Kolosser 2,3+9+10

Kolosser 2,3+9+10

Was für Geschenke zu Weihnachten!! | Christfest I | 25.12.2022 | Kol 2,3+9+10 | Andreas Pawlas |

In Christus liegen verborgen alle Schätze der Weis­heit und der Erkenntnis. … Denn in ihm wohnt die gan­ze Fülle der Gottheit leibhaftig, und ihr seid erfüllt durch ihn, der das Haupt aller Mächte und Gewalten ist.

Liebe Gemeinde!

Vermutlich können sich die Meisten unter uns Weihnachten nur mit einer Fülle von Geschenken vorstellen. Ja, so muss doch Weihnachten sein! Eben mit diesem wohligen Gefühl, reich beschenkt worden zu sein! Und so war es doch schon immer. Denken wir allein an die Hirten auf dem Felde: Seit alters wird davon berichtet, dass sie ganz selbstverständlich zur Anbetung des neugeborenen Kindes in der Krippe Geschenke mitgebracht hatten. Und schauen wir genauso auf die drei Weisen, also die Hl. Drei Könige aus dem Morgenland: was haben die dann alles für kostbare Schätze mitgebracht! Aus ihren Schatzkammern und Schatztruhen reiche und prächtige Gaben, um das neugeborene Kind zu beschenken. Weihnachten, Geschenke, Schätze, die gehören offenbar zusammen.

Und natürlich haben wir doch auch geschenkt. Ja, wir haben uns viel Mühe gemacht mit dem Schenken. Wir haben keine Gedanken und keine Kosten gescheut, um richtig und gut zu schenken, richtige Schätze unseren „Schätzen“, also schönste Geschenke für unseren Lieben. Denn Weihnachten wollen wir es doch reich, schön und behaglich haben.

Was wir jetzt aber zum ersten Weihnachtsfeiertag aus diesem Gotteswort, über die Schätze hören, muss uns überraschen. Denn da bekommen wir keinen Tipp, wie wir es bei der großartigen Bescherung noch besser oder noch schöner hätten machen können, oder wie wir noch einfühlsamer oder herzlicher hätten schenken können, um so vielleicht manchen Schmerz und manche Enttäuschung zu vermeiden. Nein, unser Gotteswort befasst sich mit ganz anderen Schätzen, nämlich mit den Schätzen, die heute für einen jeden von uns von Gott her am Weihnachtstag bestimmt sind.

Aber bitte jetzt kein Irrtum. Da draußen vor der Kirchentür da wartet jetzt nicht der Paketzusteller auf uns, um uns etwa noch eine extra Überraschung zu bringen. – Ja, natürlich hätte das ja schon was. – Aber das, wovon das Gotteswort redet, ist bestimmt letztlich noch schöner und noch großartiger. Wieso? Weil doch dieses Geschenk, dieser Schatz, der uns heute anvertraut wird, einfach mehr ist als etwa das lang ersehnte i-Phone, oder mehr als das so sehr erwünschte Parfum, oder mehr als das kostbare Tuch.

Warum dieser Schatz mehr sein sollte? Doch weil i-Phone, Parfum oder Tuch zwar sehr nett sind, aber auf jeden Fall – vergänglich und darum gar so bald gestört, verbraucht oder zerschlissen. Und dann ist das alles nichts mehr wert. Darum: das kostbare und prachtvolle Geschenk, das jetzt am ersten Weihnachtsfeiertag für uns bestimmt ist, das ist etwas Wunderbares, weil es einfach unvergänglich, weil es einfach ewig ist. Denn das kostbare und prachtvolle Geschenk, das jetzt auf uns wartet, das sind eben alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis.

„Ach soooo!“ so sagt jetzt vielleicht bedauernd der eine oder andere unter uns und will ein solches Geschenk und solche Schätze gar nicht so richtig an sich heranlassen. Übrigens vielleicht mit diesem gewissen nörgelig enttäuschten Gesichtsausdruck, wie wir ihn von unseren Kindern kennen, wenn sie von der an sich ganz lieben Erbtante nicht das jetzt und hier ersehnten Handy, sondern nur so etwas fernes und fremdes wie ein Aktiendepot geschenkt bekommen haben.

Aber wir sind ja alle keine Kinder, und deshalb haben wir noch andere Gründe, diesem Geschenk und diesen Schätzen der Weisheit und der Erkenntnis gegenüber einen gewissen Vorbehalt zu haben. Denn keiner unter uns mag ja bestreiten, dass es diesen kostbaren Schatz gibt. Doch, doch, das wissen wir oder das ahnen wir zumindest.

Aber genauso gut wissen wir – und das brauchen wir schon gar nicht mehr zu ahnen -, dass sich in unserem alltäglichen Leben alle Weisheit und Erkenntnis überall anders versammelt hat als in der Szene der Heiligen Nacht im Stall von Bethlehem, und vor allem überall anders als bei uns und in unserem Alltag. Denn das wissen wir doch, dass sich heutzutage alle unsere Weisheit und Erkenntnis konzentriert hat etwa in den Universitäten, oder in den Meinungsforschungsinstituten, oder in den Ministerien, oder etwa in den Chef-Etagen unserer Gesellschaft und unserer Politik – allerdings eben meist nicht bei uns, nicht bei Dir und mir. Ja, das wissen wir ziemlich genau. Und das tut manchmal ziemlich weh, Es tut manchmal ziemlich weh, dabei zu merken, dass man selbst in dem ganzen sensationellen Weltgeschehen, eigentlich keine Rolle spielt und nur ein Nichts und ein Niemand ist, der nur nach der Pfeife von anderen zu tanzen hat. Aber was hilfts, so ist das nun einmal auf dieser Welt: die Weisheit und Erkenntnis, die haben eben die anderen – und sie haben übrigens auch dabei und damit die Macht!

Jedoch verwirrenderweise soll nun das, um das es hier in unserem Gotteswort geht, mehr sein als alle Mächte und Gewalten. Aber bitte, ein solches Geschenk wollte uns Gott zu Weihnachten tatsächlichzukommen lassen? Das wäre doch wirklich unglaublich! Für uns kleine Leute tatsächlich solche unermesslichen Schätze der Weisheit und der Erkenntnis? Aber um Himmels willen, wie sollte das denn gehen? Aber um Himmels willen, wie sollte er das denn machen? Jedoch die schlichte Antwort der Weihnacht ist: Unser Gott schenkt uns zur Weihnacht alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis, indem er Christus als kleines hilfloses Kind in der Krippe zu Bethlehem für uns zur Welt kommen lässt, genau für Dich und für mich.

Aber das wäre ja wirklich unglaublich einfach! Und darüber würden wir uns doch dann sofort tausend Gedanken machen und hin und her überlegen. Aber halt! Genauso geht es eben nicht! Genau das ist jetzt das Falsche! Lasst uns jetzt nicht alles verkehren! Sondern lasst uns doch einmal darauf einlassen, noch einmal und jetzt mit anderen Augen auf das Kind in der Krippe zu Bethlehem zu schauen, und von ihm die Stillung aller unserer Sehnsucht, die Heilung aller unserer Verletzung erwarten. Lasst uns doch einmal beinahe so, wie sich die heiligen drei Könige mit ihren Schätzen vor dem neugeborenen Kind ausgebreitet haben, uns bei ihm mit ganzer Seele einfinden. Und lasst uns dann doch, weil wir als normale Leute keine großartigen Schätze mitzubringen haben, alles das, was da in uns ist an Sehnsucht, Verletzung und Schuldvor ihm ausbreiten.

Jetzt sagst Du: Das gehört sich nicht? Das dürfen wir nicht? Doch! Denn genau dazu ist Christus in die Welt gekommen. Und das ist eine ungeahnte Weisheit und Erkenntnis. In ihm will uns Gott beschenken und verwanden. Denn wenn unsere Seele jetzt wirklich still sein kann, und darüber zu staunen beginnt, dass Gott uns als Kind in der Krippe so nahe kommt, will sich uns dabei nicht das Herz umdrehen? Ja, unser Herz dreht sich um. Unser Gefühl dreht sich um. Unser Denken dreht sich um. Denn wir sind es doch gewohnt, dass zu Weisheit und Erkenntnis selbstverständlich Macht gehört. Und üblicherweise will doch jedermann die Erkenntnisse und Erfindungen, die er gewonnen hat, sofort für bares Geld verkaufen oder selbst vermarkten oder auch nur für sein berufliches und familiäres Fortkommen ausnutzen. So will üblicherweise doch jedermann mit den Erkenntnissen und Erfindungen, die er erreicht hat, versuchen, Macht und Einfluss zu gewinnen, um groß und angesehen zu werden, so dass alle ihn fürchten oder zumindest erheblich respektieren.

Aber wie völlig anders ist es mit diesem Schatz, der uns zur Weihnacht geschenkt wird. Denn das Kind in der Krippe, in dem die ganze Fülle der Gottheit mit ihrer Weisheit und der Erkenntnis leibhaftig wohnt, dieses Kind ist eben hilflos und machtlos. Und wenn das Kind groß und ausgewachsen sein wird, dann wird es seinen Weg an das Kreuz gehen und dort grausam hingerichtet werden. Ja, deshalb haben viele der mittelalterlichen Maler bereits ein Kreuz in die Krippe zu Bethlehem gemalt.

Aber wie kann denn nun dieses Kind Haupt aller Mächte und Gewalten sein? Das geht doch gar nicht! Doch, das ist so. Aber es ist verborgen und ist ein Geheimnis. Ja, es ist auf den ersten Blick nicht zu erkennen, dass in dem Kind in der Krippe alle Weisheit und der Erkenntnis alle Macht und Gewalt verborgen ist. Denn andere Mächte und Gewalten präsentieren sich da viel augenfälliger etwa mit protzigen Verwaltungsgebäuden, starken Armeen oder dicken Aktienpaketen. Andere Mächte und Gewalten demonstrieren da viel eindrucksvoller, etwa was wirtschaftliche Kraft bedeutet und welcher unsagbarer Reichtum daraus quillt.

Allerdings, und das haben wir schon so manches Mal sehen können: wie häufig ist eine solche augenfällige Macht letztlich ganz gefährdet und zerbrechlich. Und vielleicht erschrecken wir dann doppelt, wenn in Pandemien oder Kriegen Machtsymbole zusammenstürzen. Und wir fühlen umso eindringlicher mit den Opfern mit. Und mit einem Male kann man unter den Menschen entdecken und förmlich nachmessen, wie sehr dann die Sehnsucht nach unzerstörbaren Werten, nach unverlierbarem Guten ansteigt und anwächst.

Und genau das weist auf den verborgenen Schatz der Weisheit und Erkenntnis. Genau das weist uns auf eine ganz andere Logik des Lebens, die uns im Kind in der Krippe geschenkt wird. Genau hier findet sich ein Schatz, der nicht zerfällt, sondern immer mehr und immer größer wird, je mehr ich darauf einlasse, über dieses Geschenk zu staunen. Ja, das hilflose Kind in der Krippe gewinnt in Gottes Namen immer größere Macht über mich, je mehr ich mich ihm öffne. Je mehr ich darüber nachsinne, dass Gott Mensch geworden ist, hilflos, klein, liebebedürftig, um mich wirklich zu erlösen und zu führen – durch Leben und Tod bis in seine gute Hand. Je mehr ich darüber nachsinne, wie mein Leben auf diese Weise Sinn und Ziel gewinnt, desto mehr ergreift mich seine Liebe und verändert mich, tröstet mich und erfüllt mich.

Ja, das ist die eigentliche Macht und Gewalt, die eigentliche Weisheit und Erkenntnis, auf die ich mich tatsächlich unzerstörbar in meinem eigenen Leben und Sterben verlassen kann, und überhaupt im Leben und Sterben dieser ganzen so zerbrechlichen Welt. Ja, genau um diese welterschütternde Weisheit und Erkenntnis geht es zur Weihnacht. Genau das bedeutet es, wenn der Engel sagt: „Euch ist heute der Heiland geboren“! Und genau darum singen und loben die Engel und die Menge der himmlischen Heerscharen zur Weihnacht Gott über das neugeborene göttliche Kind.

Wenn wir auch nur ein ganz wenig fühlen können, was das für ein wunderbarer Schatz, was für ein wunderbares Geschenk für uns alle und für einen jeden von uns das ist, können wir dann überhaupt noch anders, als genauso einzustimmen in diesen Gesang der Engel, der dann hier und heute beginnen will und bis in alle Ewigkeit reicht? Amen.


Pastor i. R. Prof. Dr. Andreas Pawlas

Eichenweg 24         

25365 Kl. Offenseth-Sparrieshoop

Andreas.Pawlas@web.de

de_DEDeutsch