Jesaja 7,7a.9b-14

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Jesaja 7,7a.9b-14

 


Göttinger Predigten im Internet
hg.
von Ulrich Nembach und Johannes Neukirch


Heilig Abend,
Christmette

24. Dezember 1999
Jesaja 7,7a.9b-14


Hinrich Buß


Jes.7,7a.9b-14:

„So spricht Gott der Herr:…Glaubt ihr nicht, so bleibt ihr
nicht.
Und der Herr redete abermals zu Ahas und sprach:
Fordere dir ein
Zeichen vom Herrn, deinem Gott, es sei drunten in der Tiefe oder droben in der
Höhe!
Aber Ahas sprach: Ich will‘ s nicht fordern, damit ich den Herrn
nicht versuche.
Da sprach Jesaja: Wohlan, so hört, ihr vom Hause
David: Ist‘ s euch zu wenig, daß ihr Menschen müde macht?
Müßt ihr auch meinen Gott müde machen?
Darum wird euch der
Herr selbst ein Zeichen geben: Siehe, eine Jungfrau ist schwanger und wird
einen Sohn gebären, den wird sie nennen Immanuel!“

Liebe Gemeinde in der Heiligen Nacht,

ein König – eine schwangere Frau – die angekündigte
Geburt eines Kindes, das ist der Stoff, aus dem die Weihnachtsträume sind.
Um sie rankt sich alles. Das ist der Stoff, der einsame Menschen aufhorchen
läßt und der Chöre zum Singen bringt , sei es ein leises
Wiegenlied „O Kindelein zart“, sei es mächtiger Gesang, aus Händels
Messias: „Uns ist zum Heil ein Kind geboren“. Dabei wird hier ein Ereignis nur
angekündigt, und es ist dazu noch rätselhaft, dunkel genug, um
Scharen von Auslegern zu beschäftigen: Wer ist diese Frau, was für
ein Sohn ist gemeint, was besagt der ungewöhnliche Name? Fragen zuhauf.
Doch unbeeindruckt von alledem entfaltet die bloße Ankündigung
bereits Kraft, man hört schon das Summen der Lieder, und die Kunde, die
wundersame, breitet sich aus, unaufhaltsam.

Es ist vor allem der Name „Immanuel“ , der Aufmerksamkeit weckt.
„Gott mit uns“ – in einem Kind, wie soll das gehen? Da ist Spannung, da ist
Verheißung, der Name drängt darauf, weitergereicht zu werden. In
vielen Weihnachtsliedern ist er auf Jesus übertragen worden, „Wir singen
dir, Immanuel“. Viele auch haben ihn als Vornamen bekommen, Kant z.B.
„Immanuel“ heißt nun der größte Philosoph der Aufklärung,
er trägt einen Namen voll göttlicher Verheißung. Das Licht, das
von diesem Namen auf andere fällt – „die Klarheit des Herrn leuchtete um
sie“, heißt es in der Weihnachtsgeschichte“ -, scheint es nun auch in der
Aufklärung auf? Lassen Sie uns den Fall betrachten.

1.

Könige gehören zur weihnachtlichen Szenerie. Augustus,
Herodes. Hier nun Ahas, einer aus der David-Dynastie, messiasträchtig und
verdächtig. Ahas ist sonst nicht sonderlich aufgefallen, durch dies
Ereignis im Jahr 733 vor Christus ist er in das Blickfeld der
Überlieferung geraten. Er, ein noch junger Mann, steht unter politischem
Druck. Die nördlichen Nachbarn, Syrien und Israel, wollen ihn in einen
Krieg hineinziehen, gegen den mächtigen Gegner Assur.

Da ist sie, die alte Geißel der Menschheit, die alle
Ereignisse übertönt und Schicksale unter sich begräbt. Durch
Flucht versuchen einige, dem Unheil zu entkommen. Doch: „Die Splitter einer
Rakete rissen Wissurij den Rücken auf und töteten ihn innerhalb von
Sekunden.“ So geschehen auf dem Weg von Tschetschenien nach Georgien und vor
wenigen Tagen berichtet. Auch heute können wir den Einschlag von
Geschossen über das Fernsehen hören. Krachende Gegenmusik zum
verkündeten Frieden auf Erden.

Was soll der junge König tun? Der Prophet Jesaja tritt auf
ihn zu und sagt ihm im Namen Gottes: „Glaubt ihr nicht, so bleibt ihr nicht.“
Ein einprägsamer Satz. Aber was soll der König damit, der eine
folgenreiche Entscheidung treffen muß?

Was Jesaja vorbringt, rührt an die Grundfesten. Bist du,
Ahas, überhaupt in der Lage zu entscheiden? Oder bebt dein Herz, „wie die
Bäume im Walde beben vom Winde“? – So Jesaja in einer Schilderung kurz
zuvor. – Dann tust du gut daran zu glauben. Was meint: innerlich fest zu
werden, stark zu sein, ruhig sogar im Sturm. Der Satz „Glaubt ihr nicht, so
bleibt ihr nicht“, enthält ein Wortspiel, es dreht sich um das Wort
„Amen“. Bekanntlich ist nichts so sicher wie das Amen, und zwar nicht nur in
der Kirche, sondern auch im stürmischen Leben. Unverrückbar steht es
da, und dies bedeutet es auch. Bleiben und Glauben sind vom diesem festen
Stamm. Wer gern ein anderes Bild hätte, ein weltliches, der halte sich an
die Bestätigungstaste. Wer Geld abheben will, muß sie drücken.
Sonst tut sich nichts. Wer glaubt, ist ein solchermaßen von Gott
Bestätigter, und drückt nun seinerseits die Taste. Wer glaubt, ist in
Gott gegründet und steht so auf festem Grund. Er wird nicht gleich
umgepustet, auch wenn er innerlich bebt wie die Bäume beben im Walde. Auf
den König bezogen: Ahas hat damit noch keine politische Entscheidung in
der Hand. Aber er kann Festigkeit gewinnen. Es ist so: Glaubst du nicht, so
bleibst du nicht.

Kenner der Bibel sagen, mit diesem Satz sei die Reichweite des
Glaubens erstmals abgeschritten und seine Tiefe erstmals ausgelotet worden.
Eine ungeheure Kraft, die sich da zu Wort und zur Tat meldet.

2.

Ein zweites wird dem jungen König angeboten: Er soll sich ein
Zeichen von Gott erbitten. Doch Ahas weicht aus. Mit einer wohl klingenden
Wendung. Er will sich offenbar nicht festlegen, er will seine politischen
Kreise nicht stören lassen. Da hinein fällt der Satz, der aufhorchen
läßt, seit Jahrtausenden schon:

„Darum wird euch der Herr selbst ein Zeichen geben: Siehe, eine
junge Frau ist schwanger und wird einen Sohn gebären, den wird sie nennen
Immanuel.“

Die ungeheure Kraft, von der soeben die Rede war, sie wird
anschaubar ausgerechnet in der Geburt eines Kindes. Das bleibt ein Widerspruch
und hat zugleich die größte Verheißung. Es ist ein Gegenbild
zum Krieg. Hier wird nicht Kraft in Zerstörung umgesetzt, hier entsteht
Leben. Es wächst und gedeiht. Es ist willkommen. Es weckt Freude. „Es ist
ein Ros entsprungen aus einer Wurzel zart“. Vor Jahren gab es ein
ausdrucksstarkes Brot-für-dieWelt-Plakat. Es zeigte eine Pflanze, die aus
dem Boden hervor wächst, noch klein, aber nicht mehr zu übersehen. Um
sie herum zwei Hände, dies keimende Leben beschützend. Behutsam
hingehalten und doch stark genug, um Schutz zu geben.

Eine Pflanze soll wachsen, ein Kind soll gedeihen können.
Junge Paare wissen es: Ein Kind, zumal wenn es das erste ist, verändert
alles. Der Tageslauf ist auf den Kopf gestellt, er muß neu geregelt
werden, die Nacht auch. Die Schwerpunkte werden neu gesetzt: Wärme ist
nötig, Zeit muß frau haben und man auch, Hingabe wird erbettelt und
ist wunderschön; bei dem Durcheinander lernen die Eltern nebenbei auch
noch Gelassenheit. Und man spürt: Dies sind die elementaren Dinge, sie
machen das Leben aus. Aus ihnen wachsen die Kräfte, die unsere
Gesellschaft zusammenhalten. Im wirtschaftlichen und auch politischen
Geschäft spielen sie eine untergeordnete Rolle, werden verbucht unter
Familie oder Bildung, nicht eben die angesehensten Ressorts.

Das Bemerkenswerte an der Szene auf der Straße in Jerusalem
im Jahr 733 vor Christus ist, daß der König aus dem Blick
gerät, sobald von dem Sohn die Rede ist, das geboren werden soll. Das Kind
ist wichtiger als der Herrscher. Dies wiederholt sich in der
Weihnachtsgeschichte aus Lukas 2: Augustus wird eingangs erwähnt, er, der
römische Kaiser und mächtigster Mann in der damals bekannten
europäischen Welt. Eine bedeutende Gestalt. Doch hier hat er nur die
Aufgabe, den Zensus auszuschreiben, zu dem einfachen Zweck, daß Maria und
Joseph nach Bethlehem kommen. Rom wird eine Nebenbühne, die
Hauptbühne sind Stall und Hirtenfeld. Wer’s glaubt, wird selig. In der
Tat, es zeugt von Durchblick dies zu glauben. Hier läuft das Stück,
das die Welt verändert, in der Krippe liegt das Kind, das zählt, nach
welchem fortan die Zeit gerechnet wird.

Warum ist das so? Es hängt an „Immanuel“. Es hängt
daran, daß Gott mit uns ist, genauer: in diesem Kind unter uns wohnt. Das
sprengt den gewohnten Rahmen, das verteilt die Gewichte neu. Mit einem Liedvers
Tersteegens gesagt:

„Sehet dies Wunder, wie tief sich der Höchste hier beuget;

sehet die Liebe, die endlich als Liebe sich zeiget!
Gott wird ein Kind,
träget und hebet die Sünd;
alles anbetet und schweiget.“

Dies kann man spüren bis heute. Bis in diese Nacht hinein. In
diesem Fest ist so viel an Liebe, an Zartheit, an Freude, daß man
zwischendurch die Augen schließen möchte und nur aufnehmen, was da
ist:
eine Zartheit, die Gänsehaut entstehen läßt;
eine
Freude, die mich überwältigt;
eine Erkenntnis, die mich nie ans
Ende kommen läßt;
eine Tiefe, die ich nicht ausloten kann.

Im letzten Jahr haben Kaufleute in Duderstadt Privatpersonen
gebeten, ihre Krippen zur Verfügung zu stellen zur Dekoration der
Schaufenster. Es wurden so viele herausgerückt, daß die Fenster
nicht einmal reichten. Da standen sie nun mit auffälligen Figuren,
schön geschnitzt, bemalt, genäht, kleine Kunstwerke allesamt. Viel
Liebe im Details war in sie investiert worden. Am Fenster draußen
drückten sich Kinder die Nasen platt, und Väter hätten am
liebsten gleich angefangen, eine eigene Krippe zu bauen. Es zuckte in den
Fingern, der Zartheit und Liebe Gestalt zu geben. Hier ist eine Kraft am Werke,
die behutsam daherkommt und dauerhaft wirkt.

Sie wirkt auch dann noch, wenn ich traurig bin wegen eines
Menschen, der verstorben ist und schmerzlich fehlt. Sie wirkt auch, wenn ich
voller Wut bin über Krieg und Elend; sie tut ihre Wirkung auch noch, wenn
ich einfach müde bin und keine Lust mehr zum Feiern habe. Dies alles kann
den Vorrat des Immanuel nicht erschöpfen. Selbst ein Karussell, dessen
Musik unablässig dudelt, dreht sich um das Geheimnis dieses Festes.
Daß Gott mit uns ist, läßt uns feiern in den
verrücktesten Spielarten. Es macht uns zugleich begierig in unserer
Sehnsucht, anspruchsvoll in unserer Erwartung an Glück, an Gerechtigkeit,
an Frieden, an Erkenntnis. Wenn Gott unter uns ist, dann gelten die
höchsten Maßstäbe. Wenn er sein Füllhorn in der Krippe
ausschüttet, dann laßt uns nehmen Gnade um Gnade. Daß Gott in
einem Kind ist, bringt das Kleinste und das Größte zusammen. Das
macht dies Fest in seinem Kern unzerstörbar.

Und was ist, wenn ich nicht an Gott glaube und erst recht nicht
daran, daß er Mensch geworden ist? „Meine Tochter“, sagt ein viel
beschäftigter Vater, und man hört den Stolz, „meine Tochter bastelt
einen Adventskalender, sie packt jedes Stück für jeden Tag einzeln
ein“. Und dann nachdenklich: „Auch wenn man nicht an Gott glaubt, Weihnachten
hat etwas, es hat viel zu bieten, das weit über die Päckchen
hinausgeht.“

Weihnachten ist ein Phänomen. Auch wenn der Absender
unbekannt ist, kommt die Botschaft an. Da ist ein Geheimnis eingewickelt, das
selbst ungeöffnet seine Wirkung tut. So ist das eben, wenn Gott Mensch
wird.

Amen

Dr. Hinrich Buß
Landessuperintendent für den
Sprengel Göttingen
E-Mail:
lasup.goettingen@evlka.de


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