Jona 3, 1-10

Home / Kasus / 2. So. n. Trinitatis / Jona 3, 1-10
Jona 3, 1-10

2. So. n.Tr. | 26.06.2022 | Jona 3,1-10 | Suse Günther |

 Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit euch allen. AMEN

Jona 3,1-10

Und Gottes Wort geschah zum zweiten Mal zu Jona:

„Mach  dich auf und geh in die Stadt Ninive und predige ihr, was ich dir sage!“

Da machte sich Jona auf und ging nach Ninive, wie Gott gesagt hatte. Ninive aber war eine große Stadt vor Gott, drei Tagesreisen groß. Und als Jona anfing, in die Stadt hineinzugehen und eine Tagesreise weit gekommen war, predigte er und sprach: ES sind noch vierzig Tage, dann wird Ninive untergehen. Da glaubten die Leute von Ninive an Gott und ließen ein Fasten ausrufen und zogen alle, Groß und Klein, den Sack zur Buße an.

Und als der König von Ninive kam, stand er auf von seinem Thron und legte seinen Purpur ab und hüllte sich in den Sack und setzte sich in die Asche und ließ ausrufen und sagen in Ninive als Befehl des Königs und seiner Gewaltigen: „Es sollen weder Mensch noch Vieh, weder Rinder noch Schafe Nahrung zu sich nehmen, und man soll sie nicht weiden, noch Wasser trinken lassen, und sie sollen sich in Sack und Asche hüllen, Mensch und Vieh, und zu Gott rufen mit Macht. Und ein jeder bekehre sich von seinem bösen Wege und vom Frevel seiner Hände. Wer weiß? Vielleicht lässt Gott es sich gereuen und wendet sich ab von seinem grimmigen Zorn, dass wir nicht verderben. Als Gott aber ihr Tun sah, wie sie sich bekehrten von ihrem bösen Wege, reute ihn das Übel, das er ihnen angekündigt hatte, und er tat es nicht.

Gott, gib uns ein Herz für Dein Wort und nun ein Wort für unser Herz. AMEN

Liebe Gemeinde!

Die Geschichte, die wir im Buch Jona lesen, ist so nicht passiert, sie ist vielmehr eine Beispielgeschichte die der Frage nach dem „Was wäre wenn“ nach geht.

Die Stadt Ninive war die Hauptstadt von Assyrien, heute würde man sie im Irak suchen müssen. Und die Assyrer überfielen im siebten Jahrhundert vor Christus, also lange vor der Entstehung des Buches Jona im dritten Jahrhundert vor Christus, ein Land nach dem anderen auf grausame Weise. Das Buch Jona geht der Frage nach: „Was würde geschehen, wenn die Geschichte sich ändern könnte. Wenn Gott selbst ein so schreckliches Kriegsvolk wie die Assyrer zur Umkehr bewegen könnte?“

Eine hypothetische Geschichte also, eine die nie so passiert ist? Da sieht man es mal wieder, was es wirklich mit Glaube und Religion auf sich hat, mögen manche von Ihnen jetzt denken: Alles ein großer Luftballon, der in sich zusammenfällt, wenn man mit einer kleinen Nadel hineinsticht.

Allerdings ist es nicht der Anspruch vieler Erzählungen im Alten Testament, eine Wirklichkeit aufzuzeigen, die exakt so passiert ist. Viele Geschichten verfolgen ein anderes Ziel: Das Ziel zu erklären, wie Gottes auf der Welt wirkt. Wie Menschen miteinander umgehen, wie Gott mit uns Menschen umgeht. Und: Wie Menschen miteinander umgehen könnten. Viele Erzählungen sind Beispielerzählungen. Ich staune immer wieder, wie genau sie uns Menschen abbilden. Wie typisch sie auch nach tausenden von  Jahren noch sind, wie sehr ich mich darin wiederfinde. Und so gesehen hat das Buch Jona einen sehr großen Wahrheitsgehalt. Ich möchte Ihnen diese Geschichte daher einmal im Zusammenhang erzählen:

Drei wichtige Handelnde gibt es im Buch Jona: Eben Jona selbst, dann Gott. Und die Leute der Stadt Ninive.

Die waren, so der biblische Bericht, ziemlich böse: „die Bosheit war über sie gekommen“, so heißt es da.

Gott beauftragt Jona, in die Stadt zu gehen und sie zur Raison zu rufen. Jona sagt zu. Und kaum ist er um die Ecke, macht er sich aus dem Staub. Einen solchen Auftrag möchte er nämlich gar nicht haben. Er hat überhaupt kein Interesse daran, diesen schrecklichen Leuten von Ninive Gottes Botschaft zu bringen. Wenn es nach ihm geht, dann sollen die doch bitte schön so schnell wie möglich von der Landkarte verschwinden.

Er versucht, eine Strecke zwischen sich und Gott zu bringen, läuft über Tharsis nach Japho und kommt dort ans Meer. Dort besteigt er ein Schiff. Denn, so mag er sich gedacht haben, mit günstigem Wind kommt man da schnell voran. Und entzieht sich Gottes Zugriff.

Da allerdings hat er Gott unterschätzt. Kaum ist Jona auf dem Schiff, kommt ein schlimmes Unwetter auf. Die Seeleute werfen alles über Bord, was nicht niet- und nagelfest ist. Jeder betet zu seinem Gott. Aber nichts hilft. Schließlich kommt der  Kapitän zu Jona und fragt ihn, wer sein Gott sei. Denn von diesem Gott hat der Kapitän nie gehört, schreibt ihm aber große Macht zu. Denn schließlich hat das Unwetter genau in dem Moment angefangen, als Jona mit dem Glauben an diesen offensichtlich gewaltigen Gott an Bord kam. Der Kapitän befiehlt Jona: „Ruf du deinen Gott zu Hilfe!“Als alles nicht hilft, losen die Seeleute. Auf wen das Los fällt, der ist schuld, so denken sie sich.

Sie hier in der Kirche können sich Ihrerseits längst auch etwas denken: Nämlich auf wen das Los fällt: Natürlich: Auf  Jona! Nun geht es so richtig rund auf dem Schiff. Alle die Angst und Aufregung landet nun bei Jona, die Seeleute können ihm gar nicht schnell genug ihre Fragen entgegenschleudern, denn immer noch tobt der Sturm:  „Wer bist Du, wo kommst Du her, was machst Du?“

Und Jona in seiner Angst will auf einmal gar nicht mehr vor Gott davon laufen. Er weiß nicht nur, dass der ihn längst eingeholt hat. Sondern er weiß sich auch gar nicht anders zu retten, als genau diesen Gott jetzt als Helfershelfer zu nennen. Und so sagt er den Seeleuten: „ich bin ein Hebräer und glaube an den Gott, der Himmel und Erde geschaffen hat“.

Nicht irgendein Feld-Wald- und Wiesengott also, von denen es damals viele gab. Sondern an den Gott schlechthin, an den, der das alles geschaffen hat.

„Was sollen wir tun, um diesen mächtigen Gott zu beruhigen“, so fragen die Seeleute nun.

Jonas Antwort kennen Sie vielleicht noch aus Kindergottesdiensttagen: „werft mich ins Meer, denn dieses Unwetter kommt wegen mir über euch“.

Gesagt getan, mit den Worten „Lass uns nicht verderben Gott“, werfen die Leute Jona ins Wasser, das sich sofort beruhigt. Und hatten nun großen Respekt vor Jonas Gott.

Der schickt Jona einen großen Fisch, von dem wird er verschluckt. Und überlebt auf diese Weise. Drei Tage und drei Nächte hat Jona nun Zeit, sein Leben zu überdenken. Drei Tage und drei Nächte in der Dunkelheit, ohne zu wissen, was geschehen wird. Da fällt einem so manches ein, was man im Leben hätte anders machen können. Jona vollzieht in dieser Zeit innerlich eine Kehrtwende. Er hat verstanden, dass er vor Gott nicht davon laufen kann. Und so macht er das Gegenteil: ER läuft zu ihm hin. Er betet. Psalmworte, die er noch im Gedächtnis hat. Eigene Worte, die ihm einfallen.

Am Ende dieser drei Tage spuckt der Fisch Jona wieder aus.

Damit geht es allerdings erst richtig los. Denn wieder gibt Gott Jona den Auftrag: Geh nach Ninive und sprich zu den Leuten, dass sie ihren bösen Weg verlassen sollen. Dieses Mal kann Jona sich nicht um die nächste Ecke drücken. Denn er weiß nicht nur, dass Gott ihn überall findet. Sondern auch dass er, Jona, Gott braucht, um im Leben zurecht zu kommen. Und so macht sich Jona auf die Reise in die Stadt, die so riesig ist, dass man, so berichtet der biblische Text, drei Tage brauchte, um sie zu durchlaufen.  Jona läuft einen Tag, stellt sich auf einen Platz und ruft den Leuten zu: „Wenn ihr euren Weg nicht ändert, dann wird Ninive in 40 Tagen untergehen. In der Geschichte  lassen sich die Menschen  von Jonas Worten wachrütteln. Auch zum König geht Jona. Und auch er befiehlt seinen Untertanen: kehrt um, macht einen neuen Anfang mit Gott. Und so geschieht hier das Wunder: Die Stadt wird gerettet!

Jetzt aber ist Jona sauer: So einfach soll das gehen? Einen neuen Anfang machen, Böses hinter sich lassen? Und schon reicht Gott die Hand und  alles ist gut, ganz gleich, was vorher war?

Jona hat nun genug von der Sache, setzt sich vor eine kleine Hütte, die er in der Stadt aufgerichtet hat. Davor hat Gott einen Rizinusbaum wachsen lassen, so dass Jona Schatten hat. Ich kann mir Jona gut vorstellen, dort im Schatten und mit dem Gedanken: „Ihr könnt mich alle mal“.

Aber wieder ist Gott mit Jona noch nicht fertig. Er schickt einen Wurm, der dem Baum die Wurzel abfrisst. Dahin ist der schöne Schatten. Und nicht genug damit: Gott schickt Ostwind und damit Hitze.

Jetzt reicht es Jona endgültig und sagt: „ich will lieber tot sein als lebendig“

Aber immer noch lässt Gott den Kontakt zu seinem Jona nicht abreißen und sagt: „Ach Jona, Du bist traurig, weil Dein Baum tot ist. Sollte ich da nicht umso mehr trauern über alle die Menschen und Tiere in der Stadt Ninive? Verstehst Du nun, warum ich sie unbedingt retten wollte“

 

So weit die alte und doch so neue Erzählung von Jona. Haben Sie sich und andere an manchen Stellen wieder entdeckt? Ja, was ist erfunden und was nicht. Was ist Geschichte und was ist Gegenwart ? Sicher kommen  uns auf Anhieb Völker in den Sinn, die andere ohne Rücksicht auf Verluste überfallen. Das assyrische Reich ist übrigens im Jahr 609 v.Chr endgültig zerstört worden.

Ja, was wird seit uralten Zeiten weiter erzählt, weil es uns betrifft? Wo können wir lernen aus diesen Berichten? Wo versuchen wir, vor Gott davon zu laufen? Wo brauchen wir drei Tage Zeit zum Nachdenken? Wo wäre es an der Zeit, umzukehren, Gott um Hilfe zu bitten, einander zu helfen und Gottes Auftrag anzunehmen? Statt vor unserer Hütte zu sitzen und zuzusehen, Ungeziefer und Hitze den Baum verdorren lassen?

Welche Psalmworte erinnern wir und welche eigenen Worte fallen uns ein, um Gott um Hilfe zu bitten? Trauen wir ihm, der Himmel und Erde geschaffen hat, auch zu, dass er sie erhält indem er uns immer wieder neu zur Umkehr ruft?

Vielleicht geht es Ihnen wie mir, diese Erzählung stimmt  nicht nur nachdenklich. Sondern zeigt auch neue Wege auf. Wege mit einem Gott, der uns nicht aufgeben möchte, sondern der auf uns wartet.

Vielleicht sollten auch wir unsere Geschichte einmal so schreiben: Was wäre möglich, wenn wir diese Hand ergreifen würden?

AMEN

Suse Günther, Pfarrerin Zweibrücken

de_DEDeutsch