Johannes 4,46-53

Johannes 4,46-53

21.Sonntag nach Trinitatis | 29.10.23 | Johannes 4,46-53 (dänische Perikopenordnung) | Mikkel Wold |

Von der Macht des Glaubens

Im heutigen Evangelium hören wir von einem königlichen Beamten am Hof von König Herodes. Wir wissen nichts darüber, wie er Jesus kennengelernt hat, aber wir hören, dass er hinausgeht, um Jesus anzutreffen und ihn dazu zu bringen, zu kommen und das Kind zu heilen, das zuhause krank im Bett liegt.

   Als er Jesus begegnet, erhält er zwei Reaktionen.

   Die erste Reaktion ist das Wort Jesu, dass diese Welt Zeichen und Wunder haben will. Das deutet nicht darauf hin, dass diese Worte direkt an den Beamten gerichtet sind, denn der bittet nicht um Wunder oder Zeichen, sondern um eine Heilung. Auf ihn kommen wir zurück, aber zunächst etwas über das mit Zeichen und Wundern, die Neigung, dass man seinen Glauben auf das Sichtbare beruhen lässt. Diese Tendenz hat es schon immer gegeben, denn sie liegt tief in uns, und es ist ja auch leichter zu glauben, weil man etwas Mirakulöses erlebt hat, als wenn mein Glaube nur vom Wort Gottes leben soll. Aber Jesus widerspricht diesem Glauben mit dem, was er heute sagt: „Wenn ihr nicht Zeichen und Wunder seht, so glaubt ihr nicht“. Der Vorwurf richtet sich gegen all die, die seine Worte hören, die sie aber nur annehmen wollen, wenn sie von mirakulösen Ereignissen begleitet werden. Denn wo das Evangelium verkündigt wird, da begegnen ihm die Menschen damals wie heute mehr oder weniger unter der Bedingung, dass wir etwas erfahren, was unseren Glauben bestätigt. Es ist somit damals wie heute schwer, das Evangelium und die Worte Jesu anzunehmen, ohne sich auf äußere Dinge zu stützen. Wir wollen trotz allem zunächst Sicherheit haben.

   Aber so geht es dem Beamten offenbar nicht. Er hatte den tiefsten Schmerz, den man sich vorstellen kann, nämlich dass sein Kind dem Tode nahe war. Und damit war der Mann weit entfernt von dem Thema, das Jesus aufgreift, wenn er von den Mirakeln als Grundlage des Glaubens spricht. Das Problem des Mannes ist nicht, dass er ein übernatürliches Zeichen haben möchte, das ihn darin bestärkt, dass er eventuell glauben will, sondern dass er will, dass sein Sohn gesund wird, dass er nicht sein Kind verliert. Er kommt also zu Jesus in seiner äußersten Not.

  Übrigens muss man beachten, dass Jesus ihm nicht etwas erzählt, was auch nur andeutungsweise eine Deutung nahelegt in der Richtung, dass da sicher ein Sinn darin liegt, dass gerade sein Kind erkrankt ist. Der Gedanke war damals nicht bekannt, und er ist auch heute nicht aktuell, wenn die Tragödie eintrifft. Viele denken: „Warum gerade ich?“ „Warum gerade einer unserer Lieben?“ Oder vielleicht denken wir, dass dies hier ja kommen musste, denn vielleicht sind wir die, die nur darauf warten, dass uns etwas Tragisches widerfährt. Aber nichts davon spielt ja hier eine Rolle, denn in den Evangelien ist nirgends davon die Rede, dass Jesus den Gedanken bestätigen würde, dass uns das Böse widerfährt, weil wir es verdient haben oder weil darin ein höherer Sinn liegt.

   Aber für diesen Gedanken kann man sich nicht auf Jesu Wort und Tat berufen. Jesus sagt nie, dass das ein höherer Sinn darin liegt, dass einen die Krankheit trifft. Das Reich Gottes ist keine Erklärung, es ist eine Veränderung. Das ist der Grund dafür, dass Jesus den einfachen Satz sagt: „Gehe hin, dein Sohn lebt“ Und dem folgt ein anderer Satz, der für uns von ebenso großer Bedeutung ist: „Der Mann glaubte dem Wort, das Jesus zu ihm sagte, und ging hin“. Der Mann glaubte – das heißt er vertraute auf Jesu Wort ohne irgendeinen Beweis und ohne die Andeutung irgendeiner Garantie.

   Nicht weil da nicht etwas wäre, was den Glauben schwer machen könnte. Da ist ja sowohl in der Welt Jesu als auch in unserer eigenen Zeit so viel, was es schwer macht zu glauben. Unsere Auffassung von der Welt, unser ewiger Drang nach Zeichen und Wundern, ganz zu schweigen von dem Zustand der Welt, in der wir leben. Da ist reichlich viel, was sowohl den Glauben als auch die Hoffnung bedrohen kann. Aber diese Erzählung handelt davon, dass das Reich Gottes auf die Erde gekommen ist, dass das Wort Jesu uns von uns selbst zu Gott führt, von dem Punkt, wo wir nur uns selbst überlassen sind, dorthin, wo wir Gottes Kinder sind. Dass ist der Sinn, auf den wir vertrauen sollen.

    Das sollen wir tun angesichts aller unserer Unruhe und Angst oder was uns nun auf der Seele liegen sollte. Der königliche Beamte vertraute auf das, was Jesus ihm sagte, und er machte sich auf den Weg. Und diesen Weg ist er ausschließlich mit dem Wort Jesu gegangen, bis er seinen Dienern begegnete. Vielleicht hat sich der Zweifel mit seinem Glauben vermischt, während er nachhause ging. Vielleicht war er angefochten in der Weise, dass er das ganze vielleicht übereilt fand – welchen Hintergrund hatte er, dem Wort Jesu zu glauben, warum sollte er ihm vertrauen? Vielleicht dachte er so, aber als er seinen Dienern begegnete, verstand er, dass Jesu Worte wahr sind.

Viele werden sicher fragen, wo die Wunder wie das mit dem Sohn des Beamten heute abgeblieben sind. Denn hier sind Wunder ja sehr selten, auch wenn sie hin und wieder in etwas anderer Weise geschehen als das, von dem wir heute gehört haben.

   Die Frage ist aber, ob wir uns nicht manchmal auf eine ganz bestimmte Auffassung vom Wunder festlegen. Was ist ein Wunder? Ist es dies, dass wir ohne Krankheit und Not hier durch das Leben kommen, dass uns Gott vor jedem Schmerz bewahrt? Das wird uns nirgends versprochen. Jesus konnte Menschen durch den Glauben heilen, aber für uns ist das in der Regel vergebens. Aber ein Wunder ist mehr als ein mirakulöses Geschehen wie das, von dem wir bei Johannes hören. Ein Wunder ist ein Ereignis, das etwas verändert, das uns etwas Neues eröffnet. „Siehe, ich mache alles neu“, heißt es in der Offenbarung des Johannes. Das Neue ist, das Gott mir nahekommt, dass er sich meines Lebens annimmt mit all dem, was es enthält. Und wo ich das erfahre, ist mir eine Grundlange gegeben, die mich nicht von dem Leben entfernt, in dem ich stehe, weder wenn es sich in seiner Schönheit zeigt noch in seinem Grauen. Aber das gibt mir die Zusage, dass ich weiterleben soll, weil ich in einer Beziehung stehe, von der Paulus auch spricht in der Epistel dieses Sonntags: „Seid stark in dem Herrn, …. vor allen Dingen aber ergreift den Schild des Glaubens“ (Epheser 6,10 und 16), schreibt er in einer Bildersprache, die auf Wendungen hinausläuft, die zeigen, dass Paulus jedenfalls kein zurückhaltender Mensch war. Der Mut ist nicht ein Mut, der aus mir selbst kommt, sondern aus meiner Beziehung zu Gott.

   Deshalb gehören Glaube und Hoffnung zusammen. Der Glaube ist etwas, was zum Kampf gegen die bösen Mächte ruft. Das Reich Gottes ist das, was die Veränderung der Welt bringt, nach der wir uns innerlich sehnen und die das Elend aus der Welt schafft. Für uns wird die Krankheit nicht so wie bei Jesus beseitigt. Wir sind nicht so wie er, und es geschieht nicht so oft bei uns, dass wir die Hände auf die Kranken legen und sie gesund machen. Es geschieht, denn auch in unserer Zeit geschehen Wunder, und ich kann nicht erklären, warum sie einigen widerfahren, anderen aber nicht. Auch der bzw. die Glaubende erlebt, dass er bzw. sie mit seinen bzw. ihren Wünschen um Heilung seiner bzw. ihrer Lieben zu kurz kommt. Aber damit ist nicht gesagt, dass der Glaube deshalb eine Illusion und sein Gegenstand eine menschliche Erfindung ist. Damit ist vielmehr gesagt, dass das Reich Gottes nicht bedeutet, dass diese Welt ein Paradies wird. Manchmal erleben wir Funken des Reiches Gottes auf Erden. Und wir hören davon, dass wahrlich Dinge geschehen sind wie das, von dem das heutige Evangelium erzählt. Das alles bedeutet, wo Gott gegenwärtig ist, da sind Glauben und Hoffnung.

   Vielleicht sollen wir gar nicht auf die großen mirakulösen Wunder warten. Wir sollen uns darin verfangen, dass unser Glaube abhängig wird von den Bedingungen, die wir selbst aufstellen. Jesus sagt zu uns: Vertraut auf mein Wort. Ich bin mit euch alle Tage bis an das Ende der Welt. Vielleicht bedeutet diese Gegenwart auch Heilung im physischen Sinne, vielleicht auch nicht. Aber die Gegenwart wird bedingungslos verheißen, et wird gesagt, so dass wir es glauben dürfen. Amen.

Pastor Mikkel Wold

1263 København K

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