Jesaja 43, 1-7

Jesaja 43, 1-7

Gott ruft dich bei Namen | 6.So. n. Trinitatis | 16.07.2023 | Jes 43, 1-7 i.A. | Klaus Wollenweber |

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen

Liebe Gemeinde,

Sommerzeit gleich Urlaubszeit gleich Entspannung vom Alltagsbetrieb und Stress. Am besten weit wegfahren oder wegfliegen. Dort in der Ferne will man sich in Familie und gesellschaftlich anonym erholen. Das ist Idee und Wunsch. Haben Sie dann dort auch schon mal erlebt: Plötzlich hören Sie Ihren Namen rufen; Sie stutzen, blicken um sich und hören nochmals Ihren Namen mit den Worten: „Sie sind auch hier! Das ist ja toll! Wie schön, Sie hier zu treffen.“ So ist es doch: Nach erstem Schreck fühlt man sich wie damals in der Schule ertappt, unangenehm berührt und sucht zunächst seine äußere Ruhe. Was will der oder die von mir im Urlaub? Ich bin jedoch bei Namen gerufen worden. Mein Name ist laut und verständlich gesagt. Ich bin gemeint. Mein Name macht mich unverwechselbar – egal ob ich bei meinem Geburtsnamen benannt werde oder inzwischen einen anderen Namen angenommen habe. Keinesfalls ist der Name Schall und Rauch! Mein Name ist eng verbunden mit meiner Identität.

Für den Propheten Jesaja ist eine ganz wichtige, positive Feststellung, dass der Gott Israels sein Volk in der Not nicht verlassen hat; er ruft die Israeliten mit ihrem Namen, auch wenn dies in der babylonischen Gefangenschaft für die Gläubigen nicht so spürbar ist.  Die Israeliten erlebten in erschreckendem Maß die Herrschaft der Babylonier. In diese Situation der Not hinein verheißt der Prophet, dass Gott jeden und jede aus dem Volk Israel mit Namen kennt und sie aus der Gefangenschaft in Babylon erlösen wird. Er erinnert an die frühere Befreiung aus der Knechtschaft in Ägypten, dass kein Wasser die Israeliten an der Rettung durch Gott hindern kann. Und damals war das Feuer ein positives Zeichen Gottes, das dem Volk den nächtlichen Weg durch die Wüste zeigte. Gegen alle schreckliche Erfahrung und Verzweiflung betont der Prophet immer wieder im Namen Gottes: „Fürchtet euch nicht!“

Ich lese Jesaja 43, die Verse 1-7 in Auswahl

„Und nun spricht der HERR, der dich geschaffen hat, Jakob, und dich gemacht hat, Israel: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du gehörst zu mir.

Wenn du durch Wasser gehst, will ich bei dir sein, damit dich die Ströme nicht fortreißen. Wenn du durchs Feuer gehst, wirst du nicht brennen und keine Flamme wird dich versengen.

Denn ich bin der HERR, dein Gott, der Heilige Israels, dein Heiland. 

Denn du bist in meinen Augen teuer und wertvoll, – und ich liebe dich!

So fürchte dich nun nicht, denn ich bin bei dir.

Denn jeden, der nach meinem Namen benannt ist, habe ich zu meiner Ehre erschaffen, geformt und gemacht.“

Liebe Gemeinde, ich übertrage diesen alten prophetischen Text direkt auf uns Christenmenschen heute: So wünsche ich jedem Menschen, dass er mindestens einmal – hoffentlich mehrmals – in seinem Leben gehört hat und hört: „Du bist in meinen Augen teuer und wertvoll; – und ich liebe dich!“ Davon können wir jahrelang zehren. So spricht Gott, verkündet der Prophet, und er schließt kein Wenn und Aber an. Es ist eine Aussage ohne Bedingung und ohne Einschränkung. Das bedeutet für den glaubenden Menschen: diese Zusage gilt mir persönlich; ich bin gemeint; ich bin bei meinem Namen genannt. Sie und ich – wir sind als Geschöpfe Gottes in Gottes Augen wertvoll. Das ist wohl einzig und macht uns als unverwechselbare Persönlichkeiten wichtig – völlig unabhängig von Alter, Beruf, Gebrechen, Hautfarbe, Religion und Nationalität.

Der Prophet sagt dies damals zum Volk Israel. Wenn ich an unsere heutige Situation in der Welt denke, dann möchte ich als ein von Gott geliebter Mensch dennoch eine Einschränkung machen: Diese Aussage kann doch heute nicht mehr für einen kriegerischen Aggressor gelten, nicht für einen autoritären Machthaber, der über Leichen geht! Diese Person kann doch in Gottes Augen kein wertvoller Mensch sein, der von Gott geliebt ist. Nein, das kann nach unseren Gesetzen und Maßstäben nicht sein! Und genau dieser Grundsatz zeigt das menschliche und nicht göttliche Denken. Denn wir machen unsere Vorstellungen und Gedanken, unsere Werte, zu Wertmaßstäben Gottes, nach denen dieser sich richten müsste. Wir Geschöpfe bestimmen, was für Werte und Vorstellungen für den Schöpfergott zu gelten haben! Darin liegt eine große Gefahr, dass wir Menschen Schöpfer sein wollen und nicht in unserer irdischen Situation als Geschöpfe denken und leben. Wir bestimmen jedoch nicht über das Ausmaß der Liebe Gottes. Ganz bewusst beginnen wir den Gottesdienst im Namen des dreieinigen Gottes – und nicht in meinem Namen und nicht in Ihrem und nicht im Namen einer Gemeinde oder Kirche. Es gibt eine unmissverständliche Zuordnung von Gott zu uns. Wir bestimmen also nicht, wen Gott zu lieben hat und wen nicht. Seine Liebe reicht weit über unsere Wertvorstellungen hinaus. Und es bleibt ein Geschenk und Geheimnis Gottes und ein Rätsel für uns, dass der Prophet Jesaja in seiner Verkündigung betont, dass Gott alle Geschöpfe bei Namen nennt, sie anruft und ihnen seine Liebe bezeugt – ohne Einschränkung!

Das Volk Israel bekommt diese zuversichtlichen Aussagen des Propheten in der Leidenszeit der Gefangenschaft zu hören: „so fürchte dich nicht; denn ich bin bei dir“. Und es erfährt Rettung und Freiheit durch Gottes Hilfe. Wieder eine generelle Aussage. Heute gilt diese ermutigende Zusage auch uns Christen-Menschen in unserer chaotischen, zerbrechlichen und machtpolitisch geprägten Welt. Uns spricht Gott diesen uralten Trost zu: „so fürchte dich nicht, denn ich bin bei dir!“ Auch wenn wir menschlich Gott längst den Rücken gekehrt haben oder selbst als Glaubende an unseren Zweifeln und Fragen nach dem Sinn des Lebens zu ersticken drohen. Bei vielen Menschen ist der Zweifel größer als das Vertrauen in die Geborgenheit bei Gott. Trotz aller Skepsis gilt die prophetische Zusage: Gott ist an Ihrer und meiner Seite. Dies hat für jede und jeden ohne Einschränkung Gültigkeit. Denn wir alle sind zur Ehre Gottes geschaffen – in aller Unterschiedlichkeit und ohne Uniformität der jeweils eigenen Identität.

Liebe Gemeinde, damals war für den Propheten klar: gemeint sind in seinen Aussagen alle Menschen im Volk Israel. Heute glauben wir Christenmenschen diese verheißungsvolle Aussage, dass sie auch uns gilt, und wir nehmen sie als kräftiges Trostwort für unseren Glauben in Anspruch. In besonderer Weise verbinden wir dieses Versprechen Gottes mit unserer christlichen Taufe: „Ich habe dich erlöst, spricht Gott der Herr; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du gehörst zu mir.“

Wir sind bei unserer Taufe bei dem Namen gerufen, den die Eltern uns gegeben haben. Und nun erhalten wir in der Taufe noch einen zusätzlichen, uns in unserer Verhaltensweise prägenden Namen. Wir heißen jetzt in der Nachfolge Christi auch „Christ“ oder „Christin“. Wir sind aufgenommen und gehören nun in die Gemeinschaft mit Jesus Christus. Unsere Taufe bestimmt ein für allemal, dass wir nun zu dem auferstandenen Christus gehören.

Gott ist an unserer Seite und begleitet unsere Wege des Lebens, ob wir es wahrhaben wollen oder nicht. Wir können unsererseits diesen von Gott mit uns geschlossenen Tauf-Bund ablehnen, nicht mögen und mit Füßen treten; wir können den Bund jedoch nicht hinfällig machen. Einmal getauft ist für immer getauft, d.h. Gott lässt sich aus unserem Leben nicht eliminieren. Was auch immer in unserem Leben auf unserer Seite geschieht, es bleibt die Zusage Gottes: Du gehörst zu mir! Nochmals: Ich kann rechtlich – irdisch – aus der Kirchengemeinschaft mit Jesus Christus austreten, aber die Taufe mit meiner Namensgebung als „Christ“ oder „Christin“ kann ich nicht rückgängig machen. In Gottes Augen bleibt die Zusage des Schöpfers: du gehörst zu mir; du bist getauft; du bist von mir geliebt! Das ist einmalig und nicht veränderbar, d.h. anders als bei der weltlich gegebenen Möglichkeit, den Namen zu ändern, aus der Institution Kirche auszutreten und den Tauf-Bund einseitig zu beenden.

Liebe Gemeinde, in manchen Ländern unserer Welt ist es nicht immer leicht, sich zu seinem Tauf-Namen als „Christ“ oder „Christin“ zu bekennen. Christenmenschen werden verfolgt, inhaftiert, gefoltert und getötet. In diesen gefährlichen Lebenssituationen ist es schwer, die prophetischen Worte zu hören: „so fürchte dich nicht!“ Wir selbst hier in Europa haben die Chance, unseren Glauben in Freiheit zu leben und auszuüben. Dennoch kennen wir auch Ängste und sind nicht frei davon: Angst vor quälendem Sterben, Angst vor Hunger und Krieg, Angst vor dem Versagen beim Klimawandel; Angst vor … Sie können jetzt weiteres aus Ihrem persönlichen Lebensgefühl heraus ergänzen.

Anders als unsere menschliche Angst umschreibt jedoch Furcht im biblischen Sinne die Beziehung zu Gott, die Ehrfurcht vor Gott. Der Schöpfergott hat uns durch Jesus Christus von der Furcht befreit, dass der einmal in der Taufe geschlossene Bund von Gottes Seite aufgelöst werden könnte. Der Zorn Gottes über das Handeln von Christen kann sehr groß sein, aber nach Jesu Tod und Auferstehung kommt der Entzug der Liebe Gottes als Strafe nicht mehr in Frage.

Seien wir deshalb furchtlose, klarsichtige Menschen, die die Mut machende Zusage hören: Fürchte dich nicht davor, dass Gott sein Versprechen nicht hält. Fürchte dich nicht vor dem Gericht Gottes; denn die Strafe hat Jesus Christus auf sich genommen. Wir werden im Gericht Gottes auf – gerichtet, so dass wir die Gnade und Liebe Gottes sehen und erfahren. Hab keine Furcht, Gott könnte von deiner Seite weichen, – auch wenn du Gott vermisst und von ihm nichts spürst. Gott hat dich gerne, nimmt dich ernst und wichtig, ruft dich bei Namen und bleibt bei uns in unserem Leid und in unserer Freude. Wir leben natürlich in alltäglichen Sorgen und Ängsten, aber wir sind nicht allein. Die Furcht vor der Verlassenheit von Gott ist uns genommen; wir sind wirklich befreit zu dem Weg des Lebens mit dem uns liebenden Gott.

Das gilt durch Jesu Christi Tod und Auferstehung auch über unseren Tod hinaus. Wir sind begleitet, und darauf können Sie und ich uns verlassen. Das ist ein einmaliges prophetisches Zeugnis – von damals für uns heute und morgen. Furchtlosigkeit und Vertrauen sind angesagt. Daraus erwächst die not-wendige Orientierung. Gott hat uns aus den Zwängen erlöst, in denen wir bewusst oder unbewusst mit unserem Denken und Handeln stecken. „Du bist erlöst“ – das heißt doch: Du bist von all dem befreit, was Dich in Deinem Zusammenleben mit anderen ängstlich und befangen macht. Gott erlöst ebenso von dem Krampf, dass ich lebenslang an meiner Schuld tragen müsste. Gott ist stärker als all unsere Ängste. Deshalb gehen wir lebensfroh in die neue Woche mit der machtvollen Aufforderung: „So fürchte dich nicht! Ich habe dich erlöst! Ich habe dich bei deinem Namen gerufen. Du gehörst zu mir!“

Amen

Der Friede Gottes, welcher höher ist als all unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserm Herrn. Amen

Lied: EG Nr. 209    Ich möchte`, dass einer mit mir geht

Bischof em. Klaus Wollenweber

53129 Bonn

E-Mail: Klaus.Wollenweber@posteo.de

Viele Jahre Gemeindepfarrer in der Ev. Keuzkirchengemeinde Bonn; ab 1988 theologischer Oberkirchenrat in der Ev. Kirche der Union (EKU) Berlin ( heute: Union Ev. Kirchen (UEK) in Hannover ); ab 1995 Bischof der „Ev. Kirche der schlesischen Oberlausitz“ mit dem Amtssitz in Görlitz / Neiße  (heute: „Ev. Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz“ (EKBO) ); seit 2005 im Ruhestand wohnhaft in Bonn. Häufig aktiv in der Vertretung von Pfarrerinnen und Pfarrern in Bonn.

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