Lukas 12,16-21

Lukas 12,16-21

„Reich werden bei Gott“ | Erntedankfest | 01.10.23 | Lk 12,16-21 | Hansjörg Biener |

Hinweis

In vielen evangelischen Kirchen (z. B. Nordkirche, Mitteldeutschland, Hessen, Westfalen), aber nicht in allen, wird die Kollekte an Erntedank für Brot für die Welt erbeten. Deshalb finden sich in eckigen Klammern gelegentliche Bezugnahmen auf aktuelle Werbesprüche.

Für die Begrüßung

Das Erntedankfest ist ein schwieriges Fest geworden. Wir alle wissen, dass es Dankbarkeit auf Kommando nicht gibt, und mindestens mir als Stadtkind ist der Anblick und das Erleben der Ernte fremd. Ich erlebe keine Abhängigkeit von der Natur und keine Spuren des Klimawandels auf dem Acker oder im Obstgarten. Ich gehe ja in den Supermarkt und bin damit nicht allein. In einer Zeit, wo ein deutscher Bauer mehr als 100 Menschen ernährt, gibt es nicht mehr viele, die eine Ernte im Schweiße ihres Angesichts betrachten. Der heutige Predigttext atmet noch den Geruch der Stoppelfelder und den Staub der Erntezeit. „Der reiche Kornbauer“ hat eine reiche Ernte eingefahren, was nicht nur zu seiner Zeit eine gute Nachricht ist. Die Speicher quellen über, und so plant er die Erweiterung seines Hofes. Doch in der Nacht wird er abberufen. Was wir daraus lernen können? Dazu später.

Gegliedertes Kyrie

Wir alle wissen, dass es Dankbarkeit auf Kommando nicht gibt. Manchmal steht unser Leben geradezu dagegen, dankbar zu sein. Alles, was uns das Danken schwer macht, bringen wir im Kyrie vor Gott.

(Anregungen)

Manchmal fällt das Gott danken schwer,

weil wir Dinge ernten, die wir so nicht wollten.

Stellvertretend nenne ich jene Jugendliche,

die sich viele Male beworben hat und nur Absagen bekam.

Kyrie-Ruf

Manchmal fällt das Gott danken schwer,

weil wir mit schwerem Herzen ernten.

Stellvertretend nenne ich jenen Bauern,

der mit Mühe den Hof erhält, aber keinen Nachfolger hat.

Kyrie-Ruf

Manchmal fällt das Gott danken schwer,

weil wir das Gespür fürs Danken verloren haben.

Stellvertretend nenne ich jenen Knaben, der so cool ist,

dass er weder Bitte noch Danke noch sonst etwas Höfliches sagen kann.

Kyrie-Ruf

Manchmal fällt das Gott danken schwer,

weil es im Herbst des Lebens keine Früchte mehr gibt.

Stellvertretend nenne ich jene Mutter,

die den Kontakt zu ihren Kindern verloren hat.

Kyrie-Ruf

Und auch uns selbst bringen wir in diesem Gottesdienst vor Gott

– Dankbarkeit ebenso wie

– Unzufriedenheit.

Kyrie-Ruf

Es ist ungesund, bitter zu sein. Deshalb ist es gut, wenn wir Enttäuschungen, Undankbarkeit, Bitterkeit, Wut und Zorn bei Gott aussprechen und bei Gott lassen können.

Und es ist gut, wenn wir uns erinnern, wofür wir dankbar sein können. Erhoffte Erfolge, glückliche Zufälle, Selbstverständlichkeiten, die uns bewusst werden.

Gott nimmt sich unserer an. Durch alle Höhen und Tiefen soll ein Leben, das mit Gott gelebt wurde, reich werden. Diese Verheißung ist Dank und Gotteslob wert.

Glorialied

Predigttext

Der reiche Kornbauer

16 Und er sagte ihnen ein Gleichnis und sprach:

Es war ein reicher Mensch, dessen Land hatte gut getragen.

17 Und er dachte bei sich selbst und sprach: Was soll ich tun?

Ich habe nichts, wohin ich meine Früchte sammle.

18 Und sprach: Das will ich tun: Ich will meine Scheunen abbrechen und größere bauen

und will darin sammeln all mein Korn und meine Güter

19 und will sagen zu meiner Seele: Liebe Seele, du hast einen großen Vorrat für viele Jahre;

habe nun Ruhe, iss, trink und habe guten Mut!

20 Aber Gott sprach zu ihm: Du Narr!

Diese Nacht wird man deine Seele von dir fordern.

Und wem wird dann gehören, was du bereitet hast?

21 So geht es dem, der sich Schätze sammelt und ist nicht reich bei Gott. (Lukas 12,16-21)

Die Geschichte hat einen doppelten Schluss:

(1) Die Ankündigung des Todes mit der Frage Gottes, was nun bleibt.

(2) Und den Merksatz ganz am Schluss.

Aber wir sollten die Geschichte nicht allein vom Ende her lesen. Deshalb will ich zunächst noch einmal betrachten, was vom reichen Kornbauern erzählt wird, und das mit heutigen Erfahrungen verbinden. Danach sind dann die beiden Fragen zu stellen, die sich aus dem Schluss des Predigttextes ergeben:

(1) Was hat der reiche Kornbauer falsch gemacht?

(2) Wie könnte man reich werden bei Gott?

„Es war einmal ein reicher Mensch.“

„Es war ein reicher Mensch“,

offenbar der Besitzer eines Landguts und damit nach Maßstäben der Jesus-Zeit reich. Er hat es damit besser getroffen als die Mehrheit seiner Zeitgenossen. Die schlagen sich als Kleinbauern, Handwerker, Tagelöhner durchs Leben. Andererseits kann ich mir nicht einmal im Ansatz vorstellen, was ein reicher Kornbauer der Jesus-Zeit zu den Selbstverständlichkeiten unseres Lebens sagen würde. Fließend warmes und kaltes Wasser, Heizung, WC – und Supermärkte, die auch am späten Nachmittag noch mehr im Angebot haben als die Vorratskammern der Antike.

Der reiche Kornbauer war besser dran als viele seiner Zeitgenossen, doch es kommt noch besser:

„Dessen Land hatte gut getragen.“

Das war damals eine gute Nachricht. So wie es in jedem Land eine gute Nachricht ist, wenn man Korn als Lohn der Mühen erntet – und nicht nur öde Halme. [Vor einiger Zeit hat sich mir dazu ein Spruch von Brot für die Welt in den Kopf gekrallt: „Wächst bei Kleinbauern in Burkina Faso stets zuverlässig: der Hunger.“ Erst recht ist es dann schlimm, wenn Kornkammern der Welt ausfallen, wie jetzt durch den Russland-Ukraine-Krieg.]

Der reiche Kornbauer könnte zufrieden sein, – wenn nicht sogar dankbar. Aber auch in der Jesus-Zeit kann eine gute Ernte zum Problem gemacht werden:

„Und er dachte bei sich selbst und sprach: Was soll ich tun? Ich habe nichts, wohin ich meine Früchte sammele.“

Das ist nicht ganz richtig. Ein paar Scheunen hat er schon. Nur sie reichen halt nicht. So tut jener Mann das, was man auch heute tun müsste. Er vergrößert seinen Hof:

„Und er sprach: Das will ich tun: ich will meine Scheunen abbrechen und größere bauen, und will darin sammeln all mein Korn und meine Vorräte.“

Schaffen, schaffen, Scheunen bauen. Das wäre auch heute lobenswert. Bei den aktuellen Debatten über die Zukunftsfähigkeit Deutschlands klagt man nicht nur über „Fachkräftemangel“. Es wird auch ein Mangel an Unternehmergeist beklagt. Ich finde hier einen Unternehmer, der in seinen Standort investiert und nicht den Bestand abwirtschaftet. Das gab es damals nämlich auch. Gutsbesitzer, die lieber in der großen Stadt lebten und erwarteten, dass ein Verwalter schon für ihren Unterhalt sorgte. So ist der reiche Kornbauer nicht. Er ist nahe dran an seinem Hof. Ein paar 3×3 m-Bauten oder -Silos wären für den Kornbauern sicher zu stemmen gewesen.

Den Kornbauern treibt nicht nur Lust am Schaffen. Es geht auch um Vorsorge:

„Dann will ich sagen zu meiner Seele: Liebe Seele, du hast einen großen Vorrat für viele Jahre.“

Wer könnte das nicht nachempfinden: So viel haben, dass man unbesorgt in die Zukunft blicken kann. Das ist ein Gedanke, der auch uns bewegt, spätestens beim Thema Rente. Die Rente mag sicher sein, – ihre Höhe ist es bekanntlich nicht. Immer wieder heißt es, dass die Rentenversicherung allein nicht reichen wird. Vielmehr brauche es drei Säulen: die staatliche Rente, eigenes Kapital und eigenen Wohnraum. Diese Vorsorge für den Ruhestand ist vielen nicht möglich. Aber es wäre doch ärgerlich, wenn jemand vorsorgen könnte, es aber nicht tut. Wir würden sagen, dass er kein Recht har, sich auf die Gesellschaft zu verlassen. Nun stellen Sie sich aber die Jesus-Zeit vor, wo es keine Alterssicherung nach unserer Art gab…

Wie schön wäre es, wenn man sich nach vielen anstrengenden Arbeitsjahren im Ruhestand sagen könnte:

„Habe nun Ruhe, iß, trink und habe guten Mut!“

Doch wir wissen, dass das Leben nicht immer hält, was man sich verspricht. Und so ist es auch in der Geschichte vom reichen Kornbauern. Gott bricht in die Gedanken des Kornbauern ein:

„Du Narr! Diese Nacht wird man deine Seele von dir fordern. Und wem wird dann gehören, was du bereitet hast?“

Überraschend steht der Tod vor der Tür. An den Tod hat der reiche Kornbauer nicht gedacht, – und das ist erst einmal auch gut so. Wer stets den Tod vor Augen hat, fängt nichts Neues mehr an. „Es lohnt sich ja doch nicht mehr.“ Trotzdem ist es bitter für den reichen Kornbauern: Das ersehnte gute Leben kommt nicht mehr, und das Erbe wird jemand anders antreten. Wie ein Nachruf lautet der dürre Kommentar am Schluss des Predigttextes:

„So geht es dem, der sich Schätze sammelt und ist nicht reich bei Gott.“

Kommen wir nun zur ersten Frage:

Was hat der reiche Kornbauer falsch gemacht?

Ich habe den reichen Kornbauern als sehr normalen Menschen beschrieben. Ich finde es wichtig, darauf zu achten, was erzählt wird und was nicht. Wir hören zum Beispiel nichts von guten Taten, nichts von bösen Taten. Wir hören nichts von Ausbeutung oder schlechten Arbeitsbedingungen für seine Arbeiter, allerdings auch nichts von einem Bonus für sie aus der guten Ernte. Wer den reichen Kornbauern jetzt als reichen Raffke sieht, der sich nicht um Rechts und Links kümmert, trägt das in den Bibeltext hinein. Es mag richtig oder falsch sein, auf jeden Fall ist es „unsere“ Vorstellung.

Die einzige Information, die wir im Bibeltext haben, ist das Selbstgespräch:

„Dann will ich sagen zu meiner Seele: Liebe Seele, du hast einen großen Vorrat für viele Jahre; habe nun Ruhe, iß, trink und habe guten Mut!“

Das ist nachvollziehbar; es ist nicht einmal unbiblisch. Im Alten Testament meint Kohelet, „dass der Mensch nichts Besseres hat unter der Sonne, als zu essen und zu trinken und fröhlich zu sein. Das bleibt ihm bei seinem Mühen sein Leben lang, das Gott ihm gibt unter der Sonne.“ (Prediger 8,15) Allerdings gibt es einen Unterschied zwischen dem Selbstgespräch des reichen Kornbauern und dem Bibelvers aus dem Alten Testament. Gott kommt beim reichen Kornbauern nicht vor. Und hier liegt offenbar auch die Pointe.

„Aber Gott sprach zu ihm: Du Narr! Diese Nacht wird man deine Seele von dir fordern; und wem wird dann gehören, was du angehäuft hast?“

Es geht nicht einfach darum, dass man von heute auf morgen sterben könnte, und schon gar nicht um „Himmel und Hölle“. Diese Vorstellungen waren in der Jesus-Zeit kein Allgemeingut. Es geht um gelingendes Leben vor dem Tod, und das entscheidende Wort ist hier „Narr“. Das griechische Wort αϕρων bedeutet zunächst einmal nur: „unverständig, dumm“. Im biblischen Griechisch wurden damit aber viele verschiedene Begriffe aus dem Alten Testament übersetzt. Einige gingen da auch in die Richtung „gottlos“. „Du Narr“, das heißt für bibelgeprägte Ohren der Jesus-Zeit auch „Du gottloser, dummer Mensch“. Gottlos und dumm, weil du in all deinem Lebenserwerb übersehen hast, dass du immer auf Gott angewiesen bleibst. Wir können wie gesagt nicht ständig an den Tod denken, weil der alles relativiert und uns die Energie für den Alltag abzieht. Aber wir könnten an Gott denken, weil der die Quelle unseres Lebens ist. Und womöglich hätte das auch Auswirkungen auf unsere Lebensführung.

Dass diese Auslegung im Sinn des Evangelisten ist, ergibt sich aus den Versen, die unserem Predigttext folgen. Das Lukas-Evangelium schließt an diese Erzählung Worte „Vom falschen und rechten Sorgen“ an, die wir bei Matthäus in der Bergpredigt finden:

„22 Er sprach aber zu seinen Jüngern: […] Sorgt euch nicht um das Leben, was ihr essen sollt, auch nicht um den Leib, was ihr anziehen sollt. […] 25 Wer ist unter euch, der, wie sehr er sich auch darum sorgt, seiner Lebenslänge eine Elle zusetzen könnte?“ (Lukas 12,22+25)

Das kann, so muss man hier mithören, nur Gott.

„29 Darum auch ihr, fragt nicht danach, was ihr essen oder was ihr trinken sollt, und macht euch keine Unruhe. 30 Nach dem allen trachten die Heiden in der Welt; aber euer Vater weiß, dass ihr dessen bedürft. 31 Trachtet vielmehr nach seinem Reich, so wird euch dies zufallen.“ (Lukas 12,29-31)

Falsches Sorgen: wie „die Heiden“ Essen, Kleidung und anderes in den Mittelpunkt der Sorgen stellen.

Richtiges Sorgen: wie „Jünger Jesu“ Gott ins Leben hineinnehmen und Gottvertrauen üben. Lukas würde sagen: in der Nachfolge Jesu nach Gottes Reich trachten.

Glücklicherweise sind wir, die wir hier im Gottesdienst sind, keine Narren wie der reiche Kornbauer. Meistens jedenfalls… Hoffentlich… Gewiss sind unsere Anlässe zur Dankbarkeit, unsere Sorgen um den Lebensunterhalt, unser Planen für die Zukunft stets eingebettet in den Glauben an Gott, der unserem Leben Ziel und Richtung gibt. Wenn ich so spreche, ist Ihnen klar. Ich jedenfalls bin dem reichen Kornbauer verwandter, als der Evangelist Lukas es will.

„Reich, aber tot. So ergeht es dem, der sich Schätze sammelt und ist nicht reich bei Gott.“ So kommentiert Lukas am Ende diese Erzählung. Diese „Moral von der Geschicht“ führt uns zur zweiten Frage, die sich aus dem Predigttext ergibt:

Wie könnte man „reich werden bei Gott“?

Und ja! Es geht so weiter, wie man jetzt erwartet: Mit Geld und guten Werken. Lukas denkt durchaus ans Spenden – und sogar mehr. Immer noch im 12. Kapitel in der Nähe des Predigtextes finden wir die Aufforderung:

„Verkauft, was ihr habt, und gebt Almosen. Macht euch Geldbeutel, die nicht altern, einen Schatz, der niemals abnimmt, im Himmel, wo sich kein Dieb naht, und den keine Motten fressen.“ (Lukas 12, 33)

Das ist eine radikale Forderung, die im Lauf der Kirchengeschichte auch immer wieder radikal umgesetzt wurde. Arm sein, um in Gott reich zu werden – das war in immer neuen Wellen das Ziel des Mönchtums. Unglücklicherweise haben eine problematische Praxis und die Polemik der Reformationszeit die Armutsfrömmigkeit gründlich in Verruf gebracht. Mönch-sein, Nonne-sein, das war in den Augen vieler Reformatoren das Gegenbild zum gottgefälligen Leben. Arbeit, Ehe und Familie – das waren nach Auffassung der Reformatoren die Orte, wo sich Christlichkeit bewährt. Und die Forderung der Reformatoren war es nicht, Bettler und Arme zu versorgen, sondern sie in Arbeit und Brot zu bringen. [Das Anliegen ist bis heute sichtbar, wenn ein Plakat von Brot für die Welt ein Brot als „Erste Hilfe“ zeigt und eine Ähre als „Selbsthilfe“: „Wer sich selbst ernähren kann, führt ein Leben in Würde.“] Mönchische Ideale wie Armut, Keuschheit, Gehorsam, gar Heimatlosigkeit um der Mission willen, werden kaum noch von jemandem geteilt. Nicht einmal mehr in der katholischen Kirche. Und auch dort, wo kaum von Gott gesprochen wird, weiß man: „Spenden und Gutestun? Da muss was anderes dahinter stecken.“ Es gibt einen Generalverdacht, als wollten die Menschen sich freikaufen von Schuld oder Schuldgefühlen oder einen Freischein fürs Sündigen in anderen Bereichen. [Trotzdem ist es gut, dass die deutsche Christenheit bisher immer großzügig war. Wer es kann, soll „Heute die Welt verändern.“. So ein weiterer Spruch von Brot für die Welt, aus der Plakataktion dieses Jahres.]

Wenn denn nun Spenden immer ein Beigeschmack zu haben scheint, und wir weit hinter der Forderung zurückbleiben, unser Hab und Gut zu verspenden – kann man dann noch reich werden bei Gott? Ja, man kann. Dazu sollte man sich erinnern, was „die guten Werke“ immer waren und was nicht. Alle Religionen sind sich einig, dass es nicht egal ist, wie jemand lebt. Die östlichen Religionen regeln das über den Karma-Gedanken: Wer Gutes tut, bekommt Gutes zurück. Wer Böses tut, bekommt Böses zurück. Wenn nicht in diesem Leben, dann in einer nächsten Reinkarnation. Die westlichen Religionen dagegen haben kein Weltgesetz als Mittelpunkt, sondern Gott. Vor ihm bleiben wir auch im Guten immer hinter dem zurück, was wir sein könnten. Und wir bleiben angewiesen auf seine Zuwendung, klassisch „Gnade“. Andererseits hätte auch ich mir in Luthers Zeit den von Tetzel gepredigten Ablass gekauft. Für drei Prozent meines Vermögens all mein Zurückbleiben hinter Gottes Ansprüchen abgelten. Diese Versicherungs-Police hätte ich gerne gekauft. Der Deal wäre definitiv „preiswert“ gewesen. Dumm nur, wenn es den Kirchenschatz guter Werke der Heiligen als Quelle für den Ausgleich meines Kontos nicht gibt.. Da haben die Reformatoren dann zu recht eingehakt. In den Himmel kommt man, wenn es ihn denn „gibt“, nicht durch gute Werke, sondern nur durch Gott. Das Gericht ist da gerade nicht eine finale Abrechnung, die nur mit [m]einem Bankrott enden kann. Vielmehr soll, unabhängig von der Frage nach deinem Glauben, auch gewürdigt werden, wie du dein Leben gelebt hast. Und weil das nicht nur aus Spenden besteht, will ich das Reichwerden bei Gott mit Beispielen illustrieren.

Es ist nicht egal, dass Du als Chef/Chefin Menschen in Arbeit und Brot gebracht hast und vielleicht noch mehr einem beeinträchtigten Menschen einen speziellen Arbeitsplatz eingerichtet hat.

Es ist nicht egal, dass Du in ehrenamtlicher Arbeit Kinder und Jugendliche ins Leben begleitet hast und vielleicht noch mehr mit einem Flüchtlingskind Deutsch reden, lesen und schreiben gelernt hast.

Es ist nicht egal, dass Du im Park mit einer traurigen Frau gesprochen hast und vielleicht noch mehr sie dabei begleitet hast, ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen.

Es ist nicht egal, dass Du einen offenen Geldbeutel für überzeugende Projekte hattest und vielleicht noch mehr in Deinem Testament ein diakonisches Projekt bedacht hast.

Es ist nicht egal, dass Du Menschen mit Deiner Fürbitte umgeben hast und vielleicht noch mehr auch Entscheidungsträger vor Gott getragen hast.

Es dagegen egal, wenn Du Dich an vieles nicht mehr erinnerst. Gott weiß um solche Beiträge zu einer guten Welt und die Dankbarkeit anderer, die Dir in den Himmel vorausgehen.

Möge man über die Essenz unseres Lebens nicht den Nachruf schreiben müssen:

„Tot.“

Oder: „Müh und Arbeit war sein Leben.“

Oder auch „als die Kraft zu Ende ging….“

Möge uns Gott einmal bestätigen können:

„Ein Leben, das reich war bei Gott.“

Amen.

Dr. Hansjörg Biener (*1961) ist Pfarrer der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern und als Religionslehrer an Nürnberger Gymnasien tätig. Außerdem ist er außerplanmäßiger Professor für Religionspädagogik und Didaktik des evangelischen Religionsunterrichts an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. (Hansjoerg.Biener (at) fau.de)

Literatur

Eckey, Wilfried: Das Lukas-Evangelium unter Berücksichtigung seiner Parallelen. Teilband II: 11,1-24,53, Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag, 2004. Essenz dieser Auslegung, S. 582 „Die Beispielerzählung soll demnach nicht ökonomisches Planen und Handeln als solches verurteilen, sondern den üppig ins Kraut geschossenen und selbstsicheren Egoismus, seine durch die starke Bindung an sich selbst verursachte Teilnahmslosigkeit am Leben seiner Mitmenschen, insbesondere der Bedürftigen, die Unfähigkeit des Selbstsüchtigen, anderen von seinem Überfluß abzugeben. Der reiche Tor hat sein wahres Leben damit verfehlt, daß er nicht erkannte: Gottes Großzügigkeit im Geben, die der Mann zeichenhaft mit der reichen Ernte erfahren hatte, galt es, bedürftigen Mitmenschen durch Weitergeben mitzuteilen. Geld und Gut sollen ‚auf Gott hin‘ verwaltet werden.“

Kloft, Hans: Antike Getreidespeicher – ein Werkstattbericht, in: Ulrich Fellmeth u. a. (Hg.): Wirtschaftsbauten in der antiken Stadt (Kolloquium Karlsruhe 2012), Karlsruhe: KIT, 2016, S. 33-43. (https://books.openedition.org/ksp/5266)

Schmithals, Walter: Das Evangelium nach Lukas, Zürich: Theologischer Verlag Zürich, 1980 (Zürcher Bibelkommentare, Neues Testament, 3,1). Essenz dieser Auslegung, S. 144 „Die Beispielgeschichte macht den Reichtum als solchen nicht zu ihrem Thema, geht aber davon aus, daß der irdische Besitz den Reichtum in Gott in besonderer Weise gefährdet (vgl. 1. Tim. 6,3ff). Die ungläubige Sicherung des irdischen Lebens durch eigene Leistung bewirkt den Verlust, des ewigen Lebens, das auf der Gnade Gottes beruht. […] Hätte der Reiche seinen Besitz mit den Besitzlosen geteilt, anstatt ihn für sich aufzuhäufen, dann wäre er reich gewesen in Gott (12,33f.; 16,9).“

Schneider, Gerhard: Das Evangelium nach Lukas. Kapitel 11-24, Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus/Würzburg: Echter-Verlag, 2., durchgesehene und ergänzte Auflage, 1984 (Ökumenischer Taschenbuch-Kommentar zum Neuen Testament, Band 3/2). Essenz dieser Auslegung, S. 283 „Er hat ‚für sich selbst‘ […] Schätze gesammelt, die ihm doch nicht zugute kommen. Er hätte ‚vor Gott reich‘ werden sollen, indem er sein Vermögen anderen zur Verfügung stellt. Er hätte einen ‚unvergänglichen Schatz im Himmel‘ zusammengetragen, wenn er seine Habe ‚verkauft und als Almosen verteilt‘ hätte (12,33).“

Schweizer, Eduard: Das Evangelium nach Lukas, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1982 (Das Neue Testament Deutsch; Band 3). Essenz dieser Auslegung, S. 136 „Anders als Jer 17,11; äth Hen. 97,8-10; Sir. 11,18f (hebr. Text) ist nichts von unrechtem Erwerb gesagt, erst recht nicht wie Spr 11,26, daß der Mann die Preise in die Höhe treiben will. Seine Überlegung ist an sich normal. Er ist nicht einmal im Leistungsdenken gefangen, sondern plant eine sinnvolle Ruhezeit. Vielleicht kennt er ‚kein Glück außer Essen und Trinken und Fröhlichsein‘ (Pred 8,15). Er ist aber nicht verbrecherisch, sondern nur dumm. Dumm, weil er für seine Überlegungen keinen Partner hat, weder Gott noch Menschen, und darum nur um sich selbst kreist, als ob er über sich selbst verfügen könnte.“

Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Horreum

Zeller, Dieter: Art. αϕροσύνη/αϕρων, in: Exegetisches Wörterbuch zum Neuen Testament, Band 1, Stuttgart u. a.: Kohlhammer, 1980, Sp. 444-446, hier Sp. 445 „Der Typ des ‚Toren‘ (Lk 12,20) ist in der Weisheitsliteratur des AT vorgeprägt. […] als einen Menschen, der sich weigert, die von den Weisen artikulierte Ordnung der Welt, d. h. auch seine Abhängigkeit von Gott, zur Kenntnis zu nehmen.“

Beispiele für Internetquellen zum Thema „Spenden als moderner Ablass“

Aufderhorst, Matt: Spenden als moderner Ablasshandel. Gewissenspolitur vor Weihnachten (13. Dezember 2021): Kurz vor Weihnachten ist die Spendenbereitschaft traditionell sehr groß. Diese finanzielle Großzügigkeit hilft aber nicht nur anderen, sie hilft uns vor allem selbst, meint der Autor Matt Aufderhorst. https://www.deutschlandfunkkultur.de/spendenbereitschaft-gewissenspolitur-vor-weihnachten-100.html.

Blees, Christian: Schlechtes Gewissen. Kann man sich von Verantwortung freikaufen? (12. September 2022): Früher gingen die Menschen zur Kirche und kauften sich von ihren Sünden frei. Bekannt als Ablasshandel. Wer heute sein Gewissen reinwaschen möchte, spendet für Arme oder leistet CO2-Kompensation. Aber was bringt das überhaupt? https://www.deutschlandfunkkultur.de/schlechtes-gewissen-kann-man-sich-von-verantwortung-100.html.

Reinhardt, Volker: Moderner Ablasshandel: Flieg so viel Du willst, aber spende wenigstens Geld. Und entsorge Deinen Müll korrekt. (17. Januar 2019): Nur nicht weg vom Gaspedal! Kaufen Sie sich lieber ein CO2-Zertifikat. Sündigen ist am schönsten, wenn die Vergebung gleich mitgeliefert wird. Das ist heute nicht anders als im Mittelalter. https://www.nzz.ch/feuilleton/moderner-ablasshandel-fahr-auto-aber-spende-wenigstens-geld-ld.1451488.

Steinberger, Petra: Umweltschutz. Moderner Ablasshandel (19. Mai 2010): Kaufe Bäume, fliege weit: Wie man mit einer kleinen Spende sein Gewissen und das Weltklima rettet https://www.sueddeutsche.de/wissen/umweltschutz-moderner-ablasshandel-1.912302.

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