Jakobus 4,13-15

Jakobus 4,13-15

Neue Ehre der heißen Luft und ihrem Macher | Neujahrstag | 01.01.24 | Jak 4,13-15 | Markus Kreis |

„Mein Vater ist Dampfmacher!“ hat Harald damals mit wichtiger Miene gesagt. Mir ist unklar, ob er sich als Erstklässler aus eigenem Antrieb hervortun wollte. Oder ob er das sagte, um inmitten wilder Ranken von Wein und Brombeeren meinen Angriff auf ihn zu verhindern. Mit dem Wort wollte er wohl sagen: Ingenieur im Kraftwerk eines großen Betriebes, irgendwo im Umland. Mir war damals jedenfalls klar, dass dieser Dampfmacher mindestens seinem Sohn ordentlich einheizte. Dazu genügte in der 1. Grundschulklasse die eine oder andere flüchtige Begegnung, etwa beim Spielen auf der Straße, wenn Haralds Vater von der Arbeit nach Hause kam. Der Sohn wurde nämlich schnell unsicher, wenn man den Dicken markierte und sich vor ihm aufbaute. Ich heiße Janne und bin inzwischen selber Dampfmacher. Genauer gesagt, Ingenieur:in, man drückt sich heute ja inklusiv aus, Ingenieur:in im Vertrieb von Kraftanlagen. Neulich, auf Geschäftsreise, hab´ ich abends im Zimmer beim Langweilen und Wildern im Weltweitnetz ein paar Sätze zum Thema Dampf in der Bibel gefunden:

13 Wohlan nun, die ihr sagt: Heute oder morgen wollen wir in die oder die Stadt gehen und wollen ein Jahr dort zubringen und Handel treiben und Gewinn machen –, 14 und wisst nicht, was morgen sein wird. Was ist euer Leben? Dunst seid ihr, der eine kleine Zeit bleibt und dann verschwindet. 15 Dagegen solltet ihr sagen: Wenn der Herr will, werden wir leben und dies oder das tun.

Der Mensch ist Dunst, Dampf oder Rauch, je nachdem von wem übersetzt, habe ich bei Bibleserver.com gesehen. Der Mensch ist also eine Art heiße Luft – ob man diese Aussage hat vermeiden wollen? Aha! Ist Gott dann eine Art Dampfmacher, Hersteller von heißer Luft? Ob der Verfasser so genau wusste, was er anstellte, wenn er den Menschen als Dampf, Dunst oder Rauch bezeichnete? Das hört sich anmaßend an und von oben herab. Ist es das auch?

Vielleicht nur auf den ersten Blick. Im Alten Testament – das habe ich dann auch im Netz gefunden – wird das nämlich über Gott selber gesagt. Gott ist dort als Dampfsäule, Rauchwolke unterwegs. Auch als Tau ist Gott dort am Wirken. Und der ist auch nur Dunst, der zu Niederschlag geworden ist. Das ist das eine. Zum anderen:

Das Leben des modernen Menschen ist ohne Dampf kaum zu denken. Hansdampf in allen Gassen. Da steckt Energie drin. Seine Flüchtigkeit und Beweglichkeit zeichnen ihn dabei gerade aus, seine Kraft, sich schnell zu ändern und sich anzupassen, wenn die Lage wechselt. Wenn der Mensch nur flüchtiger Dampf ist, dann weiß er das aber ganz schön für sich zu nutzen. Der Mensch entwickelt sich, indem er sich von schwerer Arbeit entlastet und sie an Maschinen abgibt. Und er steuert sein Leben, indem er unter anderem mit Maschinen auf die Welt Einfluss nimmt, die ihn und sein Leben umgibt. Das Wort Dampf bringt neben der flüchtigen körperlichen Energie auch die geistige ins Spiel. Und die ist unter den Menschen immer wichtiger geworden. Der Mensch, der Dunst hat und ist, der steuert sich und seine Umwelt. Und wirkt damit auch auf seine Mitmenschen. Der Dampf hat es sogar ins Zeitalter von Strom und Spannung, von 0 und 1 geschafft. Dampfradio. Elektronische Röhren. Ja, das fossile Zeitalter ist vorbei. Und doch, Dampf, Dunst oder Rauch werden bleiben, wie zum Beispiel Propangas als Kältemittel in Wärmepumpen. Und außerdem: Das Ende fossiler Energie fordern und sichtbare Entlastung von Schwerarbeit verweigern, ohne beim eigenen leichten Leben zu kürzen – welches Wachstum der Wirtschaft bräuchte man in kurzer Zeit dazu? Gewaltig hoch zwei.

Gut, sagen wir, Gott ist Dampfmacher und der Mensch heiße Luft. Und o Wunder, der Macher spricht laut Bibel mit seinem Produkt. Ja, wo gibt es denn das? Der Texter der Sätze redet im Namen und Auftrag Gottes zu Menschen, zu seinen Lesern oder Hörern. Der Dampfmacher redet also zur heißen Luft. Redet ein:e Ingenieur:in mit dem Produkt? Was soll man da sagen? Einerseits ja, andererseits nein. Wenn ein:e Ingenieur:in mit seinem:ihrem Werk reden würde wie mit einem Menschen, dann würden man die Person für ziemlich plemplem halten. Zumindest wenn das – statt im Stillen für sich – laut vor anderen so zugehen würde. Und immer wieder, als ob so jemand tatsächlich eine Antwort erwartete. Vom gängigen Beschimpfen bei Problemen mit Ausdrücken wie Drecksding und so weiter mal abgesehen. Einerseits also nein.

Andererseits, nehmen wir mal einen Motor. Der steht auf dem Prüfstand an der Uni oder in der Werkstatt. Da findet schon eine Art Gespräch mit Frage und Antwort statt. Die Messgeräte stellen Fragen an gewisse Adressen im Motor und bekommen von dort Antworten dazu geliefert. Und je nachdem wie die ausfallen, wird an dann Schräubchen gedreht und Kabel verlegt und so weiter. So gesehen verweist ein Messbericht schon auf eine Art Gespräch, mit Folgen für die Reparatur. An der Uni gibt es so etwas als Bericht über ein Projekt, in dem das Können einer Maschine oder Gerätschaft ausgebaut oder gar erfunden wurde.

Ja, ja, schon klar, dass die Spannbreite der Antworten seitens des Produkts begrenzt ist. Menschen dagegen können schöpferisch antworten. Und das kann heißen: Sie stellen neue Fragen an die Maschine oder die Gerätschaft. Und sie finden neue Antworten dazu, indem sie sich über die Rückwerte des Produkts, die absehbar sind, dieses Neue ausdenken. Wer meint, dass sich von jenen aus da selbst was entwickelt, der kann lange warten. Es stimmt, bei Menschen kann es sein, dass man auch lange warten muss, bevor sie etwas Neues wollen, denken oder tun. Aber wir können das hin und wieder tatsächlich, Warten hin oder her, die Geschichte zeigt es. Menschen sind kreativ und kriegen was allein und von sich aus auf die Kette.

Der Dampfmacher da oben mag Menschen als heiße Lüftchen ansehen. Aber er spricht mit ihnen. Dann werden Menschen selbst schöpferisch. Sehr ungewohnt, diese Sicht. Miteinander reden mit Hilfe von Dampf oder Rauch, das kennt man schon eher. Die Hasen kochen Kaffee, hat meine Oma gesagt, wenn im Sommer nach starkem Regen mit dem Aufkommen von mehr Wärme Dunst in Schwaden über die Waldhänge hinauf abzog. Rauchzeichen kennt man ja von Winnetou und Old Shatterhand. Statt weit westwärts reicht es auch, etwas nach Osten zu gehen, zumindest, wenn man wie ich im Südwesten wohnt. Die Römer haben an ihrem Grenzwall, dem Limes, auch Decken über Feuer und Qualm gehalten, weggezogen, und wieder drüber. Optische Telegraphie heißt das im Fachjargon. Ob Gott sich derart mit uns auseinandersetzt und unterhält?

Ein anderes Wort für Telegraphie heißt Telex, ein älteres deutsches Wort dafür lautet Fernschreiben. Sehen und Lesen gibt es auch da, beim Empfangen und beim Senden. Beim Morsen hat einigen sogar schon das Hören des Tickers gereicht. Gott unterhält sich per Fernschreiben mit uns! Die Heilige Schrift, obwohl von weit weg gesendet, und dies mindestens zeitlich, erreicht uns, spricht so an, dass man sich danach richtet. So wie ich jetzt aus lauter Zeitvertreib im Netz wild gegoogelt habe – und dann hier bei Gott gelandet bin, und seiner Beziehung zu heißer Luft, zu Dampf. Oha.

Ich arbeite wie gesagt im Vertrieb. Klar, dass mich das Stichwort Handel in diesem biblischen Fernschreiben auch interessiert. Da wird die Idee kritisiert, dass Handel quasi zwangsläufig zum Erfolg führt für die Händler. Der Handel steckt nämlich voller Überraschungen, auch für dabei sehr Erfahrene. Und das kann böse enden, so flüchtig und schnelllebig geht es da zu. Da hinkt ab und an auch mathematische Berechnung hinterher. Tja, so alt die Erkenntnis ist, so wenig hat sie Menschen vom Geschäft an Börsen abgehalten. Zu magisch blendend für viele die Aussicht auf sicheren Gewinn.

In meiner Jugend hat es geheißen: Wandel durch Handel. Die Formel gesteht zu, dass Handel für die, welche ihn betreiben, mit Änderung verbunden ist. Ein gewisser Fortschritt, wenn man so will. Man hoffte damals, die starren Fronten der Feinde Ost und West zu enthärten: Man befördere nur den Austausch beider in der Wirtschaft! Am Ende der Wandlung sollte sogar eine neue Form entstehen, eine andere Art zu wirtschaften, eine Versöhnung von Kapital und Kommunismus. Friede, Freude, Rührkuchen. Nun, wie die Sache ausgegangen ist, das ist bekannt. Jetzt gibt es eine Art kapitalistischen Kommunismus in der Welt. Doch das beste gute Ende ist ausgeblieben, welch böse Überraschung! Statt Versöhnung zwischen zweien inzwischen sogar mehr Fronten in der Welt. Und die Formel Wandel durch Handel hat eine neue Wendung genommen, eine neue Bedeutung. Statt objektiv subjektiv verstanden. Im Handel zeigt sich der Wandel der Händler! Deren Lebenswandel nämlich, deren wahres Wesen, das, was tief in ihnen drinsteckt. Und diese Wahrheit zeigt sich vielleicht in dem Satz: Jeden Morgen steht ein Dummer auf, der auf mein Angebot eingeht. Handel als heimlicher Krieg, sogar ganz ohne Boykott, ohne Sperren von Bankkonten, ohne Verbot von Ein- oder Ausfuhr. Ja, das kann sogar so weit gehen: Wenn der Käufer mächtig genug ist, kann er dem Anbieter den Verkaufspreis diktieren. Das macht sowohl der gut entwickelte Westen mit dem weniger entwickelten Süden. Das machen nur im Westen auch die großen Hersteller mit den kleineren Betrieben, die ihnen zuliefern.

Stimmt dieser Vorwurf? Obwohl voll geschäftsfähig, in Wahrheit lauter entweder Angeber oder Unmündige? Andererseits gilt: Man trifft sich immer mindestens zweimal im Leben. Wer von den unbekannten vielen Dummen bleibt so lange so dumm? Viele machen sich schlau. Und: Der weltweite Handel hat viele ehemals Arme in der Welt um einiges reicher gemacht. Materiell und geistig. Die Ärmeren hier haben beim reicher werden gegenüber früher mit Rückschritt zu kämpfen. Das sind die Fakten. Und nun?

Werden wir genug Energie, Dampf und Dunst aufbringen, um in einer weniger guten Lage ein gutes Leben hinzukriegen? Mit guten Produkten und gutem Gebaren bei Geschäft und Handel? Also weniger kriegerisch. Eine große Frage, zu groß. Zu groß und schwierig für eine gute Antwort. Mir fällt so bald wohl wenig Neues dazu ein. Und am Horizont zeichnet sich da auch kaum was ab. Neue Technik und neuer Handel, mehr dem Frieden dienend, das liegt echt im Dunkeln. Auch wenn manche links und rechts so tun, als wüssten sie die richtige Antwort. Andererseits, wenn es Gott gibt, und Gott ein guter Dampfmacher ist, der einen Dampfkreislauf betreibt, dann kommt sie vielleicht schon. Dann weht er den Menschen den Dampf und Dunst zu, der ihnen zum Guten fehlt. Der sie kreativ macht beim Entstehen von Technik und Handelsweg, die mehr Frieden stiftet und weniger kriegerisch ist. Jetzt mach ich aber mal das Licht aus, es reicht. Zeit zum Wegdämmern, gute Nacht. Morgen geht´s schließlich wieder an die Arbeit.

de_DEDeutsch