir müssten die Worte auf den Bildschirmen und aus den Lautsprechern nicht mitbeten. Gott weiß längst, wonach wir uns sehnen. Und wir beten sie mit, weil wir uns mit jedem Wort in Gottes Nähe hineinbeten. Wir beten und Gott weiß, wer wir sind. Wir beten und wir wissen, wer wir selbst sind. Wir beten und wir ahnen, wer Gott ist – unser Vater.

III. So sollt ihr beten

Meldung vom 4. Mai: Gottesdienste sind unter Einhaltung der Hygienemaßnahmen wieder gestattet. Für eine Entwarnung ist es dennoch zu früh. Die Pandemie ist nicht überwunden.

 

Wir tragen Masken. Wir singen nicht mehr. Ungewiss ist, wann wir zum Vertrauten zurückkehren werden. Wir kennen die neue Normalität noch nicht. Was wird bleiben? Die Apostel[1] haben festgehalten, was normal war und normal bleiben wird. Sie schrieben: Drei Mal am Tage betet so, wie der Herr in seinem Evangelium geboten hat.[2] Unser Vater im Himmel, geheiligt werde dein Name. Dein Reich komme, dein Wille geschehe wie im Himmel so auch auf der Erde. Unser tägliches Brot gib uns heute. Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit.

 

In Zeiten von Corona beten wir zuhause. Je verwirrender die Zeiten sind, desto wichtiger ist es, sich regelmäßig an einem Ort einzufinden, an dem es normal zugeht und wo es Sicherheit gibt. Die zwölf Apostel haben diesen Ort der Normalität und Sicherheit gezeigt. Drei Mal am Tage betet so! Diesen Ort finden wir am Küchentisch, auf der Bettkante, auf dem Sofa. Wir finden den Ort, von dem die Apostel sprachen, wo immer wir ihn suchen. Drei Mal am Tag schaffen die Worten Jesu diesen Ort, an dem die Normalität einzieht. Es ist die Normalität, die war und ist und bleiben wird – mitten in der Angst, in der Ungeduld, in der Sehnsucht, in der Hoffnung. Drei Mal am Tag legen wir die Maske ab. Drei Mal am Tag tauchen wir in die vertrauten Worte ein. Drei Mal sprechen wir aus, was Gott will. Drei Mal sprechen wir aus, was wir nötig haben und drei Mal am Tag loben wir Gott. Auch wenn es noch keine Entwarnung gibt, auch wenn die Pandemie noch längst nicht vorbei ist, so sind wir immer noch bei Gott zuhause und Gott ist bei uns. #Wirbetenzuhause – und wenn Corona eines Tage vergangen ist, dann werden wir auf unser Zuhause neu schauen und feststellen, wie Gott sich in unserem Beten bei uns eingerichtet hat.

Ein Predigtlied, wenn es denn gesungen werden darf, könnte EG 428 „Komm in unsere stolze Welt“ sein.

Um einen österlichen Akzent zu setzen, ist EG 117 „Der schöne Ostertag“ geeignet.

Ein Vaterunser-Gebet für den Gottesdienst (Wochengebet der VELKD auf www.velkd.de)

Vater unser.

Du bist unser Vater,

dir verdanken wir unser Leben.

Dir sagen wir,

worauf wir hoffen,

wonach wir uns sehen,

wovor wir uns fürchten.

Geheiligt werde dein Name.

Wir hoffen darauf,

dass deine Liebe die Welt verwandelt.

Verwandle uns,

damit wir deine Liebe zeigen.

Dein Reich komme.

Wir sehnen uns danach,

dass sich Gerechtigkeit und Frieden küssen.

Schaffe deinem Frieden Raum,

damit die Sanftmütigen das Erdreich besitzen.

Dein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden.

Wir fürchten uns davor,

dass Leid und Krankheit kein Ende haben.

Heile die Kranken und behüte die Leidenden.

Unser tägliches Brot gib uns heute.

Nicht nur uns,

auch denen, die verzweifelt nach Hilfe rufen,

die vor den Trümmern ihres Lebens stehen

und die sich vor der Zukunft fürchten.

Du bist die Quelle des Lebens,

verbanne den Hunger.

Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.

Öffne unsere harten Herzen für die Vergebung.

Öffne die Fäuste der Gewalttäter für die Sanftmut.

Lenke unsere Füße auf den Weg des Friedens.

Versöhne uns und alle Welt.

Führe uns nicht in Versuchung.

Dein Wort ist das Leben.

Du kannst unsere Herzen verschließen vor Neid, Gier und Hochmut.

Halte uns ab von Hass und Gewalttätigkeit.

Bewahre uns vor den falschen Wegen!

Erlöse uns von dem Bösen

Öffne unsere Augen,

damit wir das Böse hinter seinen Verkleidungen erkennen.

Lass uns dem Bösen widerstehen und

befreie alle, die in der Gewalt des Bösen gefangen sind.

 

Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit.

Du rufst uns beim Namen.

Du siehst uns –

wo wir auch sind,

am Küchentisch, in der Kirchenbank, in unseren Kammern.

Bei dir schweigen Angst und Schmerz. Auf dich hoffen wir heute und alle Tage.

In Jesu Namen vertrauen wir uns dir an.

Amen.

Dr. Katharina Wiefel-Jenner

Berlin

wiefel_jenner@hotmail.com

Katharina Wiefel-Jenner, geb.1958, Pfarrerin i.R., bildet als Dozentin für Liturgik und Homiletik Ehrenamtliche für den Verkündigungsdienst aus.

[1] Apostolische Väter, Didache oder Lehre der zwölf Apostel.

[2] Vgl. Didache 8,2.3. https://bkv.unifr.ch/works/2/versions/3/divisions/93575/ZGlkYWNoZSA4LDM=

de_DEDeutsch