Galater 4,4-7

Galater 4,4-7

Gotteskinder | Heiligabend | 24.12.2023 | Gal 4,4-7 | Rainer Kopisch |

Liebe Gemeinde,

manche von Ihnen werden sich erinnern, dass ich meine Gedanken zu Emil Noldes Bild „Heilige Nacht“ in der Predigt zum ersten Weihnachtstag 2021 geschrieben habe. Sie können diese Predigt unter der Angabe „Göttinger Predigten“ und meinem Namen im Internet finden.

Emil Nolde malte in seinem Bild das, was Paulus schreibt: „Gott sandte seinen Sohn, geboren von einer Frau und unter das Gesetz getan.“ Mutter Maria hält Jesus voller Liebe mit ihren Händen und ausgestreckten Armen gegen den Himmel, in dem ein großer Stern hell strahlt.

Der fünf-zackige Stern erscheint im Bild als Zeichen der Ewigkeit Gottes.

Der ewige Gott ist in einem Menschenkind auf die Erde gekommen. Bei der Taufe Jesu durch Johannes, den Täufer, bekennt sich Gott hörbar für alle Anwesenden zu seinem Sohn. Nach der Gefangennahme des Bußpredigers und Täufers Johannes kommt Jesus nach Galiläa und predigt von Gottes Evangelium: „Die Zeit ist erfüllt, und das Reich Gottes ist herbeigekommen. Tut Buße und glaubt an das Evangelium.“

Am Ende seines Lebens wird auch Jesus gefangen genommen, misshandelt und gekreuzigt.

Das Alles geschieht, weil er unter das jüdische Gesetz gestellt war und Jesus sich nach Meinung mächtiger Gesetzeshüter über das Gesetz stellte.

In ihren Augen missachtete er das Gesetz und praktizierte eine verdächtig enge und direkte Gottesverbindung.

Als ihn Gott von den Toten auferweckt hat, , erscheint Jesus den Jünger mehrmals, um ihnen verstehen zu helfen, dass er als Gottes Sohn zum Vater im Himmel gehört. Als sie das verstanden haben, nennen Jesus: Christus und sich selbst Christen.

Später beruft Christus den Pharisäer Saulus, einen Verfolger der Christen, als Apostel Paulus zum Missionar seines Evangeliums.

Paulus wird auch für uns wichtig durch den Inhalt seiner Briefe an die Gemeinden.

Er macht wie im heutigen Predigttext aus dem Galaterbrief deutlich, was es mit dem Kommen des Gottessohnes auf diese Erde für eine Bewandtnis hat und woran sich in seinem Leben und Sterben zeigt, dass Jesus unter das Gesetz getan wurde.

Ich lese den Predigttext aus dem Brief an die Galater, Kapitel 4, die Verse 4 bis 7:

„4 Als aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau und unter das Gesetz getan,

5 auf dass er die, die unter dem Gesetz waren, loskaufte, damit wir die Kindschaft empfingen.

6  Weil ihr nun Kinder seid, hat Gott den Geist seines Sohnes gesandt in unsere Herzen, der da ruft: Abba, lieber Vater!

7 So bist du nun nicht mehr Knecht, sondern Kind; wenn aber Kind; dann auch Erbe durch Gott.“

Als Jude steht Jesus in seinem Leben unter dem jüdischen Gesetz. Das ist – so meint es Paulus – die Voraussetzung für die Erlösung der Juden durch Christus, das Geschenk der Kindschaft, den unmittelbaren Zugang zu Gott, dem Vater.

Als Paulus als Missionar durch Galatien zog, waren die Menschen dort in der Regel nicht dem jüdischen Gesetz unterworfen. Sie kannten den Gott der Juden nicht, sondern verehrten andere Götter und Mächte. Im Vers 3 unmittelbar vor dem Predigttext beschreibt Paulus sie als Mächte der Welt.

Das haben wir mit den damaligen Christen in Galatien gemeinsam:

Ihre Alternative zum Christentum war das Heidentum in der keltischen Tradition.

Bei uns gibt es das Neuheidentum auf der uralten keltischen Tradition, die vor langer Zeit in auch in Europa verbreitet war.

Vor ein paar Wochen habe ich anlässlich einer Trauerfeier und Bestattung einen kleinen Eindruck des Neuheidentums in unserer Zeit erlebt. Auf dem dortigen Waldfriedhof, den ein Verein verwaltet, fiel mir auf, dass statt der christlichen Zeichen Stern (*) für das Geburtsdatum und Kreuz für das Sterbedatum keltische Runen in die Grabsteine eingeschlagen waren. Die Friedhofsordnung wurde Sittenordnung genannt.

Wir stehen in der Gefahr, unser Christsein, unsere Gotteskindschaft, durch Hinwendung und Unterordnung unter Mächte, die in dieser Welt Menschen unter ihren Einfluss bringen wollen, zu verspielen.

In der Sphäre zwischen Erde und Himmel gibt es viele Kräfte und Mächte, die sehr stark sind.

Manche davon gehören in den Bereich des Bösen.

Im Gebet, das Jesus uns gelehrt hat, im Vaterunser, beten wir: „erlöse uns von dem Bösen.“

Martin Luther übersetzt das Wort mit Übel und erklärt, dass er die Übel meint, die uns im Alltag dieser Welt belasten und uns das Sterben schwer machen. Was sind die Mächte dieser Welt, die uns bis zum Sterben bedrängen können?

Jede und Jeder hat damit eigene Erfahrungen.

Als ich ein kleiner Junge war, sagten mir meine Eltern, wenn ich in einer Situation große Angst bekäme, solle ich Christus rufen; der sei mächtiger als alle Mächte, die uns Angst machen können, sogar der Teufel sei ihm unterlegen.

Eines Nachts im Bett bekam ich große Angst. Mir war es, als ob jemand oder etwas Schweres auf meiner Brust lag und mir die Luft nahm. Ich erinnerte mich an den Rat meiner Eltern und rief den Namen „Christus“. Sofort war ich befreit und atmete auf.

Diese gute Erfahrung ist 75 Jahr Jahre her. Ich hoffe, dass ich sie nie vergessen werde.

Als Kriegskind ist mir die Angst bekannt.

Ich denke heute nicht nur an die Kinder, die mit der Angst aufwachsen.

Auch die Erwachsenen in den Kriegs- und Krisengebieten dieser Welt sind davon betroffen.

Die täglichen Nachrichten machen es uns deutlich.

Eine Predigt am Heiligen Abend ist mir lange nicht mehr so schwergefallen.

Aber gerade alle Leiden, die wir in unserem Leben zwischen Geburt und Sterben erleben, verbinden uns mit Jesus Christus. Wenn wir gestorben sind, werden wir die Erlösung von der Knechtschaft unter den Mächten dieser Welt in ihrem ganzen Umfang verstehen und begreifen.

Der Geist des Gottessohnes Jesus Christus ist uns schon jetzt geschenkt.

Zeitweise sind wir von ihm ergriffen und spüren die Liebesgemeinschaft mit Gott.

Sie, liebe Schwestern und Brüder in Christus, können sicher sein, dass die Gegenmächte dieser Welt alles versuchen werden, uns aus dem Vertrauen zu Gott zu reißen.

Martin Luthers Lied: „Ein feste Burg ist unser Gott“ beschreibt die Situation der Christinnen und Christen als bedroht, aber nicht als hoffnungslos.

Er dichtete: „Mit unsrer Macht ist nicht getan wir sind gar bald verloren; es streit für uns der rechte Mann, den Gott selbst hat erkoren. Fragst du, wer der ist? Er heißt Jesu Christ, der Herr Zebaoth, und ist kein andrer Gott, das Feld muss er behalten.“

Wir feiern zu Weihnachten die Geburt Jesu.

Gott macht uns durch Jesus Christus zu seinen Kindern und Geschwistern Jesu Christi.

Als Gottes Erbschaft steht uns der Himmel offen – jetzt als Gewissheit im Glauben und später als Leben mit Gott in Ewigkeit.

Niemand von uns kennt seine Zukunft auf dem Weg bis dahin.

Eines allerdings ist gewiss: Wir sind und werden als Christinnen und Christen auf dem Weg zu Gott nie allein sein.

Viele von uns sind näher am Übergang aus dem irdischen Leben als sie denken.

Darum ist es gut, sich oft der Begleitung der Engel und Mächte Gottes zu versichern.

Im letzten Brief aus seiner Gefängniszelle im Gestapo-Hauptquartier in Berlin schrieb Dietrich Bonhoeffer am 19. Dezember 1944 dieses Gedicht zum Geburtstag seiner Mutter:

Von guten Mächten wunderbar geborgen

erwarten wir getrost, was kommen mag.

Gott ist mit uns am Abend und am Morgen

und ganz gewiss an jedem neuen Tag.

Amen

Pfarrer i. R. Rainer Kopisch
Braunschweig
E-Mail: rainer.kopisch@gmx.de
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Zur Erstellung der Exegese des Textes habe ich benutzt:

Das Theologische Wörterbuch zum NeuenTestament von Kittel in der ersten Auflage,
Das Neue Testament, Interlinearübersetzung Griechisch-Deutsch von Ernst Dietzfelbinger,
Luthers Galaterbrief-Auslegung von 1531 herausgegeben von Hermann Kleinknecht
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Rainer Kopisch, Pfarrer in Ruhe der Evangelisch-lutherische Landeskirche in Braunschweig,
Seelsorger mit logotherapeutischer Kompetenz,
letztes selbstständiges Pfarramt: Martin Luther in Braunschweig,

Roonstr. 6
38102 Braunschweig
rainer.kopisch@gmx.de

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