Lukas 1,67-80

Lukas 1,67-80

3. Sonntag im Advent | 17.12.2023 | Lukas 1,67-80 | Peter Skov-Jakobsen |

Das Lied des alten Zacharias. Seine Worte stahlen noch immer. Er wusste, dass er vor einem langen Weg stand, auf dem Weg fort von der Tyrannei.

Er sang, denn er glaubte, dass er auf dem Weg war, dem gesegneten Weg. Er war auf dem Wege Gottes.

Er brach in Jubel aus über Gott, der ihnen immer verheißen hatte, sie von den Feinden zu befreien. Er dachte an seinen heiligen Bund, der Barmherzigkeit war, der sich in einen Glauben daran verwandelte, dass die Menschen dienen sollen mit Frömmigkeit, Gerechtigkeit und Mitgefühl.

Er sang von Johannes dem Täufer, dem etwas temperamentvollen Vetter. Johannes erzählte vom Licht – dem Licht, das nun in die Welt kam und die Menschen erhellen würde mit Einsicht in das Wesen von Gott selbst. Johannes sollte auf die menschlichen Züge von Jesus hinweisen.

Sie wandelten auf dem Wege der Wahrheit. Sie kamen mit der vollen Rüstung der Liebe, die nie der Panzer und selbstsichere Befehl der Macht war.

Sie kommen mit Mitgefühl, Vergebung und Barmherzigkeit, und mit Verwundbarkeit. Die Herzen sind nicht eisern gepanzert. Wir können das Unglück der Welt nicht belächeln. Wir sind nicht die, die Trauer und Schmerz mit rechtem Glauben aus dem Weg schaffen.

Unser rechter Glaube ist von anderer Art. Er ist verwundbar! Er ist verletzlich! Wir tragen unseren Glauben mit Hoffnung. Wir können unschlüssig sein, auch wenn wir nicht verzweifeln. Wir können zweifeln, und dennoch wagen wir es, vorsichtig Vertrauen zu zeigen.

Wir tragen Licht, auch wenn tausende Menschen auf der Flucht sind.

Wir stehen vor großen humanitären Krisen. Täglich sind wir mit menschlichen Schicksalen konfrontiert. Wer will, kann dauernd von Einzelschicksalen hören. Da ist nicht nur eine Volksschar auf der Flucht – es ist nicht nur eine Volksmenge, die über uns hereinfällt. Es sind Einzelschicksale. Sie sind den Tyrannen entkommen. Sie haben fast alles zurückgelassen, was sie besaßen. Sie haben ihr Land verlassen. Sie sind vertrieben.

Wir stehen hier vor großen humanitären Katastrophen, und zugleich sind da Glaubensgenossen, die behaupten, dass die Nächstenliebe nicht für Flüchtlinge gilt. Es ist merkwürdig, Pastoren und Theologen, die alles tun, was sie können, um den Menschen auf Abstand zu halten, der unsere Fürsorge, unser Mitgefühl und unsere Hilfe braucht. Es ist merkwürdig, in einer solchen Situation hören zu müssen, wie das Wort Humanismus als Schimpfwort verwendet wird.

Im Judentum und im Christentum leben wir mit einem starken Bewusstsein davon, dass die Armen, die Notleidenden, die übel Zugerichteten, die Gefangenen, die Leidenden die besondere Gunst und Fürsorge Gottes haben, und sie bedürfen alle unsere Fürsorge und Liebe und nicht zuletzt unserer Hochachtung, denn es ist unsere Aufgabe, auf die Würde, die menschliche Würde des Leidenden und des Armen und Flüchtenden hinzuweisen.

Christus ging nie an einem leidenden Menschen vorüber. Er dachte nie daran, wie der leidende Mensch zur Seite geschoben werden konnte aus seinem Blickfeld. Er verwandte keine Minute seines Lebens darauf, Verachtung für einen Menschen oder Furcht vor einem Menschen zu rechtfertigen.

Wehrlos begegnet er allen – und er sagt nicht: Nun müsst ihr sehen, dass ihr dieselbe Kultur übernehmt, damit ihr einander versteht und mich versteht! Der sagt vielmehr: „Kommt zu mir!“ – und er tritt hervor. Er kommt uns entgegen. Er lässt uns nicht im Stich. Es ist, als ob er sehr wohl weiß, dass wir mit einem Traum unterwegs sind.

In all dem, was er sagt und tut, verlässt er sich darauf, dass der Mensch, der von Gott geschaffen ist, stets die Gottesebenbildlichkeit im Mitmenschen sehen wird als unseren Bruder oder unsere Schwester, und dass ihn ihre Geschichte bewegt.

Er kommt in unser verunglücktes Leben. Er begegnet uns, wenn wir mit einem Alptraum von Leben kommen oder mit einem gelungenen Leben. Er kommt mit der Liebe, die uns dazu bringen kann zu vergeben. Er begegnet uns mit menschlichen Worten. Hört, was der Franzose Antoine Leiris am Tag nach den Morden von Paris 2015 schrieb:

„Freitagabend stahlst du ein exzeptionelles Leben – das Leben meiner Liebe, die Mutter meines Sohnes – aber du bekommst nicht meinen Hass. Ich weiß nicht, wer du bist, und ich möchte es nicht wissen, du bist eine tote Seele. Wenn der Gott, dem du so blind folgst, uns in seinem Bild geschaffen hat, wird jede Kugel im Körper meiner Frau eine weitere Wunde in seinem Herzen sein.“

„Ich sah sie an diesem Morgen. Endlich, nach tage- und nächtelangem Warten. Sie war genauso schön, wie zuvor, als sie Freitagabend ging, genauso schön wie damals, als ich mich vor mehr als 12 Jahren total in sie verliebte. Natürlich bin ich von dieser Trauer niedergeschlagen, den kleinen Sieg gebe ich dir, aber dieser Schmerz wird kurz sein. Ich weiß, dass sie jeden einzigen Tag bei uns sein wird und dass wir einander wiederfinden werden in einem Paradies von freier Liebe, zu dem du keinen Zugang hast.“

„Wir sind nur zwei, mein Sohn und ich, aber wir sind stärker als alle Heere dieser Welt zusammen. Ich will keine Zeit mehr auf dich verschwenden. Ich will zu Melvil gehen, der langsam aus seinem Schlaf erwacht. Er ist fast 17 Monate alt. Er wird seine Mahlzeiten essen wie gewöhnlich, und wir werden spielen wie immer, und jeden einzigen Tag wird dieser kleine Junge sein ganzes Leben lang dich dadurch bedrohen, dass er glücklich und frei ist. Denn nein, auch seinen Hass wirst du nicht bekommen.“

Christus bricht das Brot mit uns – er weiht uns sein Leben – auch in solchen Worten, die sich nicht tyrannisieren lassen von Hass uns Zorn. Christus – der freie, liebende Mensch und der barmherzige Gott der Menschen macht uns lebendig und menschlich – deshalb protestieren wir! Amen.

Bischof Peter Skov-Jakobsen

Nørregade 11, DK-1165 København K

Email: pesj(at)km.dk

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