Johannes 16,16-23

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Johannes 16,16-23

Leidenschaft, die Freuden schafft | Jubilate | 30.04.2023 | Joh 16,16-23 | Udo Schmitt |

Jesu, geh voran auf der Lebensbahn!
Und wir wollen nicht verweilen, dir getreulich nachzueilen;
führ uns an der Hand bis ins Vaterland.

Soll’s uns hart ergehn, laß uns feste stehn
und auch in den schwersten Tagen niemals über Lasten klagen;
denn durch Trübsal hier geht der Weg zu dir.

Liebe Gemeinde!

Jubilate – Jauchzet – jubelt – seid fröhlich – Freut euch! – sing Hallelujah!
so kündigt es der Sonntag an, so trägt er es im Namen, und dann das:
die Ankündigung von Leiden und Schmerzen, von Abschied und Traurigkeit.

Also, wenn ich PR-Berater wäre oder Marketingexperte, dann würde ich sagen:
Liebe Christen, ihr macht da etwas falsch!
Ihr müsst den Leuten euer Produkt warmreden und schmackhaft machen,
ihr müsst ihnen gutaussehende und gesunde Menschen zeigen,
eine glückliche Familie in einem großen Haus mit Garten
und niedlichen Kindern und putzigen Haustieren, und dann…
dann setzt ihr euer Produkt genau in die Mitte und sagt:
Das alles kannst du auch haben, das Glück gehört dir,
wenn du unser Produkt kaufst: Los greif zu, Mann!
Knackiger Spaß im Glas für dich, dazu eine glückliche Frau, dank Rama-Margarine,
neidische Nachbarn und gutgelaunte Kinder, dank Milchschnitte.
So, oder so ähnlich, muss man’s machen, wenn man den Leuten etwas verkaufen will.
Der Spaß-Faktor muss stimmen – dann klingelt’s auch in der Kasse.

Ja, so müsste man es wohl machen. Doch wir Christen wollen nichts verkaufen.
Uns geht es nicht um den Spaß-Faktor, sondern um die Wirklichkeit und die Wahrheit.
Die Wirklichkeit ist, – dass das Leben nicht immer lustig ist.
Schon wenn wir geboren werden, geschieht das unter Schmerzen,
unter Schreien und Weinen kommen wir zur Welt.

Und das ist noch längst nicht alles.
Wenn wir heranwachsen, müssen wir noch vieles lernen.
Und was wir lernen müssen ist nicht immer schön,
und das Lernen selbst ist zuweilen ein schmerzhafter Prozess,
Versuch und Irrtum, wenn’s nicht klappt, versuch’s noch einmal,
nur aus Schaden wird man klug.

Ich kann mich noch gut erinnern, wie meine Kinder klein waren –
und ich dachte: wie gerne würde ich sie bewahren
vor Krankheiten und Zahnschmerzen,
vor Albträumen und Wachstumsschmerzen in den Knochen und Gelenken,
doch es gehört zum Leben dazu.

Wie gerne würde ich sie bewahren,
vor den Misserfolgen, Niederlagen und Versagensängsten,
vor schlechten Noten und vor bösen Menschen,
doch es gehört zum Leben dazu,
und auch Sie und ich, wir alle hier sind wohl
durch das schon hindurchgegangen – wohl oder übel.

Das ist die Wirklichkeit.
Das Leiden – ist ein Teil unseres Lebens,
auch wenn wir es gern vermeiden täten, es bleibt so wie es ist.
Und es wird auch nicht besser, wenn wir erwachsen sind.

Denn kaum haben wir uns eingerichtet,
und meinen, jetzt – jetzt könnte es so bleiben,
da sind wir unversehens und über Nacht älter geworden,
und müssen uns mit unangenehmen Dingen befassen,
mit dem Altern und dem Sterben,
müssen Menschen verabschieden, die wir kannten, die wir liebten,
und auch das gehört zum Leben dazu –
und es macht keinen Spaß.

Des Menschen Leben ist von Leiden geprägt,
nicht nur – nein – und auch nicht an jedem Tag,
und doch ist es ganz sicher, dass es vorkommt,
ohne Leiden ist unser Leben nicht zu haben.
Das ist die Wirklichkeit – ja – und doch –
das ist nicht alles.

Daneben gibt es auch noch eine Wahrheit.
Es ist die Wahrheit Gottes.
Gott setzt seine Wahrheit gegen die Wirklichkeit des Menschen,
er setzt seine Liebe gegen unser Leiden.
Wie das?

An Ostern hat er es uns vorgemacht,
dass er die Macht dazu hat,
das Leiden und das Sterben zu überwinden,
ein für alle Mal.

Nach Karfreitag kam der Ostermorgen.
Jesus war tot – und siehe doch: er lebt.
Die Frauen sahen es, die Jünger erfuhren es,
und ihr Leben ändert sich mit einem Mal und es änderte sich radikal.
Die Feiglinge und Verleugner verließen ihre Verstecke,
sie waren wie befreit und wurden
Märtyrer, Apostel, – die Verkünder der befreienden Botschaft:
Jesus lebt!

Der Tod hat nicht das letzte Wort. Er ist besiegt.
Gott hat das letzte Wort.
Seine Wahrheit ist größer als unsere Wirklichkeit.
Seine Liebe ist größer als alles Leid und alle Not,
größer als die Schmerzen, das Sterben und der Tod.

Und das ist noch nicht alles.
Denn nach Karfreitag wird Ostern kommen – in jedem Leben –
in dem der Jüngerinnen und Jünger, auch in deinem und in meinem:
Jesus lebt und auch wir werden leben.

Und diese Osterfreude, die geht tiefer als alles andere.
Sie ist der wahre Grund dafür,
dass wir überhaupt einen Sonntag Jubilate nennen können.
Es ist nicht nur weil es das Brauchtum so vorschreibt,
nicht, weil der Kalender sagt: Bitte, freuen sie sich jetzt!
Nein, wir haben wirklich Grund dazu.

Denn wir wissen,
dass Gott alles Leid und jede Träne abwischen wird.
Wir haben Grund zur Freude, und das –
trotz all der schlimmen Erfahrungen,
trotz aller tragischen Erlebnisse und all des Leids –
so unendlich groß es scheint,
Gott größer ist als all das
und er wird uns einmal all das abnehmen,
was wir jetzt noch erleben.

„An dem Tag werdet ihr mich nichts fragen“, sagte Jesus zu seinen Jüngern.
Wer nichts mehr fragt, der ist fraglos glücklich.
Noch ist es nicht so weit – noch sind wir nicht so weit.
Angesichts des Leids, das wir erleben,
wüssten wir – das eine oder andere Mal – doch ganz gerne:
Mein Gott, warum hast du das getan?
Warum hast du das geschehen lassen? – Warum nur?

Ja, wir dürfen Gott klagen, wir dürfen uns beschweren,
dürfen vor Gott bringen, was uns beschwert.
Er hört es und er sieht es, wie sehr wir leiden,
er weiß es ja schon, noch ehe wir es sagen,
sein Blick geht tief – bis an den Grund unseres Herzens.
Wir dürfen es ihm klagen, aber wenn wir ihn fragen: Warum?
Dann erhalten wir meist keine Antwort,
jedenfalls keine, die uns passt.

Einige sagen,
das Leiden, das wir hier und jetzt ertragen,
werde uns später als Verdienst angerechnet.
Doch ich glaube nicht, dass Gott so eine Krämerseele ist.

Andere sagen,
das Leiden sei notwendig,
wenn etwas Altes vergeht und etwas Neues entsteht,
dann müsse das eben so sein,
wie die Wehen, die zu einer Geburt gehören,
schmerzhaft zwar, aber notwendig eben.
Doch auch das glaube ich nicht.
Schmerzen und Leiden erleben wir, ja,
aber nicht immer sind sie notwendig, – sie wenden nicht die Not.

Was Jesus meinte, als er von einer Gebärenden sprach,
das war vielmehr das Vergessen und die neue Freude.
So lange eine Frau in den Wehen liegt,
sind die Schmerzen alles, was sie spürt,
sie erscheinen geradezu unerträglich,
und manch eine schreit in ihrer Not: Nie! – Nie wieder, will ich das erleben.

Doch ist das Kind erst einmal da,
das neue Leben in all seiner Zartheit und Herrlichkeit,
dann sind die Schmerzen bald schon vergessen,
oder jedenfalls nicht mehr so schlimm –
sie sind einfach nicht mehr so wichtig.

„An dem Tag werdet ihr mich nichts fragen“, sagte Jesus zu seinen Jüngern.
Die Wirklichkeit unseres Leidens ist mächtig.
Doch Jesus kennt unser Leiden und er hat ihm die Macht genommen.
Er hat uns nicht gesagt, warum wir leiden.
Und ob es so sein muss, und ob es überhaupt Sinn macht.
Er beantwortet nicht die Fragen.

Stattdessen hat er uns seine Liebe gezeigt,
indem auch er gelitten hat.
Er selbst ist hindurchgegangen durch Einsamkeit, Schmerzen und Tod.
Er hat es sich nicht erspart, das Leiden,
und er erspart es auch uns nicht, leider.

Aber er hat uns einen Weg gezeigt,
er hat uns die Wahrheit gezeigt und das Leben.
Er selber ist der Weg, die Wahrheit und das Leben.
Der Tod hat nicht das letzte Wort – Gottes Liebe lässt uns nicht im Stich.
Und darum haben wir Grund zur Freude.

Denn er hat es uns versprochen:
„Habt ihr nun auch Traurigkeit, so will ich euch doch wiedersehen,
und euer Herz soll sich freuen und eure Freude soll niemand von euch nehmen.“

Jesu, geh voran auf der Lebensbahn!
Und wir wollen nicht verweilen, dir getreulich nachzueilen;
führ uns an der Hand bis ins Vaterland.

Soll’s uns hart ergehn, laß uns feste stehn
und auch in den schwersten Tagen niemals über Lasten klagen;
denn durch Trübsal hier geht der Weg zu dir.

Liedvorschläge:

                  Jauchzt, alle Lande, Gott zu Ehren (EG 279) – zum Psalm

                  Bei dir, Jesu, will ich bleiben (EG 406) – zum Evangelium

                   Glauben heißt wissen, es tagt (HuE 418)

                   O herrlicher Tag, o fröhliche Zeit (EG 560)

Udo Schmitt, geb. 1968, Pfarrer der Evangelischen Kirche im Rheinland, von 2005-2017 am Niederrhein, seit 2017 im Bergischen Land.

Dorfstr. 19 – 42489 Wülfrath (Düssel)

udo.schmitt@ekir.de

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