Lukas 14, 25-36

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Lukas 14, 25-36

 2. So. n. Trinitatis | 26.06.22 | Lk 14,25-36 | Preben Kræn Christensen |

Lasst mich das sogleich klarmachen: Dies hier ist keine unchristliche Drohung, dass wir so behandelt werden, wie wir es verdient haben. Dies ist vielmehr eine Verheißung der Gnade Gottes, die wir nicht verdient haben. Dies ist also kein Schlag ins Gesicht, sondern eine offene Hand, die uns annimmt. Was erzählt uns der Herr denn heute, können wir hören, was gemeint ist? Es muss ja einen Sinn haben, dass Gott uns all das gegeben hat, Vater, Mutter, Ehemann, Ehefrau, Kinder, Brüder und Schwestern – und dann hinzufügt, dass wir sie hassen sollen. Ja nicht nur die … auch uns selbst sollen wir hassen, um einer von den Seinen zu sein. Ja, wir können sehr wohl nach dem Sinn fragen, aber die Sache ist die, dass es Gott ist und bleibt und nicht ich, der etwas meint – dass es Gott ist, der glaubt, und nicht ich. Das ist der Sinn.

Der Sinn Gottes ist das Evangelium und nach dem Verständnis der Evangelien wird stets nur auf den Weg des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe verwiesen – das hören die Ohren, die hören können – auch wenn wir das heutige Evangelium hören.

Um dies hören zu können – um dies glauben zu können, muss man die Hilfe Gottes erfahren, der dich unter Millionen im Mutterleib erwählt hat. Das ist über allem Verstand, wenn man hört, dass diese umfassende Liebe uns gilt, ohne dass man das Gericht Gottes über uns erfährt. Dieser Hass, um den er bittet, liefert alle dem Gericht aus – denn wir können nicht danach leben – hoffentlich! Niemand entgeht so dem Gericht jeden Tag, wenn wir zugleich an seine Gnade glauben sollen. Die Gnade, die Barmherzigkeit, die Vergebung gehören zusammen mit dem Gericht.  – und dies macht Gnade zur Gnade! Und dies bekommst du umsonst – das ist zugleich das Schwere und das Leichte im Christentum.

Die großen alten holländischen Maler hatten einen Sinn dafür, das sieht man deutlich an ihren Gemälden – in denen stellen sie selten Menschen dar, die schön sind im üblichen Sinn. Es handelt sich nicht um Menschen mit feinen, regelmäßigen, harmonischen Zügen, weder bei Rembrandt im 17. Jahrhundert noch bei Van Gogh im 19. Jahrhundert. Keiner von ihnen will wirklich schöne Menschen malen. Ganz im Gegenteil, könnte man fast sagen. Das liegt nicht daran, wie man vielleicht versucht sein könnte zu glauben, dass Holländer nicht schön sind. Die Sache ist eine ganz andere. Mit ihren Bildern protestierten sie gegen die Verherrlichung von Menschen und ihrer Entwicklung. Es ist als wollten sie uns sagen, dass die Größe der göttlichen Gnade uns dort begegnet, wo wir sind. Dort wo wir gefangensind in einer Falle unserer Kindheit, unserer Jugend unserer reifen Zeit – mit unseren Lüsten und Lastern und gefährlichen Leidenschaften, dort wo wir nicht mehr selbst etwas tun können – das sind die Bilder, die sie malen. Es ist als wollten sie sagen: Verschone uns vor den himmelwärts gerichteten Augen und den seligen Blicken! Was sollen wir damit? Nicht die sind es, die uns zeigen, dass Gottes Barmherzigkeit eine lebendige Wirklichkeit ist. Diese Barmherzigkeit zeigt sich nicht in rührenden Zügen in einem Portrait. Die Barmherzigkeit findet sich im gefallenen – in dem etwas selbstbewusstem, vielleicht etwas wehen, vielleicht stolzen oder vielleicht ängstlichem Menschen.

Es gibt im dänischen Fernsehen eine Reklame einer Kosmetikfirma, und die Botschaft in ihr lautet: Weil ich das verdiene! Es ist ja schön und gut, etwas aus sich zu machen – das dient der Verschönerung der Umgebung – aber Gott gegenüber können wir uns nicht schmücken, uns verdient machen – tut man dies dennoch, entfernt man sich nur von der Barmherzigkeit, die herabgestiegen ist zu uns.

So war es auch, als diese Maler ein Menschenportrait malten. Ganz unmittelbar und ohne Ausschmückung schilderten sie etwas, was fern von Gott war, fern vom Himmel und seinem Glanz, das ist wahr. Zugespitzt gesagt war es so als sähe man das Verbrecheralbum der Polizei neben den Engeln Rafaels.

Das Urteil, das der Pinsel des Malers einfängt und das sogleich fällt, wenn der der Pinsel die Leinwand verlassen hat – schließt es dann die Gnade Gottes aus? Keineswegs!  Denn die gerichteten scharf charakterisierten Menschenwesen, die fern von Gott sind, sind der Barmherzigkeit nahe. Sie ist bei ihnen. Und wer bedarf eigentlich der Barmherzigkeit? Engel oder Gerichtete? Das tun die letzteren, die ersten nicht!

Jesus ist nicht zu den Gerechten gekommen – dann wäre er recht allein geblieben – sondern zu Sündern. Und sollte jemand im Zweifel sein – dies sind wir. Und deshalb feiern wir Gottesdienst. Für den, der Ohren hat zu hören, ist das deshalb eine Befreiung, diese Worte zu hören.

Es fällt uns schwer zu verstehen, dass sich Gericht und Gnade vereinbaren lassen, weil wir von der Gerechtigkeit aus denken. Ein gutes und aktuelles Beispiel finden wir, wenn es um die Plätze in der Nationalmannschaft beim Fußball für die nächste Weltmeisterschaft geht. Hier wird gut und gründlich um die Plätze gekämpft. Alle Spieler müssen sich gefallen lassen, beurteilt zu werden, ehe es eigentlich losgeht. Und wird man als zu leicht gewogen, dann ist man nicht mehr mit von der Partie. Dann findet man keine Gnade beim Landestrainer – er fällt das Urteil, und man ist draußen. So lässt man die Gerechtigkeit walten.

Eben dieselben Worte Gericht und Gnade benutzen wir, wenn wir von unserem Verhältnis zu Gott reden. Aber der Unterschied ist deutlich – Gott gegenüber gibt es keine Gerechtigkeit – und die Gnade Gottes wird denen zuteil, die ihrer bedürfen, und das tun die, die unter dem Gericht stehen und ihm nicht entkommen können. Unter dem Gericht steht der, der nicht Vater und Mutter, Ehefrau und Ehemann, Brüder und Schwestern und sich selbst hassen kann. Wir müssen eingestehen, dass Unvermögen zum Leben gehört – Ohnmacht ist ein Teil des Lebens. Wir sind für das, was wir sollen, nicht gut genug gerüstet. Wir sind ganz einfach nicht imstande, Jesus nachzufolgen. Das bedeutet dann aber, dass wir nicht nach seiner Gnade, seinem Heil oder seiner Liebe zu streben brauchen. Wir sind nie imstande, das Kreuz Jesu zu tragen – deshalb hat er es selbst getragen. Das will unser Herr mit diesen scharfen Worten deutlich machen.

Aber – um nun im Bilde zu bleiben – unter dem Portrait hat der Maler seinen Namen, seine Signatur angebracht, m.a.W. er steht zu seinem Werk. So hat Gott seine Signatur unter dem Portrait – unter deinem Leben – angebracht. Er kennt jeden Millimeter in diesem Bild. Er hat dich durchschaut, aber dennoch steht da sein Name. Er steht zu seinem Bild.

Es ist fast unmöglich sich vorzustellen, dass Liebe gratis ist. Aber der Trost Gottes ist dies: Wenn du nicht gut genug bist, dann brauchst du es nicht zu sein – du brauchst nicht so zu tun, als wärest du es. Du bist dennoch geliebt – du bist geliebt, auch wenn du durchschaut bist als der, der nicht alle diese Gesetze und Gebote erfüllen kann. Dir ist vergeben – deine Sünden sind dir vergeben. Das ist zugleich Gericht und Gnade Gottes.

Und das höre der, der Ohren hat zu hören. Amen.

Propst Preben Kræn Christensen
DK-6710 Esbjerg V
E-Mail: pkch(at)km.dk

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