Johannes 21,15-19

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Johannes 21,15-19

Liebenswürdig | Misericordias Domini | 1. Mai 2022 | Joh 21,15-19 | Eberhard Busch |

Auf den heutigen Tag passt der Vers des Schriftstellers Heinrich Heine: „im wunderschönen Monat Mai, / als alle Knospen sprangen, / da ist in meinem Herzen / die Liebe aufgegangen.“ Wie schön ist das gesagt! Wie gut ist es, wenn der Mai schon an seinem ersten Tag uns dazu einlädt: Liebe. eine, in der man einander sagt, wie es in der Schweiz gebräuchlich ist: „I ha di uuh gärn.“ Ich mag dich über alle Maßen. Eine Gelegenheit, bei der uns das Herz aufgeht, so, wie an den Bäumen das junge Grün grüßt und bei den Blumen die Knospen sich auftun.  „Liebe!“ stand neulich auf Plakaten als Gegen-Wort gegen die Panzer, die in der Ukraine Mord und Verwüstung anrichteten. Ja, die Liebe ist die Gegenmacht gegen die Gewalt, so wie Pflanzen durch harten Asphalt brechen.

Unser Predigttext redet auch von der Liebe und öffnet dabei weit das Fenster, so dass wir aus Jesu Mund die Frage hören: „Hast du mich lieb?“ Seine Frage ist erstaunlich, weil sie offenbar davon ausgeht, dass dies für ihn seinerseits keine offene Frage ist.  Er hat darauf schon Antwort gegeben, eine gute, eine sehr gute Antwort.  An Karfreitag hat er sie gegeben. Im selben Johannesevangelium (10,12) sagt er: „Ich bin ein guter Hirt. Ein guter Hirte, lässt sein Leben für seine Schafe.“ Und am Ostertag hat er uns das eröffnet.  Er hat es nicht von einer Bedingung abhängig gemacht. Das gilt nicht unter Vorbehalt, dass sich Petrus erst einmal von einer besseren Seite zeigen solle. Er hat schon im Voraus Ja gesagt. Er liebt ihn dermaßen, wie eine Pflanze durch harten Beton hervorsprießt. Diese Liebe gilt. Sie ist dokumentiert, in der Bibel. Im Johannesevangelium (13,1) lesen wir: „Wie er die geliebt hatte, die zu ihm gehören, so hörte er nicht auf, sie zu lieben.“

Und nun fragt er den Petrus seinerseits: „Hast du mich lieb?“ Er will sich mit ihm, mit uns verbinden. So, wie es schon beim Propheten Hosea heißt (2,19f.): „Ich will mich mit dir verloben in Ewigkeit.“ Das tönt ja wie bei einer Hochzeit, bei der der Bräutigam und die Braut gefragt werden: „Willst du sie, willst du ihn lieben und ehren, willst du ihr und willst du ihm die Treue halten, in guten wie in bösen Tagen, in Freud und Leid?“ So will der uns in Jesus zugewandte Gott unser Partner sein, will, dass wir mit ihm gehen, in der Tat in guten wie in bösen Tagen, und so sei und bleibe es, bis in unser Sterben und Begrabensein. „Geborgen selbst im Tod“ (Katharina Staritz).  Eine Scheidung kommt hier nicht in Betracht. Hier gilt es erst recht: „Was Gott zusammengefügt hat, das soll der Mensch nichtscheiden.“ In Liebe ist er uns verbunden. Und möchte gern, dass wir ihm dazu unser Ja-Wort geben. Nach dem alten Spruch: Ein Mensch wird Vater und Mutter – also sein bisheriges Milieu –  hinter sich lassen und seinem Gemahl anhangen. Auch heute ist es unter all dem Vielen die Hauptaufgabe der Christen: „den Herrn Jesus lieb haben“ (Martin Niemöller)

Sind wir dazu bereit? Wollen wir mit ihm leben? Wollen, das ist leicht gesagt – dürfen, das ist hier die Frage. Und das ist eine brennende Frage. Warum? Jesus tippt das Problem rücksichtsvoll an, sehr zart, unter einer schützenden Decke von Liebe. Sein Partner passt nämlich gar nicht zu ihm. Dreimal fragt er ihn. Hast du mich lieb? Dreimal. Das spielt an auf die elende Geschichte, in der Petrus dreimal bestritten hat, diesen Jesus auch nur zu kennen, geschweige mit ihm je etwas zu tun gehabt zu haben (Mr 14,66-72). Er ist ein Wackelkanditat. Da, wo es drauf angekommen wäre, da hat er sich weggeduckt, hat sich versteckt bei der Frage, ein Christenmensch zu sein.  Dieser sein Fehltritt ist nicht vergessen.  Aber – man höre und staune! – er ist ihm verziehen. Das Unvergessene ist eingehüllt in den Mantel einer ewig gültigen Vergebung. Jesus gibt ihm eine neue Chance, gönnt ihm einen Neuanfang, nach dem Winter einen Frühling, in dem sich die verschlossene Knospe öffnet.

Jesus nagelt ihn nicht fest auf sein Versagen von gestern. An Ostern bricht ein neuer Tag an. Und so fragt er ihn aufs Neue: „Hast du mich lieb?“ Beachten wir: Er lässt ihm und uns mit dieser Frage im Grunde keine andere Wahl. Die Wahlfreiheit ist nicht in jedem Fall eine gute Sache. Es gibt Situationen, in der alle Freiheit darin besteht, Ja zu sagen statt Nein, die Freiheit, fröhlich einzustimmen in die Entscheidung, die schon zum Glück über uns gefallen ist. Es ist ein schier unfassliches Geschenk, dass wir das dürfen. Mit der originellen jüdischen Dichterin Mascha Kaléko zu reden: “Sei klug und halte dich an Wunder!“

Hören wir genau hin: von Liebe ist hier die Rede! Und scheuen wir uns nicht, hier echt und recht an Liebe zu denken. Man kann zu Jesus auch eine andere Beziehung haben. Man kann über ihn sich seine Gedanken machen, man kann sich mit ihm auseinandersetzen, kann ihn historisch erforschen, kann seine Worte mit sonstigen Weisheiten verknüpfen. Das wird alles zu seiner Zeit einen guten Sinn haben. Aber es ist noch einmal etwas Verschiedenes: ihn zu lieben, „von ganzem Herzen und ganzer Seele und ganzem Gemüt“. Es ist noch einmal ein Anderes, in eine solche innige Beziehung zu ihm zu kommen, in der wir zu ihm flüstern: „I ha di uuh gärn“, ich mag dich über alle Maßen. Die Äbtissin Hildegard von Bingen sang vor tausend Jahren: „Lass mich. o Gott, dein Saitenspiel, der Zitherklang deiner Liebe sein.“ Und in einer Kantate von Johann Sebastian Bach traut man seinen Ohren nicht, wenn wir in einem Duett die Zwiesprache zwischen dem Bräutigam Jesus und der Seele als seiner Braut zu hören bekommen: „Komm, Schönster, komm, Schönste lass dich küssen.“

Ja, gut, und hören wir überdies nun auch den Spruch aus der Bibel: „Darin besteht die Liebe zu Gott, dass wir seine Gebote halten“ (1 Joh 5,3). Die Liebe zu ihm ist wie die zu Jesus keine Tändelei., verläuft sich nicht in egoistischen Genüssen. Sie stellt uns auf den Boden. Sie macht uns tatkräftig. Sie mündet in eine Arbeitsbeschaffungs-Maßnahme der besonderen Art. Wie es ja nun auch in unserm Predigttext sogleich aus Jesu Mund heißt: „Hüte meine Schafe!“ Wenn du mich liebst, dann wirst du ordentlich etwas zu tun bekommen. Dann mache dich an die Arbeit. Die von ihm bewegt sind, werden nicht arbeitsscheu sein. Sie haben etwas zu arbeiten und sie werden dabei fleißig sein.

Der Hüter gerät dabei auch in Auseinandersetzungen und mit seinem Stecken verhütet er, dass die Schafe nicht gerissen werden. Ein Hirte muss wachsam sein gegenüber einer Bedrohung seiner Herde. Im selben Johannesevangelium lesen wir von der Gefährdung eines ganzen Volkes durch einen Dieb und Mörder (Joh 10), durch einen üblen Aggressor, der Lust am Töten hat. Von dem russischen Dichter Alexander Solschenizyn stammt der Satz: – „Wer die Gewalt als seine Methode proklamiert, muss die Lüge zu seinem Prinzip machen“. Und wer schützt uns vor unsren eigenen Aggressionen und Halbwahrheiten? In jenem selben Zusammenhang redet das Johannesevangelium auch von einer Gefährdung durch Mietlinge. Das sind Mitlläufer, hirnlose Kopfnicker, die das Nachdenken Andern überlassen, die einem Rattenfänger nach der Pfeife tanzen. Kein Gewalthaber ohne seine Helfershelfer. Gott bewahre uns vor solchem Unfug!

Gott mache uns hingegen zu solchen, die Bedrohten Beistand gewähren, zu Hütern im Gefolge jenes guten Hirten. Zu solchen, die ihrer Aufgabe sorgfältig nachkommen. Die darin nicht so schnell müde werden. Und die sie vollziehen nicht in Konkurrenz zu Andren, sondern in Kooperation mit ihnen – so, dass die eine Hand in die andere greift. Der l. Mai ist ja auch der Tag der Arbeit, vielmehr der Arbeiterbewegung. Der Tag steht seit alters unter dem Leitwort: Solidarität. Es braucht einen Zusammenhalt, ein Zusammenstehen, um etwas bewegen zu können. Um überhaupt genug Arbeit zu haben. Und um für rechte Arbeit einen gerechten Lohn zu beziehen. Mit Recht auf Arbeit und mit Recht auf Ruhen von der Arbeit, um nicht zu sagen: ein Recht auf Faulheit. Wer das „Hüte meine Schafe“ verstanden hat, wird in Sympathie den Arbeitnehmern und –nehmerinnen zugewandt sein.

Und sagen wir auch noch dies: Es kommt darauf an – nicht nur, was wir tun, sondern auch darauf, wie wir es tun. Wer den Arbeits-Auftrag in Jesu Mund hört, im Mund dessen, der uns als der gute Hirte entgegentritt, der wird mit den Schafen anders umgehen, anders mit den Aufgaben, die ihm übergeben sind, anders mit denen, die ihm anvertraut sind. Denken wir noch einmal an den Vers, den wir zu Anfang hörten: Im Mai, „da ist in meinem Herzen / die Liebeaufgegangen.“ Nichts für Grobiane! Nichts mit der gleichen Münze heimzahlen!

Hören wir genau hin:  Jesus sagt zu Petrus: „Weide meine Schafe.“ Sie gehören Ihm, nicht dem Hüter. Der Hüter ist einer, der mit all dem ihm Anvertrauten schonend umgeht, wie mit einem Geliehenem, einer, der für das, was er tut, Rechenschaft abzulegen hat. Er geht nicht damit um, als wäre es unser Besitz, mit dem wir machen könnten, was uns in den Kram passt. Ein Hüter ist doch kein Räuber! Wie der Name besagt, geht ein Hüter behutsam mit dem um, was ihm eine Zeitlang ausgehändigt ist. Der wird eintreten für einen pfleglichen Umgang miteinander, für einen gerechten Frieden. Seit Jahrhunderten haben Christen immer wieder gebetet und Musiker haben es oftmals vertont: Dona nobis pacem, Gib uns Frieden. Ja, jeder christliche Gottesdienst endet mit der selben Bitte – mit der Bitte, die im Alten Testament steht, die auch die Bitte der Juden ist: „Der Herr segne und behüte uns … und gebe uns Frieden.“ Dazu sage ich jetzt nur noch: Amen.

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Eberhard Busch

D-37133 Friedland

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