Lukas 17,11-19

Lukas 17,11-19

Dankbarkeit heilt! | 14. Sonntag nach Trinitatis | 10.09.23 | Lk 17,11-19 | Andreas Pawlas |

Und es begab sich, als Jesus nach Jerusalem wanderte, dass er durch das Gebiet zwischen Samarien und Galiläa zog. Und als er in ein Dorf kam, begegneten ihm zehn aussätzige Männer; die standen von ferne und erhoben ihre Stimme und sprachen: Jesus, lieber Meister, erbarme dich unser! Und da er sie sah, sprach er zu ihnen: Geht hin und zeigt euch den Priestern! Und es geschah, als sie hingingen, da wurden sie rein. Einer aber unter ihnen, als er sah, dass er gesund geworden war, kehrte er um und pries Gott mit lauter Stimme und fiel nieder auf sein Angesicht zu Jesu Füßen und dankte ihm. Und das war ein Samariter. Jesus aber antwortete und sprach: Sind nicht die zehn rein geworden? Wo sind aber die neun? Hat sich sonst keiner gefunden, der wieder umkehrte, um Gott die Ehre zu geben, als nur dieser Fremde? Und er sprach zu ihm: Steh auf, geh hin; dein Glaube hat dir geholfen. Amen.

Liebe Gemeinde!

Das können wir uns doch heute gar nicht mehr vorstellen, dass man derart mit aussatzkranken Menschen umgeht. Oder – machen wir uns da etwas vor, und haben uns etwa in Corona-Zeiten letzten Endes ähnlichverhalten? Jedenfalls wusste man damals einfach bei solchen ansteckenden und vielfach tödlichen Krankheiten nichts Anderes, als alle Infizierten einfach aus der Gemeinschaft auszuschließen. Denn sonst würden ja alle mit ihnen zusammen an diesem schrecklichen Aussatz, also an der Lepra, zugrunde zu gehen. Ja, auf diese Weise war damals das Zusammenleben organisiert. Das war damals Menschengemeinschaft. Es durften nur die Gesunden sein, die richtig dazu gehörten. Allerdings, wenn es tatsächlich so sein sollte, dass Aussätzige ihre Krankheit lebendig überstanden hatten, dann durften sie auch wieder unter die Leute. Und die Priester, die damals auch die Aufgaben von Ärzten hatten, die mussten dem Aussätzigen dann bescheinigen, dass er geheilt war, und deshalb sagte Jesus dann ja auch zu ihnen: „Geht hin und zeigt euch den Priestern!“ Und das Spannende ist erstens, dass sie Jesus tatsächlich glaubten und zweitens, dass sie tatsächlich dann rein wurden. Sensationell! Aber auch unglaublich!

Wieso unglaublich? In der Menschheitsgeschichte gab es das doch immer wieder, dass Menschen plötzlich geheilt wurden. Warum denn unglaublich?

Aber vielleicht hat das mit unserer so guten und erfolgreichen Medizin zu tun, die uns heutzutage, Gott sei Dank, ziemlich gute Medikamente gegen viele schlimme Krankheiten bereit hält, so dass eigentlich niemand mehr derartig ausgegrenzt werden muss.

Jedoch, hat uns deshalb etwa dieses Gleichnis nun nichts mehr zu sagen? Lassen Sie uns hier ersteinmal den direkten Umkreis der Medizin verlassen und in andere Lebensgebiete schauen: Gibt es das heute etwa nicht mehr, dass Menschen ähnlich wie Aussätzige angesehen und ausgegrenzt werden? Jetzt allerdings nicht mehr wegen Lepra, sondern aus vielen anderen Gründen: Wie ist das z.B. bei Euch Jugendlichen etwa in den Schulklassen? Wie werden denn Klassenkameraden angesehen und ausgegrenzt, wenn sie etwa nicht die richtige Musik mögen, oder nicht den richtigen Pulli tragen?

Oder wie ist das im Berufsalltag oder in der Nachbarschaft? Ist das nicht schon so manches Mal passiert, dass jemand schief angesehen und dann ausgegrenzt wurde, nachdem alle erfahren haben, dass er seine Arbeit oder sein bedeutendes Amt verloren hat? Solche Ausgrenzung muss ja nicht immer richtig ausgesprochen werden, aber sie wird so manches Mal um so deutlicher und schmerzhafter gefühlt.

Oder wie oft fühlt sich da eine wie aussätzig, nachdem alle erfahren haben, dass sie Krebs hat? Oder wie oft fühlt sich da einer wie aussätzig, der etwa den Ehepartner durch Trennung oder Tod verloren hat? Wo bleiben denn da die Freunde, die einen sonst immer so gern besucht hatten?

Aber wie gut, dass es da in manchen Dörfern und Stadtteilen noch so viel Gemeinsinn gibt, dass man doch recht viel mit einander spricht oder einander in der Nachbarschaft hilft. Und dazu gehört ja auch der Dienst in der freiwilligen Feuerwehr, im Technischen Hilfswerk, bei den Johanniter oder Maltesern, bei den Tafeln usw. So viel gute Dienste für Nachbarn in Not. So viel gute Dienste für die Nächsten in Not, damit sie nicht ausgegrenzt sind.

Und trotz aller dieser Hilfen wissen wir, wie viel Not und Leiden es dennoch unter uns gibt. Und wenn man dann gut versorgt ist, etwa im Krankenhaus oder im Alten- und Pflegeheim, dann fühlen sich dennoch so manche trotzdem völlig abgeschirmt und abgeschottet, eben einsam, hilflos, gottverlassen. Und wenn ich dann am Krankenbett stehe, dann ist so viel stöhnen und Seufzen zu hören, Und im Grunde hört sich das genauso an, wie das “Jesus, lieber Meister, erbarme dich unser!” Wie oft habe ich dann mit Kranken zusammen Gott im Vaterunser angerufen mit der Bitte um Heilung und Heil.

Aber gibt es denn auch heute genauso Heilung, wie damals als Jesus die Aussätzigen traf? Nein? Oder schauen wir da vielleicht nicht aufmerksam genug hin? Denn eigentlich ist es doch ein unbegreifliches Wunder, was unser Gott da allein im Krankenhaus immer wieder geschehen lässt. Denken wir doch einmal allein an die bei einem Unfall zerbrochenen und zersplitterten Knochen. Ist es da nicht in Wahrheit ein unbegreifliches Wunder, dass unser Gott diese Knochen – von den Ärzten durch Nägel und Drähte dann wieder zusammengefasst – wieder zusammenwachsen und heilen lässt? Und welcher Mensch oder tüchtige Arzt wollte da von sich behaupten, er selbst hätte diese wunderbare Heilungskraft erfunden? Nein, hier bewirkt unser Gott Heilung und Heilsames durch das Wunder des Lebens, das er uns anvertraut hat. Oder wenn z.B. Ärzte üble Eiterherde mit chemischen Stoffen umgeben, damit sie von den gesunden Körperzellen bekämpft und abgebaut werden könne, und damit der Mensch wieder Kraft finden kann, ist das nicht wiederum nichts anderes als ein wunderbares Werk unseres Gottes? Also insofern geschieht unter uns durch Gott am laufenden Band wunderbare Heilung. Und darüber kann man eigentlich nur staunen und von Herzen dankbar sein.

Und jetzt bricht mit einem Male gewaltig unser Bibelwort ein in dieses heutige Geschehen! Denn folgt etwa heutzutage dem Staunen über alle diese Wunderwerke unseres Gottes dann auch ein lautes oder auch leises Gott-danken? Ich bitte Sie, hören Sie sich um: wo bleibt denn diese Danken heute eigentlich? Wie viele aller wieder geheilt entlassenen Patienten treffen wir denn dann im Gottesdienst wieder, wo sie dann Gott von Herzen für die neu geschenkte Gesundheit danken könnten? Seien Sie sich sicher, es sind bei weitem nichtvon Zehnen einer, wie in dem Bericht des Evangelisten Lukas. Könnte es darum also nicht wirklich so sein, dass in unserem Bibelwort eigentlich nur unsere heutige Realität beschrieben ist? Und könnte es darum nicht auch wirklich so sein, dass man dadurch, dass Jesus schonungslos unsere Undankbarkeit aufdeckt und ausspricht, mit einem Male einen Schrecken bekommt? Nein, nein, nicht Jesus macht uns Angst. Für mich klingt es ehe so, ob es vielmehr unsere eigene Undankbarkeit ist, die uns dann mit einem Male zu würgen beginnt, weil sie plötzlich so brutal offen zu Tage liegt.

Und wenn wir einmal genauer auf das schauen, was offen zu Tage liegt, dann finde ich es richtig spannend, wie die erste Reaktion aller Aussätzigen war, als Jesus zu ihnen sagte: „Geht hin und zeigt euch den Priestern!“ Hat da auch nur einer gefragt: „Kann man dir auch glauben, Jesus, Gottes Sohn?“ Oder: „Gibt es Gott überhaupt?“ Nein, sie alle glaubten ihm doch sofort und wurden dann auch alle rein. Ja, in der Not ist da häufig so viel Glauben und der Glaube hilft. Denn wer im Elend nicht glaubt, geht unter.

Warum aber sagt dann Jesus nur zu diesem Einen, der dann in Jesus Gott die Ehre gibt: “Dein Glaube hat dir geholfen”? Da stimmt doch etwas nicht, denn den anderen Neun hat er doch auch geholfen? Oder ist diesem einen Fremden etwa in ganz anderer Hinsicht geholfen worden? Ist ihm vielleicht – indem der Dank seine Seele überwältigte – von einer ganz anderen Krankheit geholfen worden, von der eigentlichen Krankheit des Menschen, von der Krankheit des Menschen, mit Gott schlicht nicht zu rechnen und Gott nichts zuzutrauen?

Aber wegen dieser Grundkrankheit des Menschen, die in der Undankbarkeit nur in ihrer Hässlichkeit ans Tageslicht tritt, wird man nicht in ein Krankenhaus eingeliefert und sie wird nicht medizinisch behandelt. Dabei ist sie ja keinesfalls harmlos, sondern mindestens genauso tückisch, wie ein Eisberg am Polarkreis: dessen größter Teil im Wasser verborgen ist und nur ein kleiner Teil sichtbar über das Wasser hinaus ragt.

So ist der größte Teil unserer Missachtung Gottes, dessen eben nur äußerer Teil das Laster der Undankbarkeit ist, in unserem Inneren verborgen. Und so wird unser Inneres vergiftet und zerstört, wenn auch vielfach der äußere Schein gewahrt bleibt. Aber ab und zu bricht dann eben dieses Gift aus uns hervoretwa in schlimmen Taten, oder auch in selbsterzeugtem Elend. Und wenn wir auch sonst in unserem Leben nichts mit Gott und seinem Wirken am Hut hatten, und wenn wir auch sonst in unserem Leben weder staunen konnten noch Gott dankbar sein, im Elend, da ist er ganz von selbst Ziel unserer Frage nach dem „Warum?“. Manchem wird dann plötzlich peinlich deutlich wie selbstverständlich er bisher alles Gute, Schöne und Gesunde hingenommen hatte, ohne es als gute Gabe Gottes zu würdigen und Gott dafür zu danken. Manchem fällt dann tatsächlich auch wieder ein, wie er schon einmal unter Tränen und unter Schmerzen gejammert und geschrien hat: “Jesus, lieber Meister, erbarme dich unser!” Und wie ihm dabei gleichzeitig aufging, wie verfehlt das eigene Leben bisher war und dass darum künftig alles anders werden müsse: nämlich künftig ein Leben mit Gott zu führen, in Dankbarkeit über jeden neu geschenkten Tag, in Dankbarkeit für ein schönes Wohnquartier, in demütigem Gebet, wo Gott jede wichtige Frage zur Entscheidung vorgelegt wird, in aufrichtiger Liebe zum anderen, zum Nächsten, ja, auch zu den anderen neun in unserem Gleichnis, die doch genauso die uns von Gott gewiesenen Wege nicht verfehlen sollen.

Allerdings, wer dann tatsächlich sein neu geschenktes Leben nach Gottes Willen in Dankbarkeit führt, dem gilt eine Verheißung! Und darum fiel mir als Überschrift über dieses Bibelwort und diese Predigt ein: „Dankbarkeit heilt!“ Wer also nach Krankheit, Lebenskrise und überstandener Einsamkeit tatsächlich umkehrt, um Gott zu loben und im Namen Jesu Christi zu leben, wer so tatsächlich nach Trauer und überstandener Sorge Gott für Trost und Stärkung dankt und mit seinem ganzen Leben zu unserem Herrn und Erlöser Jesus Christus umkehrt, dem gilt die Verheißung, dass in ihm eben die eigentliche Krankheit des Menschen geheilt ist, und dass Jesus Christus ihn darum gütig anschaut und ganz bestimmt am Ende aller Zeiten freundlich zu ihm spricht:

“Steh auf, geh hin; deine Dankbarkeit in deinem Glaube hat dir geholfen, geh freudig hinein in das Reich Gottes. Komm, Deine Seele ist geheilt und erlöst, Deine Wunden und Schmerzen sind vorbei. Jetzt in Gottes ewigem Reich sind Deine Tränen abgewischt. Komm, Du mein geliebtes Kind, alles ist dir vergeben, Deine Schuld ist getilgt, Nun wirst du alles finden, wonach du dich so sehr gesehnt hast. Komm, meine geliebte Tochter, Komm, mein geliebter Sohn, nun sollst Du getröstet und erfüllt von Gutem und Schönen überwältigt werden.”

Wer kann es nicht sehen und fühlen, dass solche Worte, dass solche wunderbare Vollendung des Lebens, mehr ist als Heilung des Leibes und mehr ist als irdisches Leben, und dass sie auch ermuntern und kräftigen zu jeden guten Dienst am Nächsten zur Ehre Gottes?

Solche wunderbaren Worte von Christus hören zu dürfen und von ihnen auf ewig umschlossen zu bleiben, das schenke darum Gott uns allen. Amen.

Pastor i. R. Prof. Dr. Andreas Pawlas

Eichenweg 24


25365 Kl. Offenseth-Sparrieshoop

Andreas.Pawlas@web.de

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