Lukas 16,19-31

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Lukas 16,19-31

1.Sonntag nach Trinitatis | 11.06.2023 | Lk 16,19-31(dänische Perikopenordnung) | Lasse Rødsgaard Lauesen |

Die Geschichte von den beiden Verlorenen und dem Befreier

Der Freitag-Abend ist so ein Abend, an dem man sich ins Sofa niederfallen lässt. Die letzte Arbeit muss noch getan werden, und dann landet man vor einem Film. Kennt Ihr das, oder bin das nur ich? Der Film hat in der Regel schon begonnen, und es fehlen einem sowohl der Titel als auch die ersten zehn Minuten. All das, was einen Hinweis darauf gibt, wo das ganze endet. Die Lücke muss man selbst ausfüllen, und langsam entdeckt man Neben- und Hauptpersonen und worum es in der Geschichte geht. Die Regel ist ja, dass alles, was geschieht, mit dem Ganzen zu tun hat und mit dem Schluss, der das alles zusammenbindet. Man kann fast nicht vermeiden zu glauben, dass es im Leben ist wie in einem Film mit einem klaren Plot. Alle Einzelheiten führen zum endlichen Ziel, das ist ein schöner Gedanke, aber ist er wahr? Nicht für die beiden Personen im Evangelium und vielleicht auch nicht für uns andere. Darauf werden wir jetzt eingehen.

Sehen wir das Evangelium als einen Film, geht es da um die Hauptperson, den reichen Mann, ja ich weiß nicht, wie er heißt, vielleicht weil das Evangelium haben will, dass ich denke, dass ich das bin. Der reiche Mann ist die Person, dessen Leben ein Fest ist und der sich in Purpur und feinem Leinen kleiden kann. Er hat ein Fest und er weiß vielleicht nicht, wer da vor seiner Tür liegt. Nämlich der andere, der Arme, dessen Namen wir aber sehr wohl kennen, nämlich Lazarus, durchnässt und schmutzig, er isst Essensreste und lässt Hunde seine Wunden lecken.

Das Evangelium führt uns mitten hinein in das Geschehen, wie das mit einem Freitagsfilm geschieht. Wir müssen also selbst erraten, was zu den Schicksalen der beiden Männer geführt hat. Vielleicht ist Lazarus selbst schuld an seinem Unglück, während der reiche Mann den Wohlstand verdient hat, der sein Leben versüßt. Ganz gleich was der reiche Mann getan hat, da muss ja jemand sein, der das hoch geschätzt hat, was er getan hat, sie haben ihn also reich gemacht, auch wenn er Katzenfutter auf seinem eigenen TV-Kanal getestet hat, oder wovon man heutzutage reich werden kann.

Das einzige, was diese beiden Männer gemeinsam haben, ist dies, dass sie Menschen sind, die wahrlich sterben müssen, und das tun sie auch. Erst natürlich Lazarus, der von einem Engel in Abrahams Schoß gehoben wird, und dann der reiche Mann, der im Totenreich landet. Da ist keine richtige Logik darin, dass sie auf dieses Weise im Himmel den Platz tauschen, und das kann uns vielleicht daran denken lassen, ob da in ihrem Status auf Erden eine Logik war. Alles Irdische will natürlich daran festhalten, dass es Unterschiede gibt zwischen den Leuten und dass einige mehr erreichen als andere. Die himmlische Logik hält dagegen daran fest, dass da eigentlich kein Unterschied ist zwischen den Leuten, und vielleicht deshalb kommt es zu einem Ausgleich mit dem guten Teil, den Lazarus nun erhält. Sie haben keine Wahl, nicht einmal die Brüder des reichen Mannes dürfen wählen, wann sie den guten Teil haben wollen.

Wären wir zu Anfang gefragt worden, wo du sein willst, hätten die meisten ja wohl den reichen Mann gewählt, aber jetzt, wo alles auf den Kopf gestellt ist, hätten sich die meisten wohl für Lazarus entschieden. Für seine Perspektive von unten ist Reichtum suspekt. Und lasst mich deshalb nur fragen: Bis du nie angefochten von der Ungerechtigkeit der Welt, der Verschwendung oder nur dem, dass einige so viel Geld verdienen können, indem sie Katzenfutter auf ihrem eigenen TV-Kanal testen? Ist das klug oder überhaupt gerecht? Das ist eine moderne Frage, denn die Juden zur Zeit Jesu sehen Wohlstand als einen Segen Gottes, während wir heute denken, dass sich die Reichen ihren Wohlstand ergaunert haben. Dieser Gedanke kommt vielleicht von hier und den anderen Geschichten, die die Evangelien bringen von Reichen, die nicht teilen wollen.

Wenn ihr mich fragt: Wer von den beiden willst du am liebsten sein?

Dann ist meine Antwort: Keiner von beiden, weder der reiche Mann, der keinen Blick hat für die Welt um ihm, noch Lazarus, der allen Anstand und alle Kontrolle verloren hat und es nicht einmal wagt, die Hunde wegzujagen. Das einzige, was Lazarus wohl kann, ist das Unmögliche, am Boden zu liegen und auf alles um sich herabzuschauen. Beide sind unsympathisch und von sich selbst eingenommen. Ich glaube nicht einmal,  dass ich mich mehr mit ihnen in meiner Predigt beschäftigen will. Sie können in ihrer ausweglosen Lage bleiben, dann müssen wir sehen, wer am Todesreich vorbeikommt und die beiden sieht.

Denn da ist in der Tat nur einer, der mir da einfällt, der sich um dieses beiden armen Menschen kümmert. Die Tradition sagt, dass Jesus im Reich der Toten predigte, eben um die ausweglose Situation zu lösen, das gilt tatsächlich auch für die beiden selbstgefälligen Männer.

Ein guter Film endet damit, dass wir noch immer im Sofa sitzen und nur Zeuge waren von etwas, und so hinterlässt uns das Evangelium auch, nämlich mit der Möglichkeit, etwas anderes zu tun als die beiden. Das Evangelium sagt zu denen von euch, die sich für den reichen Mann entschieden haben, der sie sein wollen: Lazarus liegt verdammt noch mal vor deiner Tür, du musst etwas tut anstatt in deinem Haus zu feiern. Und zu denen von euch, die Lazarus waren: Sieh wenigstens zu, dass du den Hund wegjagst, steh auf und reiß dich zusammen[1]. Tatsächlich können die Charakterzüge der beiden Männer in demselben Menschen sein, denn wenn es uns gut geht, glauben wir, dass wir unseren Wohlstand verdient haben und dass es nur so bleibt, weil wir so phantastisch sind. Und wenn es uns schlecht geht, werden wir passiv und denken, dass alles egal ist, es liegt sowieso nicht an mir. Beide Positionen machen uns selbstgenügsam und bringen uns nicht dazu, nach dem zu streben, was uns das Evangelium geben will.

Die Predigt begann damit, dass wir im Sofa landen zu einem Film, dessen Plot wir langsam fanden. Alles wird langsam auf den Plot bezogen, und wir stellten uns selbst die Frage, ob wir fälschlicherweise das Leben in derselben Weise sehen wie einen ursächlichen Zusammenhang. So ist das nicht im eigentlichen Leben oder in der Gnade, die Jesus uns reicht. Auch wenn wir wie die beiden im Evangelium sind, wird uns die Gnade dennoch angeboten.

Wir kommen zum Abschluss, und wir können vielleicht damit beginnen, den Titel des Evangeliums zu erraten. Men Vorschlag ist: Die Geschichte von den beiden Verlorenen und dem Befreier. Denn die Gnade gehört uns nicht und ist deshalb kein Teil des Plots, sondern die Möglichkeit, die die Brüder nicht von dem bekamen, der aus dem Reich der Toten zurückkehrte, nachdem er mit den beiden gesprochen hatte. Unser Glaube ist deshalb nicht ein Glaube an uns selbst und unseren Plot, sondern an Jesus, der außerhalb des Plots steht, und deshalb glaube ich, dass es gut ausgeht für die beiden und für uns. Amen.

Sognepræst Lasse Rødsgaard Lauesen

Paarup kirke

lrl(at)km.dk

[1] Siehe Baudelaire: Der Spleen von Paris

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