Johannes 6,1-15

Johannes 6,1-15

Lätare | 19. März 2023 | Johannes 6,1-15 (dänische Perikopenordnung) | Eva Holmegaard Larsen |

Mehrere Wege zum Text

Die Geschichte hat einen Duft von Brot und Gras und warmer Haut. Wir sind mitten in der Fastenzeit, und fastet man nach alter Sitte, dann beginnt der Magen nun zu knurren – zugleich ist das die Sehnsucht nach Licht und Frühjahr, die sich aufdrängt.

Mitten in der Fastenzeit nun diese lebensfrohe Erzählung, wo das herrliche Brot ruhig und andächtig von Hand zu Hand geht am grasgrünen Berg, während die Abendsonne die Gesichter glühen lässt.

Das ist eine herrliche Geschichte, es geht um Vertrauen und Gemeinschaft und das Wunderbare darin, dass da fünftausend Menschen sitzen und sich das teilen, was da ist – und trotzdem bleibt etwas übrig.

Aber die Wundergeschichte von den fünf Broten und zwei Fischen, die länger ausreichten als man glauben sollte – diese Geschichte kann man so leicht heruntermachen, so dass nichts anderes übrig bleibt vor der üppigen Erzählung als ein kleiner magerer Rest.

Denn ist das nicht ein Unsinn und ein alter Aberglaube? Ist man nicht ein naiver Idiot, wenn man so etwas ernst nimmt? Und hat das alles nicht doch eine natürliche Erklärung?

Ja nun, das kann man durchaus meinen, wenn man es will. Es gibt drei Wege zum Christentum – so wie es drei Zugange zum Speisungswunder gibt. Und um in der Welt der Lebensmittel zu bleiben, so kommt es darauf an, was für einen Käse man am besten mag, den mageren, den mittleren oder den fetten Käse.

Und selbst wenn man den fettarmen Käse vorzieht, ist da im heutigen Text etwas zu finden.

Der magere Zugang

Der magere Weg besteht darin, dass man das Mysterium vollkommen entlarvt und nach einer natürlichen Erklärung sucht. Das ist ein wohlbekannter Weg. Kann man auf dem Wasser gehen? Nein, das kann man nicht. Das Wahrscheinlichste ist, dass da einige große Steine unter der Wasseroberfläche gelegen haben, auf denen Jesus gegangen ist – so dass es so aussah als ginge er auf dem Wasser.

Kann man von den Toten auferstehen? Nein, das kann man nicht. Da war wohl jemand, der die Leiche gestohlen hat, um die Geschichte vom leeren Grab erzählen zu können?

Man kann das alles zu einer mageren Weisheit machen, so dass das ganze gleichgültig wird. Aber hier in der Geschichte von den fünf Broten und zwei Fischen kann die natürliche Erklärung in der Tat ganz schön und evangelisch sein.

Denn könnte man sich nicht vorstellen, dass dies geschehen ist: In dem Augenblick wo Jesus begann, von den fünf Broten und zwei Fischen auszuteilen, da folgten alle anderen dem guten Beispiel – und die, die auch etwas zu Essen mitgebracht hatten, taten dasselbe wie Jesus und teilten, was sie mitgebracht hatten.

Man kann es durchaus vor sich sehen, dass die Leute dem guten Beispiel gefolgt sind und das, was sie mitgebracht hatten, mit denen teilten, die nichts mitgebracht hatten. Und auf diese Weise wurde an dem Tag alle fünftausend satt.

Das ist durchaus keine schlechte Pointe. Jesus zeigt durch sein eigenes Beispiel, wie man sich verhalten soll – wie man ein Mensch in der Welt sein kann, der den Nächsten liebt: Wir müssen von dem, was wir übrighaben, mit denen teilen, die nichts haben.

Gott liebt einen frohen Geber, sagt Paulus. Aber er sagt auch, dass jeder bzw. jede geben soll, wie es sein oder ihr Herz gebietet. Gott sieht nämlich nicht auf die Größe der Gabe, sondern die                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                           Freude, mit der sie gegeben wird.

Es geht also nicht darum, uns zu etwas zu zwingen. Die Gabe ist am schönsten, wenn sie in Freiheit gegeben wird. Aber dann wieder andererseits: Gott hat uns ja schon so viel gegeben, dass wir reichlich haben, um zu geben.!

Die glücklichsten Länder in der Welt sind die, die am freigiebigsten sind, sagen die Ökonomen. Und Paulus ergänzt dazu, wenn er schreibt: Wer sparsam säht, wird auch spärlich ernten, wer aber reichlich säht, wird reichlich ernten.

Das gilt überall. In unseren Ehen und Beziehungen, in der Familie, in Freundschaften, am Arbeitsplatz, in der Politik, überall.

Wer reichlich säht, erntet auch reichlich. Und Gott liebt einen frohen Geber.

Der Mittelweg

Satte Mägen sind jedoch nicht dasselbe wir satte Seelen. Nun muss da mehr gefüllt werden. Wir begeben uns auf dem mittleren Weg.

Der Mensch lebt nicht vom Brot allein – der Mensch lebt auch von Glauben, Hoffnung und Liebe.

Wir leben von Geist. Wir leben davon, dass wir seelisch aufgetankt werden. Wir leben davon, dass wir merken, miteinander verbunden zu sein, und mit einem größeren Raum um uns als dem, der wir selbst ausfüllen.

Weir empfangen Nahrung aus den Kanälen, die nicht nur nach innen in den Magen gehen, sondern hinausreichen zu anderen Herzen und hinein in das Mysterium vom großen Zusammenhang und dem, was das ganze aufrechterhält.

Essen ist auch mehr als nur essen. Denkt daran, wieviel Leben und Liebe in einer Mahlzeit liegt.

Wenn ich zu meiner alten Mutter nachhause komme und sie den ganzen Nachmittag da gestanden hat, um ein schönes Essen zuzubereiten, von dem sie weiß, dass ich es gerne mag – ja dann kann ich sehr wohl etwas ein schlechtes Gewissen bekommen. Denn ich mit den jüngeren Kräften hätte ja für sie kochen sollen.

Für meine Mutter ist die Mahlzeit, für die sie Zeit und Kräfte aufwendet – viele Stunden auf ihren alten Beinen – eine Liebeserklärung, die meine Seele mit Licht erfüllt und bekräftigt, dass ich ein geliebtes Kind bin.

So auch wenn wir beim Abendmahl Brot und Wein empfangen. Wir verbinden uns durch das Brot und den Wein mit dem Gott, der uns sein Herzblut gegeben hat. Und der in der kleinen rituellen Mahlzeit seine Liebe zu uns bestätigt – und wir als Geschwister um einen Tisch miteinander verbunden sind – versammelt als eine Familie, die weiß: Trotz aller Probleme, die wir miteinander haben, und trotz der Familiengeschichte, die nicht immer schön und warm ist, gehören wir dennoch zusammen und werden von der Liebe umfangen, die von der Quelle selbst kommt und deshalb nie erlöscht, sondern stets weiter strömt und unsere Kälte wärmt.

Der fette Weg

Gehen wir nun schließlich über zur vollfetten Begegnung mit dem Wunder. Das Wunder, wie es vor unseren Augen geschieht. Uns wird gegeben, und immer wieder gegeben – und immer wieder gereicht. Und wir empfangen immer wieder – jeden Tag.

Wir nehmen das Wunder, das das Leben selbst ist, an mit unseren Augen, der Nase und dem Mund – sehen es um uns, atmen es ein mit jedem einzigen Atemzug und schmecken es in unzähligen Nuancen, nur indem wir hier unter dem Himmel existieren.

Und ist Jesus Christus für uns Herz, Angesicht und Stimme Gottes – sichtbar und hörbar gegenwärtig unter uns, dann ist diese kleine Bewegung mit dem Brot und dem Fisch ein Zeichen für uns, dass wir damit rechnen können, dass Gott uns ständig in reichem Maße von all dem gibt, was da ist.

Dass wir geliebt sind und jeden Tag unser Leben schmecken, riechen und einatmen. Es kommt zu uns – hinein in unsere Schale.

In meinem Kelch ist Treu, die alle Morgen neu, voll eingeflossen, wie es in einem alten Lied heißt.[1]

Alle Morgen neu – voll von Gnade, ein Frühjahr mit voller Kraft unterwegs. Noch ein Tag auf dieser Erde. Das Leben ist wieder auferstanden, mit Morgenkaffee und Stunden, denen wir entgegensehen.

Eine Gnade ohne Grenzen – immer wieder. Generation nach Generation. Ganz gleich was wir tun, um alles zu zerstören. Dann zieht das Morgenrot über den Himmel, immer neu.

Gott lässt das Gras wachsen und das Brot fließen – als ein Zeichen dafür, dass dies alles da ist. Alles, was einen Menschen froh machen kann.

Nimm hin und iss. Es ist genug da. Auch genug von der Liebe, die von Gott kommt. Das vollfette Wunder schenkt uns den Glauben daran, dass für Gott von allem immer mehr da ist. Mehr Frühjahr. Neues Leben, das aus all dem erwächst, was vergeht. Leben jenseits die wir auskämpfen müssen. Mehr Vergebung, wenn wir trotzdem nicht so gut und freigiebig sind, wie wir sein sollten. Mehr Freude, wenn wir glaubten, die Freude sei vorbei.

Mehr Leben, wenn unsere Tage auf Erden eines Tages vorbei sind. Von Gott ist immer mehr zu erwarten. Das ist die vollfette, nahrhafte Botschaft in dem kleinen Esspacket des heutigen Evangeliums. Amen.


Pastorin Eva Holmegaard Larsen

Nødebovej 24, Nødebo, 3480 Fredensborg

E-mail: ehl(at)km.dk


[1] Lied von Kingo, Dänisches Gesangbuch Nr. 743, V. 2, hier zitiert nach dem Deutsch -Dänischen Kirchengesangbuch. Nr. 743.

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