Johannes 16,5-15

Johannes 16,5-15

Kantate | 07.05.2023 | Johannes 16,5-15 (dänische Perikopenordnung) | Laura Lundager Jensen |

Jesu Schwanengesang

Die Stunden werden so kurz.

Nichts bleibt.

Lasst es euch gut gehen, wenn ich weg bin.

Ich wünsche euch Lieder und Liebe.

Hinter mir sind missbrauchte Tage.

Vor mir etwas, was ich nicht weiß.

Ihr, die zurückbleiben werdet,

Ich wünsche euch Lieder und Liebe.

Ich reise ohne Begleitung

Und ohne Bitterkeit.

Lasst es euch gut gehen, wenn ich weg bin.

Ich wünsche euch Lieder und Liebe.

So lautet der Schwanengesang von Svante, den der dänische Dichter Benny Andersen dem schwedischen Vagabunden in den Mund legte.

Ein Abschied vom Leben – ein einsamer Abschied ins Ungewisse. Aber auch ein Abschied ohne Bitterkeit und mit guten Wünschen für die, die noch immer da sind.

Wünsche nach Liedern und Liebe.

Ich habe nachgeschlagen im Kommentar zu dem Liederbuch der dänischen Heimvolkshochschulen, und da wird empfohlen, dass man das Lied nicht zögerlich und in sich gekehrt singen soll. Es soll sich stetig nach vorn bewegen – das Tempo soll den Ernst hervorheben, so dass wir die konkrete und nüchterne Botschaft wahrnehmen: Dass der Tod existiert und dass wir vor ihm keine Angst haben sollen.

Still und ruhig, so dass selbst der mit kurzen Beinen folgen kann.

Sich die Zeit nehmen und merken, dass das Leben zwar stets seinem Ende entgegengeht, aber unterwegs sind da Freude und Sinn und Lieder und Liebe, auch für Hinterbliebene.

Und all das erfassen wir nur, wenn wir uns die Zeit dafür geben.

Natürlich wurde das Lied bei der Beerdigung von Benny Andersen gesungen – und auch wenn er wohl nicht besonders gläubig war, betonte der Pastor in seiner Predigt das zweifellos Christliche an dem Schwanengesang – denn „diese Worte hätten genauso gut von Jesus gesagt worden sein – aber nun war es also Benny Andersen, der sie gesagt hat“.

Es war nicht Jesus, der dieses Gedicht geschrieben hat – sein Schwanengesang ist das Stück aus dem Johannesevangelium, das wir eben gehört haben, aber es ist dem Sinn nach verwandt. Die Abschiedsrede an die Jünger am Gründonnerstag.

Er weiß, er muss fort, weiß, dass das nötig ist. Aber er lässt sie nicht zurück mit leeren Händen. Er schickt ihnen den Tröster – den heiligen Geist – den Geist der Liebe – er schickt ihnen Lieder und Liebe.

Hier am vierten Sonntag nach Ostern kehren wir zurück nach Gründonnerstag zur letzten Rede Jesu an seine Jünger – die letzten und vielleicht schönsten Töne vor den Worten am Kreuz am Karfreitag. Und der Abschied ist einsam – er muss allein fort, ohne Begleitung, aber das Schöne und Wichtige ist, dass die, die er hinterlässt, nicht allein zurück bleiben, sondern in einer Gemeinschaft, die jetzt eine neue Begleitung – vereint im Band der Liebe.

Eben deshalb hat man dieses Evangelium den Schwanengesang Jesu genannt. Denn das, was zwar schmerzlich ist – so ist das mit Schwanengesängen, ist auch das, was sich in Schönheit entfaltet.

Abschied wird ein neuer Beginn.

Und eben dort – in diesem Beginn vereint sich der dreieinige Gott.

Die Schönheit des Schwanengesanges hinterlässt die Jünger in einer neuen Gemeinschaft, verbunden durch den dreieinigen Gott.

Gott als der Überwinder – als der Sohn, der Mensch wurde und mit Menschen lebte und als Mensch litt und starb, um vom Tode aufzustehen und sich mit dem Schöpfer zu vereinen.

Und Gott als der Schöpfer und Vater, der sendet und vereint.

Und der Herrgott voll und ganz gegenwärtig im Tröster – dem Heiligen Geist, der uns Worte gibt zu reden, zu verstehen, Worte zu teilen und zu schweigen, Worte zu singen.

Eine Gemeinschaft fest verbunden in den Worten des Glaubensbekenntnisses – von Gott dem Schöpfer, Gott als dem Überwinder des Todes du Gott als der neuen Gegenwart.

Vater, Sohn und Heiliger Geist.

Und damit wird das Evangelium zum Wort des Glaubens, zum Bekenntnis des Glaubens.

Aber ja hier eher formuliert in einem Lobgesang statt einem Bekenntnis – vereint in einer Geschichte von dem, was Gott mit der Welt will, vereint im Dank für das Handeln Gottes in und an der Welt.

Vereint in Dankbarkeit.

Das Evangelium ist in jeder Hinsicht ein Abschiedslied – voll von Schmerz und Einsamkeit wie bei den Worten am Kreuz bis zum Äußersten gehen, dass er den Weg für uns geht.

Zugleich ist das ein Danklied für den neuen Anfang. Ein Danklied und ein Lobgesang für den dreieinigen Gott.

Ein Lobgesang von der Erzählung Gottes, dass er mit dem gang der Welt verbunden war und ist und bleibt, veränderlich mit der Veränderlichkeit der Welt, ausgeliefert wie die Welt, verletzlich wie ihre Verletzlichkeit und mächtig in seinem ewigen Sein dort, wo wir sind.

Und die Empfehlung ist, dass dieses Loblied in einem „stetigen und ruhigen Tempo gesungen wurden soll, so dass der Ernst betont wird“, nicht aber zögerlich oder in sich gekehrt – damit wir Menschen auch folgen können.

Folgen und verstehen, dass wir in die von Gott geschaffene Welt gestellt sind, wo Kämpfe rasen zwischen Gut und Böse und Leben und Tod und Sünde und Vergebung. Und eben diese Welt hat einen gnädigen Richter.

Verstehen, dass wir uns in der Folge des Heiligen Geistes Zeit nehmen können, den Weg des Lebens zu gehen, wo es zwar missbrauchte Tage gibt, die aber für Gott keine Fülle haben.

Denn durch das Kommen des Heiligen Geisteswird der Welt eine neue Gerechtigkeit geschenkt. Eine Gerechtigkeit, die Ungerechtigkeiten und selbstgemachte Gerechtigkeit verurteilt – den Eigensinn und Egotrip der Menschen verurteilt, die Kleinlichkeit und Engherzigkeit und alle Oberflächlichkeit der Menschen ablehnt.

Um dann von uns zu verlangen, in dem Jetzt zu sein, das uns Gott in jedem Augenblick im Namen der Liebe schenkt.

Alles andere ist gerichtet, denn Gott hat sein Volk besucht, die Barmherzigkeit bestätigt und die Selbstgenügsamkeit und Lebensfeindschaft verworfen.

In der Kraft des heiligen Geistes wird das Vertrauen in die Verheißung geschenkt, dass Hoffnung und Glaube sich in lebenskräftigen und dankbaren Mut in dem herzen verwandeln, das nun nicht mehr aus Stein ist – wie es in der alttestamentliche Lesung aus Hesekiel 36,26-28 heißt – sondern in Fleisch und einen neuen Geist in unserem Inneren verwandelt ist. Die Abschiedsrede ist ernst, es geht um Leben und Tod, erkannt werden und wiedererkannt werden vom Leben, aber die Freude besteht darin, dass wir da nicht alleingelassen werden, dass wir nie alleingelassen werden. Der Heilige Geist, der Geist von Pfingsten ist in uns. Und statt unbeweglicher, angstvoller Steinherzen wird wieder ein schlagender Rhythmus eingeblasen mit all den Liedern, die wir gemeinsam singen.

Das heutige Evangelium ist der Schwanengesang unseres Herrn von einem Abschied zu einem neuen Beginn.

Mit diesem Gesang bleiben wir zurück im Namen des dreieinigen Gottes – und diese Liebe umfängt uns, so dass wir jeden Morgen als neue Geschöpfe in die Welt treten können – im Gras, den Tropfen, dem Frühling, der Welt, in Gott, auch diesen Morgen, den er gerade geschaffen hat. Amen.


Pastorin Laura Lundager Jensen
Langetoften 1, Osted
DK-4320 Lejre
E-mail: luje(at)kp.dk 

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