Hebräer 13, 20-21

Hebräer 13, 20-21

 

Göttinger

Predigten im Internet

hg. von Ulrich Nembach und Johannes Neukirch


Miserikordias Domini
(2. Sonntag nach Ostern), 14. April 2002
Hebräer 13, 20-21, verfaßt von Angelika Überrück


Liebe Gemeinde!

Haben Sie zu Ostern auch Briefe, Karten und emails geschrieben oder bekommen?
Wir wünschen anderen „frohe Ostern“ oder „ein gesegnetes
Osterfest“ oder „lasst es euch gutgehen“. So beenden wir
auch sonst unsere Post oft mit guten Wünschen, mit dem, was uns wichtig
ist. Ein Freund von uns schrieb neulich am Ende seines Briefes „Vielen
Dank für eure Freundschaft“. Vielleicht haben Sie auch gerade
Konfirmationen in Ihren Familien oder in der Gemeinde und wünschen
den Konfirmanden für ihren Lebensweg alles Gute.

Wenn wir uns voneinander verabschieden, wenn jemand aus dem Haus zur
Arbeit oder zur Schule geht, dann geben wir dem Anderen auch oft einen
guten Wunsch mit auf den Weg, etwas, was uns wichtig ist. Mein Mann macht
das meistens leicht ironisch mit den Worten: „Fahr immer schön
rechts und verlier kein Geld.“. Ich eher mit: „Pass gut auf
dich auf.“

Unser heutiger Predigttext ist auch so ein Briefschluß. Es ist
ein längerer Brief, in dem der Verfasser des Hebräerbriefes
all die Dinge sagt, die er am christlichen Glauben wichtig findet. Und
nun gibt er am Schluß seines Briefes der Gemeinde, für die
der Brief bestimmt ist, noch einen Segenswunsch mit auf den Weg bevor
er dann, so wie wir es auch tun, Grüße ausrichtet. Er sagt
in diesem Segenswunsch das, was ihm besonders am Herzen liegt: „Gott
helfe euch auch, all das Gute zu tun, das er haben will.“

Wünsche auszusprechen oder zu schreiben zum Geburtstag, zu Festen
oder eben beim Abschied ist für uns ganz selbstverständlich,
heute wie damals. Dennoch ist schon die Frage, warum wir das eigentlich
tun. Wenn ich Sie jetzt fragen würde, kämen sicher Antworten
wie: weil ich dem/der Anderen sagen möchte, dass er/sie mir wichtig
ist. Wir möchten dem/der Anderen sagen, dass er /sie uns nicht egal
ist und wir möchten, dass der oder die Andere weiß, dass er/sie
uns etwas bedeutet. Unsere Wünsche für Andere, denke ich, sollen
die Beziehungen zu unseren Familien, Freunden und Bekannten festigen und
schöner werden lassen.

Der Verfasser des Hebräerbriefes dagegen begründet seine guten
Wünsche nicht damit, dass ihm seine Adressaten etwas Besonderes bedeuten,
sondern damit, dass wir Gott etwas bedeuten. Dass Gott uns liebt, ist
der Schlüssel für seine guten Wünsche. Gott hat seine Beziehung
zu uns schon verbessert und schöner gemacht. Das sollen wir zuerst
bedenken und verstehen.

Der Hebräerbrief sagt das mit in unseren Augen recht komplizierten
Worten: „Gott, der uns Frieden schenkt, hat den, der durch seinen
Tod zum großen Hirten der Schafe geworden ist und mit seinem Blut
den ewigen Bund besiegelt hat, Jesus, unseren Herrn, vom Tod erweckt.“

Dieser Satz ist erstmal ziemlich kompliziert, finde ich. Aber letztlich
ist in diesem Satz nur das ganze Geschehen von Karfreitag und Ostern zusammengefasst.
Karfreitag und Ostern zeigen, wie sehr Gott uns liebt und wie sehr er
an guten Beziehungen zu uns interessiert ist. Um das deutlich zu machen,
benutzt der Verfasser des Briefes alte christliche Bilder und Symbole,
die seiner Gemeinde bekannt waren. Wir sollten sie uns noch einmal näher
ansehen.

Als wir vor zwei Wochen Karfreitag gefeiert haben, haben wir uns daran
erinnert, dass Jesus für uns gestorben ist. Mit Karfreitag besiegelt
Gott seine Liebe zu uns, d.h. er setzt ein sichtbares Zeichen für
seine Liebe. Dieses Zeichen, dieses Siegel ist sein Sohn Jesus Christus,
den er in den Tod gibt. Er selbst durchleidet all das, was wir Menschen
durchleiden. Durch seinen Tod, so sagt es der Hebräerbrief, wird
er zum großen Hirten. In anderen Stellen der Bibel steht: guter
Hirte, aber es meint dasselbe. Und Ostern mit der Auferstehung Jesu wird
deutlich, dass Jesus der große Hirte bleibt, auch über den
Tod hinaus. Jesus hat den Tod besiegt, er hat Leid und Gewalt besiegt,
er hat Frieden gebracht für uns und die Welt.

Dieses Geschehen von Karfreitag und Ostern, diese Liebe Gottes ist für
den Hebräerbrief die Begründung für alle guten Wünsche.
Dieser Wunsch: „Gott helfe euch auch, all das Gute zu tun, das er
haben will“ soll aber nicht einfach nur gesagt sein, sondern er soll
auch etwas bewirken, soll auch unsere Beziehungen untereinander verbessern.
Und nicht nur zur Familie, zu Freunden und Bekannten, sondern zu allen
Menschen. Denn darum geht es beim Tun des Guten. Das Gute zu tun ist unsere
Antwort auf die Liebe Gottes. Weil Gott uns gezeigt hat, wie sehr er uns
liebt, sind wir aufgefordert, anderen unsere Liebe zu zeigen. Wir haben
Liebe empfangen, also können und sollen wir sie auch weitergeben.

Ich hoffe, Ihnen ist die Gedankenbewegung des Segenswunsches unseres
Predigttextes ein wenig deutlich geworden.
Aber ich will nicht bei der Gedankenbewegung allein stehenbleiben, sondern
ich möchte probieren, ein wenig konkreter zu sagen, was es bedeutet,
das Gute zu tun. Denn es hat einen weiteren Horizont als nur unsere Freunde
und Bekannten und es meint nicht, ab und an mal hier und da eine Spende
für einen guten Zweck zu tätigen, sondern es meint eine Lebenshaltung.
Diese möchte ich, weil mir das Bild des großen Hirten für
Jesus in unserem Predigttext am einleuchtendsten und anschaulichsten erscheint,
auch für uns am Bild des Hirten und der Schafherde deutlich machen.
Außerdem haben wir heute auch in den Lesungen schon eine Menge über
den guten Hirten gehört. Es ist das Bild dieses Sonntags für
Jesus.

Sie kennen vielleicht die Hirten, die mit ihren Schafherden am Elbdeich
entlangziehen oder in der Heide das Heidekraut kurz halten.
Einmal ganz abgesehen davon, dass es schön ist, den Schafherden zuzusehen,
wie die Schafe so umeinander wuseln, gerade im Frühjahr mit den Lämmern
dabei, gibt so eine Schafherde mit ihren Hirten für mich auch ein
Bild des Friedens ab. Die Schafe leben miteinander in einer Herde und
sie sind kein Freundes- und Bekanntenkreis, sondern eine Zufallsgemeinschaft.
Manchmal beginne ich beim Anblick so einer Herde davon zu träumen,
dass wir als Menschen auch so friedlich miteinander leben könnten.
Aber spätestens, wenn ich die Nachrichten anhöre oder sehe,
spüre ich, dass wir es noch nicht schaffen, den Frieden, den Gott
uns geschenkt hat, wirklich zu leben. Krieg und Gewalt bestimmen immer
noch unseren Alltag.

Das zweite, was mir beim Anblick der Schafe und ihres Hirten auffällt,
ist der Umgang des Hirten mit seinen Schafen. Der Hirte steht scheinbar
nur herum. Er läßt die Schafe einfach laufen. Aber er hat sie
dennoch immer im Auge. Er beobachtet sie und ist für sie da. Er achtet
darauf, dass keines verschwindet. So wie Gott es auch mit uns macht. Und
so wie wir für Andere da sein sollen. Bei unseren kleinen Kindern
tun wir das auch. Da stehen wir daneben, geben acht, wenn sie im Sandkasten
spielen, dass sie nichts in den Mund stecken, dass sie auf dem Spielplatz
nicht fallen. Im Haus passen wir auf, dass sie nichts in die Hand nehmen,
womit sie sich verletzen könnten.

Und wenn wir erwachsen sind? Sind wir dann auch noch für Andere
da? Vielleicht noch innerhalb der Familie. Aber darüber hinaus? Oft
sind da Schlagzeilen bestimmender, die davon berichten, dass jemand gefallen
ist und keiner ihm aufgeholfen hat. Oder dass jemand geschlagen wird und
keiner hat Zivilcourage und greift ein. Oder Menschen sind einsam, weil
sie keiner besucht. Wie wenig wissen wir oft von den Menschen, mit denen
wir in Vereinen oder in der Nachbarschaft zusammen sind und wie wenig
fällt es uns oft auf, wenn wir jemanden lange Zeit nicht sehen.

Das Dritte: Der Hirte sucht nach Schafen, die sich verirrt haben. Ich
erlebe es in unserem Alltag oft anders: wir klingeln nicht an der Hautür
unseres Nachbarn, wenn wir ihn eine Weile nicht gesehen haben. Oder wenn
sich jemand lange nicht meldet, na ja, dann war das wohl nichts mit der
Beziehung. Oder: „wenn die nicht mal zu Besuch kommt, dann gehe ich
da auch nicht hin.“

Gutes tun heißt, Gottes Liebe weitergeben. Gutes tun heißt,
für Andere da zu sein, so wie Jesus als guter Hirte für uns
da ist. In einer Gesellschaft, in der sich jeder selbst der Nächste
ist, in der jeder erstmal an seinen eigenen Spaß denkt, schon ein
ungewöhnliches Anliegen.

Liebe Gemeinde! Am Anfang habe ich gesagt, wir wünschen einem anderen
Menschen etwas, weil er uns wichtig ist während der Verfasser des
Hebräerbriefes etwas wünscht, weil wir Gott wichtig sind.
Das muss in den konkreten Auswirkungen kein großer Unterschied sein.
Auch nicht in den Wünschen, die wir anderen mit auf den Weg geben
oder in dem, was wir anderen tun. Denn alle Wünsche haben ja das
Ziel, die Beziehungen zu anderen Menschen zu verbessern
Aber ich denke, wer sich von Gott und seiner Liebe getragen weiß,
der sieht eben auch größere Zusammenhänge über Familie,
Freunde und Bekannte hinaus. Der sieht auch, wo andere, die uns zunächst
einmal nicht verbunden sind, unsere guten Wünsche, unsere Hilfe und
Nähe brauchen. Der handelt auch da, wo andere wegschauen oder sich
nicht zuständig fühlen.

Gottes Liebe zu uns kann nicht ohne Folgen bleiben in unserem Leben.
Wenn wir Gottes Liebe ernst nehmen, dann werden wir auch ganz anderen
Gutes wünschen und tun, weil Gott uns liebt und wir diese Liebe weitergeben
wollen, damit auch ganz andere sie spüren.

Amen

Liedvorschläge:
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EG 274 Der Herr ist mein getreuer Hirt
EG 107 Wir danken dir, Herr Jesu Christ
EG 100 Wir wollen alle fröhlich sein
EG 395 Vertraut den neuen Wegen
Bei Abendmahl: EG 221 Das sollt ihr Jesu Jünger

Pastorin Angelika Überrück
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