Genesis 13,1-13

Genesis 13,1-13

Schiedlich-friedlich | 21. Sonntag nach Trinitatis | 29.10.23 | Gen 13,1-13 | Eberhard Busch |

„Also zog Abraham mit seiner Frau und all seiner Habe … aus Ägypten in das Südland hinauf, … an die Stätte des Altars, den er zuvor daselbst gemacht hatte, und dort rief Abraham den Namen des Herrn an. Lot aber, der mit ihm zog, hatte auch Schafe, Rinder und Zelte. Und das Land ertrug es nicht, dass sie beieinander blieben; denn ihre Habe war groß, und darum konnten sie nicht beieinander bleiben. So kam es zum Streit zwischen den Hirten über Abrahams Vieh und den Hirten über Lots Vieh. Damals aber wohnten die Kanaaniter und Pheresiter im Lande. Da sprach Abraham zu Lot: Lass doch nicht Zank sein zwischen mir und dir, zwischen meinen Hirten und deinen Hirten; wir sind ja Brüder. Steht dir nicht das ganze Land offen? So trenne dich von mir. Willst du zur Linken, so gehe ich zur Rechten; oder willst du zur Rechten, so gehe ich zur Linken. Da erhob Lot seine Augen und sah, dass die ganze Jordanaue ein wasserreiches Land war (ehe Gott der Herr Sodom und Gomorrha zerstörte), wie der Garten des Herrn, wie das Land Ägypten bis Zoar hin. Da erwählte sich Lot die ganze Jordanaue und brach aus nach Osten. So trennten sie sich voneinander. Abraham blieb im Lande Kanaan. Lot aber ließ sich nieder in den Städten der Aue und zog mit seinen Zelten bis gegen Sodom. Aber die Leute von Sodom waren arge Sünder und Frevler wider Gott den Herrn.“ (Zürcher Bibel)

Schiedlich-friedlich – überschreiben wir mit diesen Worten die Geschichte, die unsere Predigt leiten soll! Sie handelt von einer Scheidung, aber darüber spannt sich wie unter einem schönen Regenbogen ein willkommener Frieden.

Nicht umsonst heißt es gleich am Anfang der Geschichte: „Abraham rief dort [bei Bethel] den Namen des Herrn an.“ Ein Gottesdienst der besonderen Art, eine Feier, wie in einem jüdischen Bethaus, einer Synagoge. Gott nennt er beim Namen. Gott ist nicht namenlos, kein nebulöses Etwas. Gott hat sich uns vorgestellt. So, wie ein Unbekannter, der uns in der Eisenbahn begegnet und seinen Namen nennt. Womöglich ist das der Anfang einer Freundschaft. Gott hat sich uns namentlich bekannt gegeben. Gott ist in seinem Namen für uns da. Derart lässt er von sich hören. In der Weise ist er für uns da, dass er für uns ansprechbar, anrufbar ist. In Psalm 116 heißt es: „Ich rief an den Namen des Herrn“. Und in Psalm 69 lesen wir „Ich will den Namen Gottes loben mit einem Lied.“

Gott hat sich uns nicht nur vorgestellt. Er hat sich uns in seinem Namen ausgeliefert. Und das so, dass er wieder und wieder Opfer wird eines unbedachten, leichtfertigen Zugriffs. Allzu oft geschieht es, dass wir seinen Namen missbrauchen. Was haben wir Christen uns nicht alles schon „im Namen Gottes“ erlaubt! Verletzungen, Verketzerungen, Rufmord, Massenmord, blutige Kriege. Grund genug, weshalb als drittes der Zehn Gebote geschrieben steht: „Du sollst den Namen des Herrn deines Gottes nicht missbrauchen, denn Er wird den nicht ungestraft lassen, der seinen Namen missbraucht.“ (Ex 20,7) Wie ernst ist das mit der Strafe gemeint? Worin besteht sie denn? Darin, dass wir durch den Missbrauch uns selbst im Weg stehen, Gottes Namen recht zu brauchen. Es ist allemal eine köstliche Erlaubnis, wenn wir ihn trotzdem brauchen dürfen. Brauchen, um ihn anzurufen und so an unsre Arbeit zu gehen.

Lesen wir die folgende Geschichte unter dem Bogen des Friedens! Der leuchtet in jedem Fall, was wir Menschen auch anstellen, ob wir dieses Gebot beachten oder missachten, ob wir Gott danken oder uns vor ihm schämen müssen. Dieser Bogen leuchtet auch, wo es nicht gelingt mit dem Zusammenleben, wie in unserer Geschichte, wo die beiden sich voneinander scheiden. „Ihre Habe war groß“, wird gesagt. Solche „Habe“ kann bekanntlich ein friedliches Zusammenleben stören. O diese Streitigkeiten, Streit zuweilen um Nichtigkeiten, manchmal um ganze Landstriche. Ist eine Verständigung unmöglich, dann gibt es keinen anderen Weg, als getrennte Wege zu gehen. Das muss nicht als Niederlage erlitten werden. Das darf auch um des Friedens willen geschehen, in Gottes Namen. So dass es geradezu dem nicht entspräche, wenn wir zusammen bleiben. Es ist ein Geschenk, wenn man lebenslang verbunden bleibt. Und es ist ein Geschenk, wenn es gerät, dass man im Frieden getrennte Wege geht, ohne hintereinander her zu gifteln. Und im Frieden heißt, dass die vorherige Bindung nicht ausgelöscht ist, dass man auch so verantwortlich füreinander bleibt. Es ist vorbildlich, wenn dann jemand aufsteht und sagt wie Abraham zu Lot: „Lass nicht Zank sein zwischen mir und dir. Denn wir sind doch Geschwister.“ Nicht Zank, nicht Streit, nicht Hass, nicht Krieg.

Das ist freilich oftmals leichter gesagt als getan. Auf den Willen zum Frieden fällt zuweilen ein Schatten. Abraham ist so generös, dass er dem Jüngeren den Vortritt lässt bei der Wahl, wohin er bei der Scheidung ziehen möchte. Der Klügere gibt nach, sagt eine Lebensweisheit. Doch der Jüngere lässt sich das nicht zweimal sagen. Er nutzt das Entgegenkommen des Anderen schamlos aus, zum eigenen Vorteil. „Unverhofft / ist schon oft / über viele Frommen / die Versuchung kommen“. Der eine denkt an sich selbst zuerst, der andere an das Miteinander. Abraham meint es ernst mit seinem Satz: „Lass nicht Zwietracht sein zwischen uns.“ Aber in dem Satz steckt ein Schmerz, weil der Eine ein einvernehmliches Miteinander mit Füßen tritt.

Was hätte der Andere jetzt Grund gehabt, aus der Haut zu fahren, die Faust zu machen, aufzurüsten, Hass mit Hass zu beantworten. Es scheint, dass Jesus keine Ahnung hat, wie es in der Welt zugeht, wenn er sagt: „Liebt eure Feinde“. Muss man das heute nicht für ein Weile außer Kraft setzen? Hat das Volkslied nicht recht: „Sie konnten zusammen nicht kommen, das Wasser war viel zu tief“? Oder eben wie es heißt: „Ihre Habe war zu groß“, die Besitzansprüche standen dem Frieden im Weg.

Haben wir es bemerkt?, es geht hier nicht bloß um einen Privat-Frieden zwischen zwei Personen. Abraham sagt zu Lot: „Lass nicht Streit sein zwischen meinen und deinen Hirten“. Von dem Widereinander sind in unserer Geschichte Viele betroffen: Herden und ihre Hüter, um nicht zu sagen: ganze Völker. Sie reden in etwa dieselbe Sprache. Aber eine Verständigung ist, soweit wir sehen, ausgeschlossen. Es gibt doch auch einen faulen Frieden, sagt man, einen, bei dem man übers Ohr geschlagen wird, einen, bei dem man gebetsmühlenartig ausspricht: Die andere Seite hat ja damit angefangen, mich Friedliebenden zu stören und zu ärgern. Der Andere hat angefangen und darum wird zurückgeschossen.

In solcher angespannten Situation will nun Lot dem drohenden Unheil entfliehen. Er will dorthin, wo er sich sicher fühlt. Dorthin, ins Grüne, wo es nach Recht und Ordnung aussieht. Und er gerät dabei vom Regen in die Traufe. Er hat gewählt und hat sich verwählt. Das kommt ihn teuer zu stehen. Vorderhand sieht er das noch nicht ein. Es geht nach dem Spruch: „Der Mensch sieht, was vor Augen ist …“ (1Sam 16.7).  So wie schon beim ersten Sündenfall, wo es heißt: Sie „sah, dass von dem Baum gut zu essen wäre und dass er lieblich anzusehen sei und begehrenswert“. (Gen 3,6) So auch Lot. „Da erhob er seine Augen.“ Er sieht nur nach seinem eigenen Besten und ist blind für das Wurmstichige in seinem Wunsch, blind für das Bedrohliche, blind für die lauernde Gefahr – nämlich in Sodom, wo er hinzieht. Es heißt am Ende der Geschichte: „Aber die Leute in Sodom waren arge Sünder und frevelten wider Gott den Herrn.“ Dort läuft er in sein Verderben. Er hat nur sich im Blick und bedenkt nicht mit, wie es dem Anderen ergeht. Und jetzt sitzt er in der Falle. Er steckt in der Klemme, aus der es schwerlich ein Entrinnen gibt.

Aber die Geschichte ist damit noch nicht fertig. Wenn wir im 1. Buch Mose weiterlesen, hören wir Erstaunliches von dem Begleiter des ins Unglück Verrannten. Wir haben von ihm gesagt: Der Klügere gibt nach, und jetzt müssen wir hinzusetzen: der Klügere gibt auch nicht auf. Der lässt den Gefallenen nicht fallen. Er setzt sich für ihn ein. Er gibt sich für ihn her. Davon redet der Fortgang unserer Geschichte.

Zwar denkt Lot an sich selbst zuerst – dabei rennt er wie vor eine Wand.  Was ihn rettet, ist  nicht er selbst. Was ihn rettet, ist der Einsatz seines Mitmenschen, von dem er sich getrennt hat, an den er gar nicht mehr denkt. Der hat nicht vergessen, dass er bei Bethel den Namen Gottes angerufen hat. Der verliert ihn nicht „aus den Augen, aus dem Sinn“. Der reicht ihm jetzt die Hand. Der hilft ihm aus dem Abgrund, in dem der Bruder zu versinken droht. Seine Devise lautet: Wir können nur miteinander überleben. Gewiss, ohne Vergebung gibt es keine Versöhnung, aber es gibt sie. Solches Miteinander nennt man Frieden. Wer Frieden sagt und Sieg meint, verscherzt den Frieden. Und der ist bitter nötig.

Um Leben zu schonen, um den Verlust von Menschenleben nicht verschmerzen zu müssen. Ist denn das unsere letzte Weisheit, wie die alten Römer sagten: Willst du Frieden, so investiere in Rüstung? Sollten wir nicht besser sagen: Wenn du Frieden willst, so setze dich für Frieden ein?

Beten wir zu Gott, zu demselben, an den sich Abraham zu Anfang unsrer Geschichte gewendet hat: „Hilf, dass alle Bitterkeit / von uns scheid‘“ (Zwingli) und gib uns Frieden. Frieden in Gerechtigkeit, „Frieden auf Erden“. Keinen Separatfrieden, nicht meinen Frieden nach meinem Willen. Auch keinen Privatfrieden, in dem ich ruhig aus dem Fenster schaue und sehe, wie es draußen drüber und drunter hergeht. Gewiss auch kein Friedensdiktat, bei dem Menschen übergestülpt wird, was sie für Frieden halten müssen. Nein, es geht um den Frieden, den wir von Gott erbitten. Der meint es gut und macht es gut mit uns allen. Dona nobis pacem. Bitte, gib uns Frieden. „Verleih uns Frieden gnädiglich, Herr Gott, zu unsren Zeiten.“ Amen.

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