Johannes 13,1-15.34-35

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Johannes 13,1-15.34-35

Du kannst nur zu Jesus gehören, wenn er dir dienen darf! | Gründonnerstag | 28.3.2024 | Joh 13,1-15.34-35 | Winfried Klotz |

1 Das Passafest stand bevor. Jesus wusste, dass für ihn die Stunde gekommen war, diese Welt zu verlassen und zum Vater zu gehen. Er hatte die Menschen, die in der Welt zu ihm gehörten, immer geliebt. Jetzt gab er ihnen einen letzten und äußersten Beweis seiner Liebe.

2 Jesus aß mit seinen Jüngern zu Abend. Der Teufel hatte Judas, dem Sohn von Simon Iskariot, schon den Gedanken eingegeben, Jesus zu verraten.

3 Jesus wusste, dass der Vater ihm alles in die Hand gegeben hatte. Er wusste, dass er von Gott gekommen war und bald wieder zu Gott zurückkehren würde.

4 Da stand er vom Tisch auf, legte sein Obergewand ab, band sich ein Tuch um

5 und goss Wasser in eine Schüssel. Dann fing er an, seinen Jüngern die Füße zu waschen und sie mit dem Tuch abzutrocknen.

6 Als er zu Simon Petrus kam, sagte der: »Du, Herr, willst mir die Füße waschen?«

7 Jesus antwortete ihm: »Was ich tue, kannst du jetzt noch nicht verstehen, aber später wirst du es begreifen.«

8 Petrus widersetzte sich: »Niemals sollst du mir die Füße waschen!« Jesus antwortete: »Wenn ich dir nicht die Füße wasche, hast du keinen Anteil an mir und an dem, was ich bringe.«

9 Da sagte Simon Petrus: »Herr, dann nicht nur die Füße, sondern auch die Hände und den Kopf!«

10 Jesus erwiderte: »Wer vorher gebadet hat, ist am ganzen Körper rein und braucht sich nur noch die Füße zu waschen. Ihr seid alle rein – bis auf einen.«

11 Jesus wusste, wer ihn verraten würde. Deshalb sagte er: »Ihr seid alle rein, bis auf einen.«

12 Nachdem Jesus ihnen die Füße gewaschen hatte, zog er sein Oberkleid wieder an und kehrte zu seinem Platz am Tisch zurück. »Begreift ihr, was ich eben getan habe?« fragte er sie.

13 »Ihr nennt mich Lehrer und Herr. Ihr habt recht, das bin ich.

14 Ich bin euer Herr und Lehrer, und doch habe ich euch soeben die Füße gewaschen. So sollt auch ihr euch gegenseitig die Füße waschen.

15 Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr so handelt, wie ich an euch gehandelt habe.

34 Ich gebe euch jetzt ein neues Gebot: Ihr sollt einander lieben! Genauso wie ich euch geliebt habe, sollt ihr einander lieben!

35 An eurer Liebe zueinander werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid.

Liebe Gemeinde!

Dunkle Wolken…

Vielleicht wundern Sie sich, dass wir heute Abend über diesen Bericht von einer Fußwaschung nachdenken. Am Abend des Gründonnerstag geht es doch um die Einsetzung des Abendmahls. Doch an der Stelle des Abendmahlsberichts bei den drei anderen Evangelien erzählt das Johannesevangelium davon, dass Jesus während einer Mahlzeit wie ein Sklave seinen Jüngern die Füße wäscht. Über dieser Fußwaschung schwebt wie eine dunkle Wolke die Ankündigung des Verrats durch Judas: „Jesus aß mit seinen Jüngern zu Abend. Der Teufel hatte Judas, dem Sohn von Simon Iskariot, schon den Gedanken eingegeben, Jesus zu verraten.“

Verrat ist das Gegenteil von liebevoller Zuwendung; hinter Verrat steht die Absicht zu schaden. Judas verrät Jesus an die Vertreter des Hohen Rates und vollzieht damit Trennung von ihm. War er sich dessen bewusst, welche Folge der Verrat für Jesus und die mit ihm verbundenen Menschen haben würde? Wir müssen es offen lassen.

Während Judas die Trennung von Jesus und den anderen vollzieht und das nicht im Guten, sondern durch Verrat, durch Auslieferung an die Jesus feindliche Religionsbehörde, gibt Jesus seinen Jüngern einen deutlichen Beweis seiner Liebe, seiner demütigen Fürsorge für sie, seiner Opferbereitschaft. Das Johannesevangelium betont in diesem Zusammenhang, dass nicht Judas, sondern Jesus der ist, der den Gang der Dinge bestimmt. Das gilt nicht nur deshalb, weil Jesus vom Vater kommt und damit Anteil an Gottes Macht hat, sondern gerade auch deshalb, weil liebevolle Fürsorge und Opferbereitschaft stärker sind als Verrat und Bosheit.

„Niemals sollst du mir die Füße waschen!“

Während eines Abendessens kurz vor dem Passahfest, Jesus weiß, dass er bald die Welt verlassen und zum Vater gehen wird, gibt er seinen Jüngern einen letzten und äußersten Beweis seiner Liebe. Im Wissen um die vom Vater bestimmte Stunde, im Wissen um den kommenden Verrat des Judas, im Wissen um seine Herrlichkeit und Macht als der, der von Gott kommt, steht er vom Abendessen auf und beginnt seinen Jüngern die Füße zu waschen.

Die Szene, liebe Gemeinde, ist ganz realistisch beschrieben. Wir können uns vorstellen, wie das Gespräch unter den Jüngern verstummt, wie ein Staunen und Kopfschütteln durch die Reihen geht. Was tut Jesus, er ist doch ihr Lehrer, er ist doch der, durch den sie einen offenen Himmel erfahren haben, Gottes rettende, freundliche Gegenwart? Sie sind einiges von ihm gewohnt, aber dürfen sie zulassen, dass Jesus sich so erniedrigt? Er macht sich doch einem Sklaven gleich! Verdunkelt das nicht sein Bild als Gesandter und Sohn Gottes? Wie will Jesus seine Jüngergemeinde führen, wie will er für Ordnung sorgen, wenn er die gesellschaftlichen Regeln krass durchbricht? Wie will er, ich überdehne den Gedanken, eine Organisation führen, wenn er seinen Untergebenen die Füße wäscht? Haben Sie schon mal von einem Wirtschaftsboss gehört, dass der seinen Mitarbeitern die Füße gewaschen hat? Oder gehen wir mal weg vom Bild der Fußwaschung, dass er niedrige, einfache Arbeiten gemacht hat, z. B. die ständig dreckigen Toiletten gereinigt hat, um seinen Mitarbeitern ein gutes Beispiel zu geben?

Was Jesus tut, ist in damaliger Zeit und auch heute sehr ungewöhnlich; Petrus als Sprecher der Jünger äußert seine Bedenken, zuerst in einer Frage, dann in deutlicher Ablehnung: „Niemals sollst du mir die Füße waschen!“ ‚Jesus, das ist nicht Deine Rolle!‘ Sehen Sie, das ist wichtig und sehr interessant: Petrus traut sich zu widersprechen! Jesus hat offensichtlich von seinen Jüngern kein kritikloses Mitlaufen gefordert, wie es in autoritären Gruppen – Sekten, oder manchmal auch am Arbeitsplatz üblich ist. Auch wenn Petrus schließlich klein beigegeben muss. Aber das hat mit seiner Beziehung zu Jesus zu tun, mit seinem Wunsch, zu Jesus zu gehören. Oder neutral gesagt: das ist im Inhaltlichen, in der Sache begründet.

Jesus hat geduldig auf die Abwehr des Petrus reagiert und ihn um sein Vertrauen gebeten: „Was ich tue, kannst du jetzt noch nicht verstehen, aber später wirst du es begreifen.“ Das war doch schon bisher die Erfahrung der Frauen und Männer, die mit Jesus unterwegs waren, sie haben erst nach und nach die Taten und Worte Jesu verstanden. Erst nach und nach wurde ihnen Gottes fremdes Handeln durch Jesus offenbar. Sie haben Schritte des Vertrauens gemacht und erkannt, dass Jesu Weg mit ihnen sie getragen hat. Jesus bittet Petrus um Vertrauen, aber diesmal kann er Petrus damit nicht erreichen. Deshalb konfrontiert Jesus ihn mit der Folge seiner Ablehnung: „Wenn ich dir nicht die Füße wasche, hast du keinen Anteil an mir und an dem, was ich bringe.“ Jesus stellt Petrus in die Entscheidung; es gibt nur ein entweder- oder! Aber was meint Jesus damit, dass die Fußwaschung Zeichen ist für die Teilhabe an ihm jetzt und in Zukunft? Petrus war doch sein Jünger, Begleiter, Freund, Mitarbeiter. Was sollte dem noch hinzugefügt werden? Was deutet Jesus an mit der Zeichenhandlung der Fußwaschung? Offensichtlich reicht es nicht, von Jesus zu lernen, offensichtlich genügt es nicht, seine Worte umzusetzen. Offensichtlich muss Petrus und natürlich auch jede/r von uns den Dienst von Jesus annehmen, um zu ihm zu gehören! Du kannst nur zu mir gehören, wenn ich dir dienen darf!

Was bewirkt dieser Dienst? Das wird deutlich, wenn Petrus nun in einer Art Überreaktion von Jesus nicht nur die Füße, sondern auch die Hände und den Kopf gewaschen haben will. Aber das ist unnötig; das Waschen der Füße ist Zeichen für den Dienst Jesu – für Petrus und alle, die durch ihn zu Gott kommen. „Der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich bedienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben als Lösegeld für alle Menschen hinzugeben,“ sagt das Markusevangelium. (10,45)

Jesus bildet mit der Fußwaschung ab, was noch geschehen wird; sein niedrigster Dienst für seine Jünger und alle, die ihm folgen, ist sein Sterben am Kreuz zur Vergebung der Sünden. Und um es noch einmal deutlich zu sagen: Zu Jesus gehört man nicht dadurch, dass man ihn gut findet oder Gutes tut, zu IHM gehört nur, wer seinen Dienst annimmt, seine Lebenshingabe als Sühnopfer für unsere Sünde; Jesus ist der Brückenbauer zwischen Mensch und Gott. Jesu Sterben am Kreuz ist der Ort der überfließenden Gnade Gottes, nicht weil das automatisch so wäre, sondern weil Gott es so ansieht.

Was feiern wir anderes im Abendmahl? Unter den Zeichen von Brot und Wein nehmen wir das Gnadengeschenk der Versöhnung mit Gott durch das Lebensopfer von Jesus an. Wir bekennen uns als der Gnade Gottes bedürftig. Petrus repräsentiert in seiner anfänglichen Ablehnung einen Menschen, der sich mit religiöser Erkenntnis und guten Werken genügen lässt, aber Gottes Gnade nicht braucht. Die Basis unseres Vertrauens zu Gott ist aber nicht unser Tun oder Erkennen, sondern das Wunder seiner Gnade, die durch Jesus Christus geschehen ist.

In der Spur von Jesus gehen

Was ist das größte Hindernis für das Leben der christlichen Gemeinde? Ein Glaube, der nichts vom Dienst Jesu weiß und eine Liebe, die sich in Werken der Mitmenschlichkeit erschöpft, aber nicht bereit und fähig ist, den konkreten Nächsten anzunehmen. Dieser Mitmensch hat seine Stärken und Schwächen, aber auch seine Begrenzungen und Irrwege. Er – sie ist Konkurrentin oder auch Gegner. In Korinth, nachzulesen im 1. Korintherbrief, hat man sich in Parteien aufgespaltet und gegenseitig beobachtet, belauert; wer ist größer, wer macht es besser, wer hat mehr heiligen Geist? Es ist nicht zu bestreiten, dass wir allesamt begrenzt sind – oder besser, defizitär, aber dann lasst uns im Hinschauen auf Jesus Demut lernen. Wenn der demütig war, der doch unser „Heiland“ ist, dann sollten wir es erst recht lernen. Platzhirsch darf nur einer sein – Jesus; keiner sonst! Ich bestreite nicht, dass es manchmal harte Auseinandersetzungen gibt, geben muss. Daran, wie wir sie führen, wird sichtbar werden, ob wir zu Jesus Christus gehören. Es kann nötig sein, dass wir auf unser Recht verzichten. Es kann nötig sein, dass wir Unrecht ertragen. Nicht ohne Grund sagt der Psalmbeter; Gott, schaffe mir Recht! Schauen wir auf das Gleichnis von der Witwe und dem Richter (Lk. 18, 1ff), den es nicht interessierte, der Witwe zu ihrem Recht zu verhelfen. Gott ist ein gerechter Richter, der seinen Leuten, die anhaltend beten, Recht schafft. In der Spur Jesu gehen, darauf kommt es an. Das aber kann niemand aus eigener Kraft. Wer nicht betet, scheitert.

Ehrliche Liebe in der Gemeinde, die Jesus ihren Herrn nennt, verkündigt stärker die Botschaft des Evangeliums als Worte es können! Sie ist Zeichen für das Heil, das Gott in Jesus schenkt. Und es gilt auch das Gegenteil: Grabenkriege und Intrigen, Streit, der nicht ehrlich und liebevoll ausgetragen wird – und das bedeutet auch, dass Streitende sich entschuldigen können oder sogar Unrecht ertragen – ist das beste Mittel eine Gemeinde auszuhöhlen und geistlich zu töten.

Fang an, dich selbst und deine Nächsten im Licht der Gnade zu sehen. Im Licht der Gnade können wir die dunklen, schuldhaften Seiten unserer Lebensführung in den Blick bekommen; wir können erkennen, was es für uns selbst und unsere Mitmenschen bedeutet, wenn wir uns bestimmen lassen von Überheblichkeit, Neid, Gier, Hass, also unserer Ichbezogenheit. Gottes Gnade ermöglicht Veränderung, weil sie Umkehr und Vergebung ermöglicht.

Sei mit dir selbst und anderen barmherzig, denn Gott ist in Jesus gut zu dir. Nimm Gottes Fürsorge, Gottes Reichtum an, freue dich daran, gebrauche, was er dir an Gaben und Gütern geschenkt hat und gönne dies auch anderen. Jesus hat uns ein Beispiel der Liebe gegeben. Von Gott Begnadigte müssen nicht mehr herrschen, sie können dienen. Er sagt: „Ich gebe euch jetzt ein neues Gebot: Ihr sollt einander lieben! Genauso wie ich euch geliebt habe, sollt ihr einander lieben! An eurer Liebe zueinander werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid.“ Amen.

Winfried Klotz, Pfr. i. R., Bad König/Odenwald, Jg. 1952, verh., drei erwachsene Kinder. Theol. geprägt von Otto Michel und Hans Joachim Iwand, Mitglied Pfarrgebetsbund.

winfried.klotz@web,de

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