Jakobus 5,13-16

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Jakobus 5,13-16

Beten?| 19. So. n. Trinitatis | 15.10.23  | Jak 5,13–16  | Thomas-M. Robscheit |

13Leidet jemand unter euch, der bete; ist jemand guten Mutes, der singe Psalmen. 14Ist jemand unter euch krank, der rufe zu sich die Ältesten der Gemeinde, dass sie über ihm beten und ihn salben mit Öl in dem Namen des Herrn. 15Und das Gebet des Glaubens wird dem Kranken helfen, und der Herr wird ihn aufrichten; und wenn er Sünden getan hat, wird ihm vergeben werden.16Bekennt also einander eure Sünden und betet füreinander, dass ihr gesund werdet. Des Gerechten Gebet vermag viel, wenn es ernstlich ist.

Liebe Gemeinde, liebe Schwestern & Brüder,

es wird Abend, alle begeben sich zur Ruhe. Auch der Fuchs macht es sich in seinem Bau bequem. Und weil er ein frommer Fuchs ist, spricht er sein Nachtgebet: „Lieber Gott, ich danke Dir für diesen Tag, auch wenn ich ziemlich hungrig ins Bett muss. Warum ist mir der Hase wieder entkommen? Bitte, laß ihn sich morgen ein Bein brechen. Amen!“ Zur selben Zeit gar nicht so weit entfernt am Waldrand kauert sich der Hase in seine Kuhle. Auch er beschließt den Tag mit seinem Nachtgebet: „Lieber Gott, ich danke dir, dass Du mich heute behütet hast und der Fuchs mal wieder zu langsam war. Doch das war ganz schön knapp! Kannst Du bitte ihn sich morgen die Pfote verstauchen lassen? Amen.“

Sie lachen, so geht beten nicht, werden Sie mir entgegnen. Sondern? Wie geht beten?

Viele kommen da ins Stocken. Wie geht beten?

Vielleicht gehören sie zu den Menschen, die weitgehend zufrieden sind mit dem Leben, in das sie gestellt sind. Die tief verinnerlicht haben, dass es auch Schwierigkeiten und Krisen gibt und nicht alles nur glatt geht. Dann können Sie die Frage vielleicht am leichtesten beantworten: Beten ist zumindest ein wichtiger Ritus vor dem Essen, ein Innehalten, damit man nicht vergisst, dass alles auch viel schwieriger sein könnte. Vielleicht ist Gebet für Sie auch ein Gespräch mit Gott, im dem Sie alles aussprechen, was Sie an diesem Tag gefreut oder geärgert hat.

Aber wie sieht es mit dem Beten aus, wenn Sie nicht in dieser inneren Gelassenheit leben? Wenn Hiobsbotschaften hereinbrechen, die jedes Maß an „es gibt auch mal schlechte Zeiten“ weit überstiegen haben? Wie geht dann beten? Ist es dann nicht verständlich, wenn wir beten wollen so wie der Fuchs oder der Hase? „Lieber Gott, mach, dass ich wieder gesund werde!“ – vielleicht noch mit einem Handelsangebot an Gott: „Dann werde ich auch nie wieder rauchen!“ – geht so beten?

Unser Verstand wird das ablehnen. Nein, so geht beten nicht. Wir können nicht bei Gott etwas bestellen. Aber, liebe Gemeinde, legt nicht genau das unser Predigttext nahe?

„Ist jemand unter euch krank, der rufe zu sich die Ältesten der Gemeinde, dass sie über ihm beten und ihn salben mit Öl in dem Namen des Herrn. Und das Gebet des Glaubens wird dem Kranken helfen, und der Herr wird ihn aufrichten…Des Gerechten Gebet vermag viel, wenn es ernstlich ist.“

Ich habe mit diesem Text meine Schwierigkeiten. Sind unter den Tausenden, die an Krebs sterben keine ernstlichen Gebete? Und unter denen, die an unzähligen Orten dieser Erde mit Krieg und Entführung zu kämpfen haben? Ganz gewiss gibt es dort ernstliche Gebete und Menschen, die fromm und gut ihr bisheriges Leben gestaltet haben. Trotzdem leiden sie, trotzdem kommen sie zu Tode.

„Bringt beten überhaupt etwas?“, fragt da mancher und oft fällt die Antwort negativ aus, so wie bei BAP vor über 30 Jahren: Wenn et Bedde sich lohne däät. Wenn es sich lohnen würde, wofür ich dann alles beten würde, wofür ich dankbar wäre und was ich anprangern würde. Wenn es sich doch lohnen würde! Und wenn man beten so versteht, wie es unser Text suggeriert, lohnt es sich meistens eher nicht. „Des Gerechten Gebet vermag viel…“, klingt doch sehr magisch. Fast sieht man kämpfende Zauberer, die sich Kraft gemurmelter Sprüche oder herausgeschriener Flüche mit Blitzen attackieren. „Des Gerechten Gebet vermag viel…“ Und wenn das Gebet nicht genug vermag, da hat der Verfasser sich ein Hintertürchen offen gehalten, das liegt dann an der mangelnden Ernsthaftigkeit.

Ob Jesus wohl ernsthaft gebetet hat? Damals in Gethsemane? Ich bin davon überzeugt! Gekreuzigt wurde er trotzdem. Der Kelch ging nicht an ihm vorüber.

Anstatt uns über das zumindest mißverständliche Verständnis des Betens bei Jakobus zu ärgern, schauen wir doch lieber auf Jesus selbst. Das Gebet in Gethsemane wird erst richtig verständlich, wenn wir auch auf seine Antwort achten, als er gefragt wurde, wie gebetet werden soll: Vater unser im Himmel, geheiligt werde Dein Name, Dein Wille geschehe usw. Dieses alle Christen vereinende Gebet enthält persönliche Wünsche an Gott: die Bitte um das tägliche Brot zum Beispiel. Auch der Gebetshandel kommt vor: „Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.“, allem voran und viel stärker gerichtet sind aber der Lobpreis Gottes und das Unterordnen unter Gottes Willen. Beides umschließt dieses Gebet wie eine haltgebende Klammer, in der alles andere seinen bescheidenen Platz hat. Uns kommen auch andere Situationen in den Sinn, als Jesus gebetet hat: beim Abendmahl, bei den Speisungswundern, bei Heilungen. Ähnlich wie beim Vater unser, sind alle von Jesus überlieferten Gebete gekennzeichnet durch eine emotionale Nähe zu Gott, den er als Vater bezeichnet. Für den Theologe Fulbert Steffensky ist Beten mit einem Handwerk oder dem Schwimmen vergleichbar. Beten ist etwas das man lernen kann und muss, etwas das man übt und das um so besser gelingt, je mehr Routine man damit hat. So betet Jesus. Er ist in dieses Zwiegespräch mit Gott eingearbeitet und erträgt dann auch die bittere Realität, die nicht seinem menschlichen Bedürfnissen entspricht. „Das Gebet des Gerechten vermag viel!“, Jakobus hat Recht, es vermag vor allem, in einer Welt zurecht zu kommen, die nicht so ist, wie sie sein sollte. Es vermag einerseits Kraft zu geben, Dinge hinzunehmen und es gibt andererseits Kraft, Zustände nicht hinzunehmen, sondern gegen sie auch mit übermenschlicher Kraft anzugehen, einer Vision so zu folgen, dass sich die Welt ändert.

Und der Friede Gottes, der grösser ist als alle menschliche Vorstellungskraft, der bewahre Eure Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.

Thomas-M. Robscheit

EKM, Apolda

thm@robscheit.de

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