Genesis 12, 1-4a

Genesis 12, 1-4a

Nach vorne mitgenommen | 5. Sonntag nach Trinitatis | 11.07.22 | Genesis 12,1-4a | Friedrich Seven |

1) Und der Herr sprach zu Abram: Geh aus deinem Vaterland und von deiner Verwandtschaft und aus deines Vater Haus in ein Land, das ich dir zeigen will.

2) Und ich will dich zum großen Volk machen und will dich segnen und dir einen großen Namen machen, und du sollst ein Segen sein.

3) Ich will segnen, die dich segnen, und will verfluchen, die dich verfluchen; und in dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter auf Erden.

4) Da zog Abram aus, wie der Herr zu ihm gesagt hatte. Und Lot zog mit ihm.

Zu jeder gut erzählten Biographie, liebe Gemeinde, gehört das Kapitel über den Aufbruch des Helden ins Leben, und dieser Aufbruch erzählt sich umso besser, wenn der Held dabei einem Ruf folgt. In der Wirklichkeit sieht es gegenwärtig so aus, als bedürfe es dieses Rufs gar nicht mehr. Was der Held hinter sich lässt, kann in seiner Hoffnungslosigkeit und Enge genug erklären, weshalb er sich auf und davon macht. Wer aufgebrochen ist, hat vielleicht nur eher als andere gespürt, dass da, wo er gelebt hat, in Zukunft kein Platz mehr sein wird.

„Etwas Besseres als den Tod, finde ich überall“. Mit diesem verzweifelt hoffenden Wort der Stadtmusikanten aus dem Märchen mag sich mancher selbst herausrufen.

Doch wohin soll er sich wenden?

Soll er sich intensiver und in Kontakt mit Gleichgesinnten bemühen, durch Einhalten von Klimazielen doch noch dem Leben auf diesem Planeten eine Chance zu geben?, oder vielleicht mit Gleichgestimmten ein friedliches Miteinander einzuüben und zumindest selbst seinen inneren Frieden zu finden? Ist es noch angesagt und aussichtsreich, darauf zu achten, dass die Gerechtigkeit nicht an den Landesgrenzen, an der Hautfarbe oder an den Rollenverteilungen endet?

Mittlerweile scheinen die Ziele wieder zu konkurrieren. Das Klimaziel soll sich unterordnen, wenn der Krieg auch bei uns mit Mangel droht. Für das warme Wasser aus der Leitung nehmen wir auch die Erwärmung von Flüssen und Seen in Kauf, und friedlicher kann es erst werden, wenn nur genügend Waffen gesprochen haben.

Wer mag da noch für den Kampf um eine bessere Welt aufbrechen, wenn es viel nötiger scheint, die eigene Haut zu retten.

Diese Flucht nach vorne ist dann letztlich kein Aufbruch in die Zukunft, sondern meint, Zeiten wiederherstellen zu können, die es so ideal niemals gegeben hat.

Dafür ist die Erde schon zu zerstört, als dass wir zum alten Raubbau zurückkehren könnten, und es hilft auch keine Wiederbelebung von Landserromantik gegen den technologischen Fortschritt im Krieg. Wie lange bleibt das Morden und Verheeren von Städten und Landstrichen für uns noch auf die Bilder beschränkt, von denen wir immerhin wegschauen und einen anderen Kanal wählen können? Aber das Programm auf dem anderen Kanal, der Traum von der Heiligen Familie ist auch nur noch eine Spielfilmlänge von unserem Elend entfernt.

Wenn die Seelen erlahmen, die Erdmassen rutschen und ganze Täler unter sich begraben, wo ist da noch Raum für den Glauben, der Berge versetzen kann?

Wie schwer fällt es, sich nicht in die Scham und Verborgenheit zurückzuziehen, wenn alsbald mit den Gas- und Stromrechnungen die Armut bei dir anklopft.

Wer wagt heute noch zu behaupten: Wir schaffen das!

Können wir noch schaffen, was ich nicht mehr schaffen werde?

Auch der Aufbruch unter ein Kirchendach scheint nicht mehr aussichtsreich zu sein, wenn die Kirchen alle Mühe darauf verwenden müssen, ihr eigenes Dach zu befestigen, weil ständig der weltanschauliche Wind darunter fährt und sogar das Auge des Gesetzes kritisch hereinschaut. Wer wird noch in die Kirchen aufbrechen wollen, wenn selbst ihre Gläubigen mit dem Aufbruch aus den Kirchen drohen.

Gerechtigkeit, Friede und Bewahrung der Schöpfung, so hießen mal die Bänder, mit denen sich die christlichen Kirchen an die wohlmeinenden Menschen in der Welt binden wollten,

Heute müssen sie sich fragen, wer sich ihnen überhaupt noch verbunden fühlen will und wer ihre Botschaft noch hört.

Vielleicht noch rechtzeitig führt uns der Apostel Paulus auf Abram und seinen Aufbruch zurück:

So war es mit Abram: Er hat Gott geglaubt und es ist ihm zur Gerechtigkeit gerechnet worden. Erkennt also: die aus dem Glauben sind, das sind Abrahams Kinder. ( Galater 3, 6f.)

Die Kirchen können an Abram festhalten, aber nicht so, wie an einen Helden des Glaubens, der uns als leuchtendes Beispiel dienen könnte. Gott will ihn zum Vater vieler Völker machen und er soll fortan Abraham heißen. Dieser Abraham ist nicht einer von uns, aber wir können solche von ihm sein. Im Glauben an den Juden und Gottessohn Jesus Christus sind wir seine Kinder, gehören auch wir in die Heilsgeschichte.

Hören wir darum genauer auf die Geschichte seines Aufbruchs. Es herrscht am Anfang der Geschichte nicht etwa eine Aufbruchsstimmung. Abraham hört nicht einen Ruf, der auch anderen gelten würde. Er soll sich aufmachen. Nur ihm gilt der Ruf und die Zusage. Was ihn gerade noch gebunden hat, worin er seine Sicherheiten gesehen und woran er seine Zuversicht auch geknüpft haben mag, alles das lässt er zurück. Die Zusage von Nachkommen, muss dem, dessen Frau Sara unfruchtbar ist, wie ein Hohn vorkommen. Aber er glaubt daran. So beginnt mit seinem Aufbruch sein höchstpersönliches Verhältnis mit Gott und Gottes mit ihm. Nur Abraham weiß, dass er gerufen ist und nur er weiß, wer ihn gerufen hat. Er bricht in ein anderes Menschsein auf, und seine Hoffnung kann nicht darin liegen, einfach am Ende zu dem alten Menschen, in seine alte Heimat zurückzukehren. Sein Hören ist sein Glaube, und dieser hat die Richtung nach vorne.

Der Glaube holt mich nicht zurück, ich werde nach vorne mitgenommen. Die Zukunft ist mein Land. Auf diesem Land liegt Segen. Gott will mit mir sein Leben, sein Land und seinen Segen teilen.

Täglich kann ich den Segen Gottes erwarten, am Morgen und am Abend und kann weitergeben, kann segnen, die mich segnen. Segnen und Teilen gehören zusammen.

Mit dieser Zuversicht verlieren die bangen Fragen nach den Ressourcen auf der Erde und in uns Menschen, die wir darauf wohnen dürfen, ihren Schrecken, und wir lernen neu:

Wir müssen uns zurücknehmen, das heißt doch eigentlich: Wir können teilen.

Nur der Krieg nährt sich doch davon, dass wir nicht teilen wollen.

Wir schaffen das – heißt doch vor allen Dingen, wir sind bereit, Mut, Zuversicht, Stärken und Schwächen zu teilen.

Glauben wir mit Abraham.

Amen!


Dr. Friedrich Seven

friedrichseven@t-online

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