Es hört auch wieder auf

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Es hört auch wieder auf

Predigt zu Markus 13,3-9 und Johannes 12,1-16 (dänische Perikopenordnung) | verfasst von Poul Joachim Stender | aus dem Dänischen übersetzt von Eberhard Harbsmeier |

Wir sind so klug, ach so klug! Wir waren ganz sicher, dass wir uns eine Gesellschaft mit Sicherheit und ein sicheres Leben schaffen können. Und dann kommt die Pandemie und stellt das alles in Frage. Es ist ja so schön, dass wir technologisch hoch entwickelt sind. Das kommt uns zugute. Aber man möchte wissen, ob es wirklich Klugheit ist, die die Welt braucht. Es ist, als brauchten wir stattdessen mehr Weisheit, wo wir nun erkennen, wie verletzbar wir sind. Die Schriftstellerin Karen Blixen erhielt einmal ein Motto in einer Blechdose von einem ihrer guten Freude. Er sagte zu ihr: „Dieses Motto kannst du gebrauchen, wenn du am allerunglücklichsten bist“. Eines Tages, als Karen Blixen sehr unglücklich war, holte sie das Motto hervor. Da stand: „Das hört auch wieder auf“. Weisheit ist zu wissen, dass die Korona-Krise auch wieder aufhört. Es kommen wieder gute Tage. Aber Weisheit ist auch, dass man erkennt, dass die Finsternis uns wieder auf andere Weise treffen kann. Nach der Krise werden wir vielleicht damit beginnen, uns selbst als Menschen zu sehen, für die nicht alles möglich ist. Wir müssen, wie Generationen vor uns, damit beginnen, dass wir jedes Mal, wenn wir etwas geplant haben, sagen: „Wenn Gott will“. Und vielleicht werden wir auch nach der Krise damit beginnen, dass wie damit rechnen, dass sowohl Widrigkeiten als auch Erfolg mit zum Leben gehören. Eine Pandemie ist kein technisches Unglück. Der Tod ist kein technisches Unglück. Das gehört mit zum menschlichen Leben, dass Krankheit und Tod uns treffen können. Weisheit heißt, zu dieser Erkenntnis zu kommen.

Zurzeit weint man in vielen Familien wegen des Korona-Virus. Die Einsamen werden noch einsamer. Die Ängstlichen noch ängstlicher. Die Gefährdeten noch gefährdeter. Die Psychologen erzählen uns, dass Weinen Erleichterung bringt. Es besteht kein Grund, seine Tränen zu verbergen. Weint – denn es besteht Grund zum Weinen. Wir sollten wieder Klageweiber im Fernsehen einführen statt der ernsten Kommentatoren. Klageweiber können unser Weinen erlösen.

Da sind auch viel Tränen im Text zum heutigen Sonntag Palmarum. Die Erzählung von der Frau, die Jesus salbst mit duftenden Salben, und der Einzug Jesu in Jerusalem. Sie ist voller Tränen. In einem anderen Text von der Salbung begnügt sich die Frau nicht nur damit, Jesus mit Öl zu salben. Sie trägt einige Tränen-Krüge um den H als, wo sie ihre Tränen gesammelt hat. Sie zerbricht die Gefäße und salbt Jesus mit den Tränen ihrer Schmerzen. Das war zu biblischer Zeit nicht ungewöhnlich, dass Frauen ihre Tränen in kleinen dekorativen Minikrügen sammelten, die sie um den Halt trugen.

Die Ereignisse am Palmensonntag geschehen auf dem Ölberg in Jerusalem. Das ist in vieler Hinsicht ein Berg der Tränen. König David weinte auf dem Berg, als ihn sein Sohn verließ. Die Frau, die Jesus salbte, weinte auf dem Berg. Ganze zwei Mal weinte Jesus auf dem Berg. Das erste Mal, als sein guter Freund Lazarus starb. Das zweite Mal am Palmensonntag auf dem Weg nach Jerusalem. In einer Vision sieht er die Zerstörung Jerusalems im Jahre 70, er bricht weinend zusammen und stöhnt: „Jerusalem, Jerusalem! Du, der du Propheten tötest und steinigst, die zu dir gesandt sind. Wie oft habe ich nicht deine Kinder sammeln wollen, wie eine Henne ihre Küken unter den Flügeln sammelt, aber ihr wolltet nicht“. Der italienische Architekt Antonio Barluzzi hat auf dem Ölberg eine Kirche gebaut, die den Namen trägt: Dominus flevit. Der Herr weint. Sie hat die Gestalt einer Träne. Oben auf dem Dach der Kirche hat er die Tränen-Krüge abgebildet, in denen die Frauen in biblischer Zeit ihre Tränen sammelten.

Wir kommen zu Jesus mit unserem Lobpreis. Unsere Kirchen sind ein Lobpreis Jesu in Stein gehauen. Unsere Gottesdienste feiern ihn. Unsere Predigten. Unsere Lieder. Das Kreuz in der dänischen Flagge feiert den Sohn Gottes. Die Sozialgesetzgebung der dänischen Gesellschaft ist ein Hosianna für Jesus. In allen möglichen Weisen feiern wir Jesus so wie die Volksscharen ihn bejubelten, als er am ersten Palmensonntag in Jerusalem einzog. Aber wir müssen und sollen in dieser Zeit auch mit unseren Tränen zu Jesus kommen. Die Frau, die Jesus mit duftendem Öl salbte, salbte ihn mit dem Besten und Kostbarsten, was sie für ihn finden konnte. Das kostbarste Nardusöl, gewonnen aus Pflanzen von den Himalaja-Bergen. Das Parfüm war eine Huldigung an ihn wie die der Volkscharen, die ihm beim Einzug in Jerusalem huldigten. Zugleich aber gab sie ihm auch all ihren Schmerz und all ihre Tränen. Wir huldigen auch Jesus, indem wir ihm all unseren Schmerz anvertrauen in diesen Tagen. Sanftmütig, auf einem Esel reitend und dem Füllen eines Lasttiers kommt er zu uns, während wir unser Tränen vor ihm hinwerfen.  Oder mit einer Zeile aus einem unserer populären Lieder: „Auf, auf, gib deinem Schmerze und Sorgen Gute Nacht! Lass fahren, was das Herze
betrübt und traurig macht“. Seid gewiss, dass Gott, wenn er seinen Einzug in Jerusalem hält, zu uns dasselbe sagen wird zu unserem Unglück, was in dem Motto für Karen Blixen stand: „Das hört auch wieder auf“. Gott befohlen. Amen.

 

Pastor Poul Joachim Stender
DK 4060 Kirke Såby
pjs(at)km.dk

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