Erntedank heute…

Home / Bibel / Neues Testament / 02) Markus / Mark / Erntedank heute…
Erntedank heute…

Erntedank heute: Zwischen „Billig-Billig-Mentalität“ und der Fähigkeit zu danken und zu teilen |Predigt zu Markus 8, 1-9| verfasst von Winfried Klotz| 

 

Markus 8, 1-9 (Text: Gute Nachricht Bibel)

1 Damals waren wieder einmal viele Menschen bei Jesus versammelt, und sie hatten nichts zu essen. Da rief Jesus die Jünger zu sich und sagte:     (8,1-10) 6,32-44par

2 »Die Leute tun mir Leid. Seit drei Tagen sind sie hier bei mir und haben nichts zu essen.    6,34par; Mt 9,36; Num 27,17S

3 Wenn ich sie jetzt hungrig nach Hause schicke, werden sie unterwegs zusammenbrechen; denn sie sind zum Teil von weit hergekommen.«

4 Die Jünger gaben zu bedenken: »Wo soll jemand hier in dieser unbewohnten Gegend das Brot hernehmen, um all diese Menschen satt zu machen?«

5 »Wie viele Brote habt ihr?«, fragte Jesus, und sie sagten: »Sieben!«

6 Da forderte er die Leute auf, sich auf die Erde zu setzen. Dann nahm er die sieben Brote, sprach darüber das Dankgebet, brach sie in Stücke und gab sie seinen Jüngern zum Austeilen. Die Jünger verteilten sie an die Menge.

7 Außerdem hatten sie ein paar kleine Fische. Jesus segnete sie und ließ sie ebenfalls austeilen.

8 Die Leute aßen und wurden satt und füllten sogar noch sieben Körbe mit dem Brot, das übrigblieb.

9 Es waren etwa viertausend Menschen. Dann schickte Jesus sie nach Hause.

Liebe Gemeinde,

Erntedankfest, geht uns das persönlich noch etwas an? Wer von uns ist ein Lebensmittelunternehmer, wie es fachsprachlich auf einem Formular unter der Überschrift: „Informationen zur Lebensmittelsicherheit“ heißt? Hält also Tiere, die zur Schlachtung gebracht werden?

Wer von uns bewirtschaftet einen Garten und isst sein selbst gepflanztes Gemüse? Manche, vor allem auf dem Land; in der Stadt dagegen werden da und dort Tomaten auf dem Balkon im Topf gezogen, dazu ein paar Küchenkräuter.

Wer von uns ist abhängig davon, dass die Sonne scheint, es regnet und der Wind weht, damit das Getreide auf den Feldern wächst die Wiesen grünen und die Schafe genug Futter haben?

Klar, wir sind ein Teil dessen, was wir Natur nennen. Klar, wir brauchen Sonne und Regen. Klar, es macht uns zu schaffen, wenn es zu heiß oder kalt ist, zu trocken oder nass. Aber die Folgen des Wetters erfahren vor allem die, die ihren Lebensunterhalt erwirtschaften durch Ackerbau und Viehzucht. „Ohne Gott und Sonnenschein bringen wir die Ernte ein“, so reimte der DDR-Sozialismus wirklichkeitsfremd. Interessant, dass hier Gott und Sonnenschein parallel gesetzt sind. Der heutige säkulare Mensch verzichtet auf Gott, aber keineswegs auf Sonnenschein, Regen und Wind.

„Von jetzt an gilt, solange die Erde besteht: Nie werden aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.“ (1. Mose 8, 22) So sagt es das alte göttliche Versprechen nach der Sintflut. Ja, auch alle die, die Lebensmittel nicht selbst erzeugen, die keinen Garten pflegen oder Bienen halten sind abhängig davon, dass Gott sein Versprechen hält. „Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht“ scheinen selbstverständlich zu sein. Aber in Zeiten der Klimaerwärmung wird uns bewusst, das natürliche Abläufe anfällig sind, sich zum Schaden des Menschen verändern können. Und wir Menschen – früher undenkbar- stark eingreifen in natürliche Abläufe durch Produktion und Verbrauch irdischer Güter. Deshalb führen wir eine Diskussion über eine der Natur entsprechende, nachhaltige Produktionsweise unserer Nahrung.

Vielen ist schon bewusst geworden, dass die Werbung großer Supermarktketten mit dem billigen Preis nicht zusammengehen kann mit einer Wirtschaftsweise, die die Bedürfnisse von Pflanzen und Tieren ernst nimmt. Eine Kuh, die Milch geben soll, braucht nicht nur Heu, Wasser und Kraftfutter, sondern nach heutigen Maßstäben einen Offenstall und möglichst Weidegang. Kühe auf höchste Leistung zu züchten und mit viel Kraftfutter, das importiert werden muss, zu höchster Leistung zu bringen, vergrößert den Milchsee, verschleißt die Kuh in wenigen Jahren und führt zum Gülleproblem, das wir dann als Nitratbelastung des Grundwassers beklagen. Ich bin Schafhalter, aber kein Landwirt, der davon leben muss. Ich weiß, es gibt keine einfachen Lösungen. Landwirtschaft muss, wie jede wirtschaftliche Tätigkeit, sich rechnen, was schwierig ist auch wegen der „Billig-billig-Mentalität“ vieler Verbraucher. Erntedank aber müsste doch auch heißen, dass wir unsere Lebensmittel und die, die sie erzeugen, hochschätzen und bereit sind, einen angemessenen Preis zu bezahlen.

Erntedank- das Bibelwort zu Beginn der Predigt redet nicht vom Dank für die Ernte. Im Angesicht hungriger Menschen dankt Jesus für das Wenige, das da ist und lässt es durch die Jünger verteilen. Alle werden satt und es bleibt sogar noch übrig.

Bevor wir überlegen, welche Folgerungen wir aus der Speisungsgeschichte ziehen können, eine wichtige Information: Die Evangelien berichten insgesamt sechsmal von einem Speisungswunder; auch im Johannesevangelium, das oft eigene Wege geht, wird die Geschichte erzählt. Speisung Hungernder ist also für die Urgemeinde, aus der heraus die Evangelisten berichten, keine Nebensache.

Wir leben in einem satten Land, Lebensmittel landen schnell in der Tonne, wenn sie nicht mehr ganz frisch sind; wer isst schon altes, hartes Brot, wer schneidet einen Apfel aus, der eine faule Stelle hat, wer verwendet noch Joghurt, der schon abgelaufen ist? Vielleicht die eine und der andere, aber in der Tendenz werden viele Lebensmittel entsorgt, die noch gut essbar sind. Damals aber lebte nur eine reiche Oberschicht im Luxus, Hunger war nicht nur in der Zeit der Wüstenwanderung des Volkes Israel eine Not, sondern auch zur Zeit Jesu. Beim Thema „nicht sorgen“ beginnt Jesus so:

„Darum sage ich euch: Macht euch keine Sorgen um euer Leben, ob ihr etwas zu essen oder zu trinken habt, und um euren Leib, ob ihr etwas anzuziehen habt! Das Leben ist mehr als Essen und Trinken, und der Leib ist mehr als die Kleidung!“ (Mt. 6, 25) Und beim Vater unser geht die erste Bitte, die menschliche Anliegen aufnimmt, um das tägliche Brot. (Mt. 6, 11) Das tägliche Brot ist ein wichtiges Thema, weil die Erfahrung des Hungers gegenwärtig ist!

Ganz betont steht am Anfang unseres Abschnitts der Hinweis auf den Hunger der Menschen, die bei Jesus versammelt sind: „Wenn ich sie jetzt hungrig nach Hause schicke, werden sie unterwegs zusammenbrechen.“ Selbst schuld, die hätten ja etwas mitbringen können. Nein, viele lebten vermutlich von der Hand in den Mund ohne die Möglichkeit, vorzusorgen. Warum rennen sie dann Jesus hinterher in eine einsame Gegend? Weil er eine Botschaft für sie hat, die sie sonst nirgends hören können, die Botschaft von Gottes rettender Nähe, seiner guten Herrschaft, der Sündenvergebung, und das alles durch den, von dem Gottes Stimme sagt: „Du bist mein Sohn, dir gilt meine Liebe, dich habe ich erwählt.“ (Mk. 1, 11)

Die Menschen haben die gute Nachricht gehört, das ist wichtig; jetzt haben sie Hunger und das ist für Jesus auch wichtig. Es ist bei Jesu wie bei der Heilsarmee; Menschen brauchen beides: Gottes Wort und Nahrung für den Leib! Deshalb folgt auf die Predigt die Speisung der Hungrigen. Jesus nimmt die Not der Menschen ernst. Wer jetzt sagt, das ist doch nur eine Beispielgeschichte für das, was wir tun sollen, Hungrige speisen, unseren Reichtum mit den Armen teilen, der zieht die richtigen Schlussfolgerungen und hat doch nichts verstanden. Das Neue Testament erzählt nicht deshalb Wunder, um Jesus aufzublasen zum Allergrößten, sondern weil Wunder als Gucklöcher in Gottes kommende Herrlichkeit durch Jesus geschehen sind. Jesu Zeit ist messianische Zeit; unsere Zeit ist das nicht. (Mk. 2, 19f) Wir tun uns keinen Gefallen, wenn wir die Wunder Jesu weg-rationalisieren; ohne Wunder sind wir ärmlich und zugleich aufgeblasen, denn dann bleibt nur: Jesu hat keine Hände, nur unsere. Was trauen, was muten wir uns zu!?

Es ist richtig, dass wir Hungrige speisen sollen, dass wir teilen sollen. Das Wenige, was Jesu Jünger mitgebracht haben, ist Ausgangspunkt für die Speisung und Sättigung der vielen. Unter dem Dankgebet Jesu – nicht dem Bittgebet, geschieht das Wunder: Jesus bricht das Brot, gibt es den Jüngern und sie teilen es aus. Genauso geschieht es mit den Fischen. Die Jünger Jesu stellen Jesus ihren kleinen Vorrat zur Verfügung und empfangen dann von ihm unfassbar viel mehr! Das ist wichtig für uns, wenn wir überlegen, wie wir heute Hungernde sättigen können. Was wir haben reicht nie für alle Not; aber wenn wir es Jesus zur Verfügung stellen und wie er darüber danken, dann wird aus dem Wenigen viel. Wer für sein Leben und die Mittel zum Leben dankt gewinnt eine andere Perspektive, kann gelassen und großzügig sein. Jesus steht im Zentrum, wir sind seine Handlanger, sein Wort und sein Geist beflügeln uns, geben uns eine große Perspektive: Gottes Reich, seine rettende Herrschaft.

Erntedank: Wir Hungrigen werden satt trotz Hitze und Trockenheit in diesem Jahr. Dafür sorgt auch eine Landwirtschaft, die nicht mit Pferd und Einscharpflug, sondern mit großen Maschinen den Boden bearbeitet. Da ist kein Platz für Romantik, aber gewiss ist es nötig, nach dem besten Weg bei Ackerbau und Viehzucht zu fragen. Wie werden wir Pflanzen und Tieren gerecht? Wir Hungrigen werden satt und können weitergeben von dem, was wir empfangen haben. In unserer Mitte Jesus, durch den Gott uns Nahrung gibt für den ganzen Menschen, sein Wort und seinen Geist, aber auch das tägliche Brot, Lebenskraft, Gesundheit, das Dach über dem Kopf, die Arbeit, Ehe und Familie, Gemeinde. Nicht immer haben wir, was wir brauchen. Aber wer über dem dankt, was sie/er hat, kann reichlich austeilen an die, die hungern.

Zuletzt: Für die meisten Menschen in Europa ist die Frage nach Nahrung und Kleidung beantwortet, der Lebenshunger aber geblieben. Neben allem Bemühen um „Brot für die Welt“ müssen wir uns in radikaler Einseitigkeit darum mühen, den Lebenshunger der Satten zu stillen, indem wir Jesus als Brot des Lebens bekennen. Amen.

 

Liedvorschläge: EG 324 Ich singe dir mit Herz und Mund, EG 508 Wir pflügen und wir streuen, EG 502 Nun preiset alle Gottes Barmherzigkeit, EG 513 Das Feld ist weiß, vor ihrem Schöpfer neigen, Gott beschenkt uns reich mit Gaben (Verlag singende Gemeinde 1983)

 

Zur Literatur: Predigtmeditation von Otto Weber zu Mk. 8, 1-9, Göttingen 1967, versch. Meditationen zum 7. So. n. Tr., V. Reihe, zur Parallele Lk. 9, 10-17.

 

Winfried Klotz, Jg. 1952, Pfr. i. R.                                  winfried.klotz@web.de

verheiratet, drei erwachsene Kinder, Hobbyschafhalter, 9 Muttern und 1 Bock.

 

de_DEDeutsch