Hebräer 9,15.26b-28

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Hebräer 9,15.26b-28

 


Sermons from Göttingen on the Internet
hg.
von Ulrich Nembach und Johannes Neukirch


Good Friday
21.4.2000
Hebräer
9,15.26b-28

Jürgen
Berghaus


Liebe Gemeinde !

„April, April “ – mit diesen Worten freut man sich
normalerweise, wenn es gelungen ist, den anderen einen Bären aufzubinden,
sie „in den April zu schicken“. Am heutigen Tag aber steht uns der
Sinn nicht nach solchen Späßen, denn heute ist Karfreitag, und die
Christenheit gedenkt des Sterbens Jesu.

„April, April“ – das darf auf keinen Fall für
unseren Glauben gelten. Denn auf meinen Glauben will ich mich verlassen
können, er soll mir Kraft, Trost und Orientierungshilfe geben – ein
Aprilscherz an dieser wichtigen Stelle wäre ganz und gar unpassend.

Freilich stehen wir mit dieser Auffassung ziemlich allein auf
weiter Flur. Denn für die meisten unserer Zeit-genossen dient der
christliche Glaube nur noch als religiöse Sauce für ein paar
Feiertage im Jahreslauf und für besondere familiäre Ereignisse.

Doch hüten wir uns, liebe Gemeinde, an dieser Stelle die Nase
zu rümpfen über die vielen anderen, die nicht – wie wir –
regelmäßig oder doch wenigstens gelegentlich einmal in die Kirche
kommen. Denn vielleicht haben sie ja recht, die zahlreichen Menschen, denen ihr
christlicher Glaube kaum noch etwas bedeutet. Vielleicht erzählen wir uns
hier in der Kirche ja wirklich bloß irgendwelche Geschichten, an denen
nichts Wahres dran ist : Christlicher Glaube und christliche Lebenspraxis –
April, April ?

Wenn wir als Kirche glaubwürdig und überzeugend sein
wollen, liebe Gemeinde, wenn wir immer noch meinen, die beste Sache der Welt zu
vertreten, dann dürfen wir uns nicht mehr weiter an die Wand und in die
Ecke drängen lassen, sondern müssen in Wort und Tat unseren Glauben
bezeugen – damit die anderen überhaupt erst mal mitkriegen, welche
Lebensalternativen christlicher Glaube zu bieten hat.

Fragen wir heute einmal ganz gezielt nach der Bedeutung des Todes
Jesu für uns und für unsere Welt. Die alten und sperrigen Worte
unseres recht komplizierten Predigttextes aus Hebräer 9 sollen uns dabei
helfen; allerdings verlangen sie danach, übersetzt zu werden in den
Erfahrungshorizont des beginnenden 21. Jh. :

Der Predigttext steht vor einem großen Problem, sieht
dafür aber eine überzeugende Lösung und wagt schließlich
noch einen Blick in die Zukunft. Diesen drei Aspekten möchte ich nun
weiter nachgehen.

DAS PROBLEM : DIE MENSCHLICHE SÜNDE

Liebe Gemeinde, von „Sünde“ zu reden fällt
heutzutage nicht gerade leicht : Es scheint sich dabei um etwas
Altertümliches zu handeln, das modernen Menschen nicht mehr
verständlich ist. Ich sehe in dieser Abwehrhaltung auch eine Art Protest
gegen die Überbetonung der Sündenangst in früheren Jahrhunderten
– doch weder Abwehr noch Überbetonung sind die richtigen Verhaltensweisen,
wenn es um das Problem der Sünde geht. Aber was hat es denn nun wirklich
auf sich mit diesem vorbelasteten Begriff ?

Wir Menschen sind nicht perfekt – immer wieder laden wir,
bewußt oder unbewußt, Schuld auf uns. Im familiären Bereich
gibt es viel liebloses Miteinander-Umgehen oder achtloses
Aneinander-Vorbeileben.

In der Gesellschaft werden eigene Gruppeninteressen machtvoll
durchgesetzt, und wer dem Leistungsdruck nicht standhält, droht
abzurutschen. Zwischen den Völkern, aber auch schon zwischen Mensch und
Mensch scheinen Gewalt und Krieg immer mehr zu Bestandteilen des normalen
Alltags zu werden.

Fast scheint es so, als hätten wir uns mittlerweile an die
Sünde gewöhnt. „Ist doch alles halb so wild“, bekommt
jemand zu hören, der Sünden als solche benennt und der eine Umkehr
fordert. Wir Christen aber dürfen hier nicht abstumpfen; dürfen keine
Verletzung der Menschenwürde leichtfertig hinnehmen; dürfen nicht
gedankenlos jede Umweltbelastung dulden; dürfen der Gewalt nicht
freiwillig das Feld überlassen.

Sünde, liebe Gemeinde, ist im Wesentlichen eine
Zerstörung von Beziehungen. Im Verhältnis zu mir selbst, zu meinen
nahen und fernen Nächsten, zur lebensspendenden Schöpfung und zu Gott
wirkt die Sünde wie ein Störsender, der Isolation, Vereinzelung und
Einsamkeit hervorruft. Kontakte brechen ab, und schließlich bin ich in
mir selbst gefangen wir hinter einer dicken Mauer. Nein, liebe Gemeinde, Formen
der Sünde gibt es in jedem Lebensbereich – und wir tun gut daran, sie
nicht auf die leichte Schulter zu nehmen.

DIE LÖSUNG : CHRISTI OPFERTOD FÜR UNS

Wer die Deutung des Todes Jesu als Opfertod für uns recht
verstehen will, sollte die alttestamentlichen Voraussetzungen unseres
Predigttextes beachten. Im Alten Testament nämlich diente der Opferkult
der „Sühne“ – und das war der von Gott selbst gewiesene Weg, um
sündengestörte Beziehungen wieder zu heilen. Ein Tier wurde
getötet, nachdem ihm die Stellvertretung für das Leben des
Sünders übertragen wurde. Mit dem Opfertier zugleich starb symbolisch
auch der sündenbeladene Mensch – und da durch den Opfertod die
Sündenlast aus der Welt geschafft wurde, konnte der frühere
Sünder anschließend ein neues Leben beginnen.

Diese alttestamentliche Sühne-Vorstellung wird in unserem
Predigttext aus Hebräer 9 auf Christi Kreuzestod übertragen. Doch
während die Opferhandlungen im Alten Bund wiederkehrende Vorgänge
waren, gilt Christi Opfertod ein für allemal : Eine Wiederholung ist nicht
erforderlich, denn jeder Mensch kann jederzeit die Stellvertretung Jesu auf
sein eigenes, sündiges Leben beziehen. Wer dies dann auch wirklich tut,
wer Christi Lebenshingabe als wirksame Sühne für persönliche
Schuld annimmt, dem schenkt Gott selbst die Kraft, ein von Sünden
befreites, neues Leben beginnen zu können.

Natürlich stehen sowohl der Sühnekult des Alten Bundes
als auch Christi Opfertod für uns in der Gefahr, mißverstanden zu
werden als „billige Gnade“, als Deckmäntelchen für den
geheimen Vorsatz, genauso weitermachen zu wollen wie bisher. Doch aus billiger
Gnade kann niemals ein wirklich neues Leben erwachsen, und nur wer den Tod des
alten Menschen gleichsam körperlich miterlebt, wird die ganze Fülle
der von Sünden befreiten Lebenskraft als Gottes Geschenk annehmen
können.

DER AUSBLICK : HEIL FÜR ALLE

Liebe Gemeinde, unser Predigttext begnügt sich nicht damit,
das Problem der Sünde zu benennen und im Kreuz Christi die Erlösung
zu sehen, sondern er wagt an zwei Stellen auch einen Blick in die Zukunft.
Diese Zukunft hat für den Schreiber des Hebräerbriefs bereits auf
Golgatha begonnen. Vom „Ende der Welt“ spricht er in diesem
Zusammenhang und benutzt dabei ein griechisches Wort, das soviel wie
„Vollendung“ oder „Reifezeit“ bedeutet.

So wichtig der Opfertod Jesu auch ist, es folgt noch etwas nach,
etwas Unbeschreibliches : die Ewigkeit,

jener glückliche Zustand ungetrübter Gemeinschaft
zwischen Gott und den Menschen in einem neuen Himmel und auf einer neuen Erde.
Darin sieht unser Predigttext das für uns bestimmte Erbe, und dieses Heil
für alle entsteht, wenn Christus zum zweiten Mal auf Erden erscheint. Hier
treffen sich dann auch wieder die christliche und die jüdische
Endzeit-Hoffnung, nachdem ihre Wege eine Zeitlang auseinander gegangen waren.

Damit bin ich am Ende meiner Predigt angelangt, liebe Gemeinde :
Jesu Opfertod als Antwort auf die menschliche Sünde zeigt uns einen Gott,
der nicht auf Strafe beharrt, sondern der allen Menschen seiner Schöpfung
neues Leben schenken will. Gottes Ziel dabei ist eine beständige
Gemeinschaft mit uns, ungetrübt durch Schuld, Leid und Versagen.
Hören wir zum Abschluß noch einmal auf diese biblische
Karfreitags-Botschaft, die nun wirklich nichts mit einem Aprilscherz gemein hat
: (…)

Amen.

Liedvorschläge:
556, alle 5 (Ich steh an deinem
K.)
83, 1.4.6 (Ein Lämmlein geht)
81, 1.3.4.7 (Herzliebster Jesu)

93, alle 4 (Nun gehören unsre H.)

Pfarrer Jürgen Berghaus
Scharnhorststraße 38

51377 Leverkusen-Manfort
Tel./Fax : 0214 – 8707091


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