Lukas 11,5-13

Lukas 11,5-13

Dreiklang | Rogate | 22.05.2022 | Lk 11, 5-13 | Elisabeth Tobaben |

Und Jesus sprach zu ihnen: Wenn jemand unter euch einen Freund hat und ginge zu ihm um Mitternacht und spräche zu ihm: Lieber Freund, leih mir drei Brote; denn mein Freund ist zu mir gekommen auf der Reise, und ich habe nichts, was ich ihm vorsetzen kann, und der drinnen würde antworten und sprechen: Mach mir keine Unruhe! Die Tür ist schon zugeschlossen und meine Kinder und ich liegen schon zu Bett; ich kann nicht aufstehen und dir etwas geben. Ich sage euch: Und wenn er schon nicht aufsteht und ihm etwas gibt, weil er sein Freund ist, dann wird er doch wegen seines unverschämten Drängens aufstehen und ihm geben, soviel er bedarf. Und ich sage euch auch: Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan. Denn wer da bittet, der empfängt; und wer da sucht, der findet; und wer da anklopft, dem wird aufgetan. Wo ist unter euch ein Vater, der seinem Sohn, wenn der ihn um einen Fisch bittet, eine Schlange für den Fisch biete? Oder der ihm, wenn er um ein Ei bittet, einen Skorpion dafür biete? Wenn nun ihr, die ihr böse seid, euren Kindern gute Gaben geben könnt, wie viel mehr wird der Vater im Himmel den Heiligen Geist geben denen, die ihn bitten! (basisbibel)

Liebe Gemeinde!

Gut, dass der Telefon-Joker Bescheid wusste, sonst wäre das schiefgegangen für die Kandidatin bei „Wer wird Millionär“.

Zugegeben: die Aufgabe war ziemlich knifflig, es war glaube ich auch schon die 125.000 –Euro – Frage, und Günter Jauch wollte von ihr eine Erklärung haben für den Begriff: „Quasimodogeniti“.

Fast wäre sie wie gesagt gestolpert über „wie die neugeborenen Kindlein“.

Die einzelnen Namen der Sonntage im österlichen Festkreis, also zwischen dem Osterfest und Pfingsten, klingen auch schwierig für jemanden, der sich da nicht so auskennt, aber wenn man sie einmal nebeneinanderlegt, hört sich das fast an, wie ein Programm.

Die Namen zeichnen nämlich einfach den Weg der nachösterlichen Gemeinde nach: 

die in der Osternacht frisch Getauften erleben Christus als den guten Hirten (1. Sonntag nach Ostern, „Misericordias Domini“). Und sie werden dann in dem Dreiklang aufgefordert: Jubilate – Kantate – Rogate: Jubelt, singt und betet!

An jedem dieser Sonntage geht es im Grunde um die Beziehung zu Gott, jeweils mit einem etwas anderen Schwerpunkt.

Denn wie das bei einem Dreiklang so ist, mal kann man den einen Ton nach oben setzen, mal den anderen, und schon wirkt der Zusammenklang völlig anders.

Heute nun also der Schwerpunkt: Rogate! Betet!

Jetzt könnte man erwarten, dass an solch einem Sonntag eine theologische Abhandlung über das Gebet auf dem Programm stünde.

Oder noch besser eine Anleitung: Wie macht man das mit dem Beten, vielleicht auch noch möglichst Erfolg versprechend oder nach dem beliebten Muster: „Beten leicht gemacht“?

Stattdessen erzählt das Lukasevangelium Geschichten zum Thema.

Ob und wie ich mit einem Menschen rede oder auf ihn höre, das hat ganz viel mit der Beziehung zu tun, in der wir zueinanderstehen, sagen diese Geschichten. 

Das ist bei Gott nicht anders.

Lukas schreibt übrigens für Menschen, die nicht aus der jüdischen Gemeinde kommen, also auch nicht dieselben Erfahrungen mitbringen mit dem Beten, nicht dieselben kennen, die sie zusammen sprechen oder singen konnten wie die Psalmen etwa.

Der Text, der so auch nur bei Lukas überliefert ist, enthält ganz grundsätzlichen Anfragen, nicht anders als die, die heutige von Menschen auch gestellt werden könnten:

„Beten? Was soll denn das überhaupt? Wozu soll ich denn beten?“, fragen ja viele, wenn sie nicht gar sagen, dass sie das Thema überhaupt für sich schon abgehakt hätten. 

„Lohnt sich das, hört mich denn einer „da oben“?

Und vor allem: „Was hab‘ ich denn davon? Bekomme ich das, worum ich bitte?

Und wenn nicht, ist es dann nicht ganz zwecklos?“

Ein Grundschullehrer erzählte einmal, dass er in mit seiner 2. Klasse über das Beten gesprochen habe. 

Und weil er wissen wollte, ob die Kinder irgendwelche Voraussetzungen oder Kenntnisse mitbrächten für dieses Thema, fragte er sie: „Wie ist das denn bei euch zu Hause? Erzählt doch mal, betet ihr da auch, vorm Schlafengehen oder vor dem Essen vielleicht?“

Und ein Mädchen sagt ganz eifrig: „Ja klar, ich bete immer morgens, wenn ich zur Schule muss, dass ich auch heil ankomme, weil ich da über diese breite Straße muss mit dem vielen Verkehr.“

Und dann fragt der Lehrer einen Jungen, der bislang etwas schweigsam gewesen war: „Und du, wie ist das bei dir, betest du auch manchmal?“

Und der Kleine sagte: „Nö, eigentlich nicht. Ich geh ja auch immer durch die Unterführung!“

Ganz unfreiwillig hat das Kind da eine weit verbreitete typische Einstellung wiedergegeben.

Beten, denken viele Menschen, fängt da an, wo ich selber aus eigener Kraft nichts (mehr) machen kann. 

Das ist dann gebündelt in so einem Satz, den wir in schweren Augenblicken manchmal sagen: „Da hilft jetzt nur noch Beten…“

Aber solange es irgendwie geht, nehme ich lieber alles selbst in die Hand!

Mit dem Erfolg, dass sich diese Grenze möglicherweise immer weiter hinausschiebt, von der ab ich Beten für nötig halte. Denn je mehr ich erreiche, je mehr ich weiß und kann, Kräfte und Fähigkeiten entwickle, desto weniger glaube ich, Hilfe und Unterstützung zu brauchen, durch das Beten oder auch sonst. 

Und dann kommt leicht die weit verbreitete Meinung dabei heraus: Beten ist was für kleine Kinder und alte Leute, und vielleicht noch für solche, die mit sich und der Welt nicht zurechtkommen und mit dem Leben nicht fertig werden. Die mögen es ja nötig haben.

Die Beziehung zu anderen Menschen ist oft ein guter Spiegel für unsere Beziehung zu Gott, so sieht das Lukas. 

Stellen Sie sich doch bitte mal einen Moment lang vor, Sie würden auch mit den Menschen, mit denen Sie täglich zu tun haben, mit der Familie, mit Freundinnen und Freunden, Kollegen und Kolleginnen auch nur dann reden, wenn Sie was von denen wollen oder wenn Sie alleine nicht mehr klarkommen! 

Schon allein die Vorstellung ist absurd, kein Mensch würden darauf kommen! Und falls doch, müsste man eine ernsthafte psychische Störung vermuten. Wo wir ein solches Verhalten bei jemand bemerken, würden uns sofort auffallen, dass da irgendwie was ganz grundlegend nicht in Ordnung sein muss in dieser Familie oder diesem Betrieb oder Team.

Natürlich ist es wichtig für ein Gespräch, sich mitzuteilen, den /die anderen teilnehmen zu lassen an dem, was einen bewegt und beschäftigt. 

Es ist wichtig, sich auszutauschen, Fragen zu stellen, gegenseitiges Interesse zu bekunden.,

Und: natürlich auch zuzuhören!

Wieso sollte das ausgerechnet bei Gott anders sein?

Natürlich gehört auch zum Gespräch mit Gott das Hören dazu. Hören auf das, was Gott uns zu sagen hat. Wie kann das gelingen, auf Gott zu hören? 

„Stellt euch vor, ihr habt einen Freund…“ erzählt Lukas. Das gehört sicher zu den wichtigsten Eigenschaften der Freundschaft, dass man sich auf diesen Freund verlassen kann. 

So wie in dieser Geschichte:

Mitten in der Nacht macht sich da einer auf den Weg.  Ihm sind die Vorräte ausgegangen, er kann das absolut heilige Gebot der orientalischen Gastfreundschaft nicht erfüllen, einen plötzlich angekommenen Gast nicht bewirten.

Das war damals sehr viel schlimmer, als es sich vermutlich in unseren nordeuropäischen Ohren des 21. Jahrhunderts anhört. Heute ist zumindest in den Großstädten oder den Tourismusgebieten die praktische Lösung ganz einfach: Irgendwo hat immer ein Geschäft geöffnet, oder man taut halt was auf, oder es gibt eben nichts.

Das ist in dieser Geschichte, und im übrigen in orientalischen Ländern, bis heute schlicht völlig undenkbar! Das geht gar nicht!

Mitten in der Nacht steht also einer vor dem Haus seines Freundes. Vielleicht hat der ja noch was an Lebensmitteln da? Die ganze Geschichte läuft im Grunde eine einzige große Frage hinaus: Wie wird sich dieser Freund verhalten? Und eigentlich steht die Antwort schon von vornherein an fest: Er wird helfen, weil sein Freund diese Hilfe braucht!

So wie Lukas Jesus diese Geschichte erzählen lässt, musste das jedem sofort einleuchten. 

Und das, obwohl das für diesen Freund mit einigen Schwierigkeiten verbunden ist. 

Man muss sich ein damaliges orientalisches Haus vorstellen. Zur Straße gibt es nur eine Tür, die in der Regel mit einem schweren Balken verriegelt ist. 

Die Tür öffnen – das macht natürlich einen Heidenlärm. Und das Haus besteht nur aus einem Raum, in dem die ganze Familie schläft. Wenn jemand mitten in der Nacht die Tür aufwuchtet, werden alle wach, die Frauen regen sich auf, die Kinder kriegen Angst und das Baby schreit … 

Trotzdem: Dieser Freund wird helfen, ganz einfach, weil er sein Freund ist. 

„Stellt euch vor, ihr habt einen Freund…“ Jesus erzählt diese Geschichte so, dass wir uns unvermittelt in Gedanken in einer Beziehung wieder finden. 

Aber nicht in irgendeiner Beziehung, sondern in unserer Beziehung zu Gott: Mit Gott ist das nämlich so wie mit diesem Freund: Auf ihn ist Verlass, unbedingt. Genau so, sagt Jesus hier, ist Gott für uns, so wie dieser Freund, der mitten in der Nacht aufsteht, so wie dieser Freund, der keine Mühe scheut. Nicht ganz weit weg, nicht unberührt von unserem Leben, sondern einer, der unsere Bitten und Fragen hört. 

Eine zweite Beispielgeschichte spitzt die Sache, finde ich, noch ganz schön zu! 

„Wo ist unter euch ein Vater, der seinem Sohn, wenn der ihn um einen Fisch bittet, eine Schlange für den Fisch biete? Oder wenn er um ein Brot bittet, ihm einen Stein geben, oder der ihm, wenn er um ein Ei bittet, einen Skorpion dafür biete?“

Steine und Skorpione? Das ist nun wirklich so eindeutig und drastisch, dass jeder sagen muss: da gehört natürlich sofort das Jugendamt eingeschaltet, denn so ein Verhalten wäre kriminell und man müsste von Kindeswohlgefährdung sprechen.

Mindestens liegt eine Vernachlässigung vor, denn Steine kann man natürlich nicht essen, und im Hinblick auf Giftschlagen und Skorpione kann man sogar von einem Mordanschlag sprechen.

Es sind in seiner Geschichte fast immer die Selbstverständlichkeiten, die Jesus auf den Kopf stellt: natürlich würde sich normalerweise kein Vater so verhalten, dass er sein Kind gefährdet; Natürlich würde sich normalerweise kein Freund so verhalten, dass er den Freund in einer Notlage wegschickt.

Und der für die Zuhörer unerwartete und überraschende Rückschluss: Warum also sollte Gott das tun?

Er ist für euch so wie der Freund und der Vater der Geschichte.

Nun denken wir über diesen Text in der österlichen Festzeit nach, auf dem Weg auf Pfingsten zu. Da müssen wir zum Schluss noch gezielt den letzten Vers der Geschichte ins Spiel bringen: „Wieviel eher wird der Vater vom Himmel her, denen den Heiligen Geist geben, die ihn darum bitten.“ Das klingt wie ein Ziel, auf das alles zusteuert: Die Bitte um den Heiligen Geist. Der Dreiklang jubelt, singt, betet öffnet sich nach vorn, gipfelt im pfingstlichen Brausen.  Diese Bitte ist allerdings offenbar nicht ganz ungefährlich, denn der Heilige Geist wird als Geist der Kraft beschrieben, sicherlich, auch als Tröster und als Geist der Liebe. Aber immer gehen damit auch gewaltigen Veränderungen einher! Wer lässt sich denn freiwillig auf so etwas ein? Bittet gar noch darum? 

Zu Pfingsten werden wir hören, wie der Heilige Geist alles durcheinanderwirbelt. In der Frage, wie man denn das Wirken des Geistes erleben könne, ist die Pfingstgeschichte allerdings geradezu ostfriesisch-nüchtern. Bevor das Brausen kommt, das Rauschen, der Sturm und alle vom Geist bewegt werden, heißt es schlicht: „Sie waren alle beieinander an einem Ort.“ 

Der Dreiklang „Jubilate, Kantate, Rogate“ kommt wunderschön in unseren alten Pfingstliedern zusammen und wird zur Bitte um den Heiligen Geist:

„Tröster der Betrübten, Siegel der Geliebten,

Geist voll Rat und Tat.  

Starker Gottesfinger, Friedensüberbringer, 

Licht auf unserm Pfad.

Gib uns Kraft und Lebenssaft.

Lass uns deine teuren Gaben zur Genüge haben.“

Amen

Elisabeth Tobaben

Liedvorschläge für Rogate 22. Mai 2022

EG 135, 1 und 3-5 Schmückt das Fest mit Maien

V. 2 nach der Predigt

EG 562 Vater unser im Himmel

EG  114, 1-3, 7+11 Wach auf, Mein Herz, die Nacht ist hin

EG  EG 423, 1- Herr, höre, Herr erhöre (Könnte mit den Fürbitten kombiniert werden)

EG 433 Hevenu shalom

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