Lukas 22,24-32

Lukas 22,24-32

Invokavit | 18.02.2024 | Lk 22,24-32 (dänische Perikopenordnung) | Anna Jensen |

Der Boden unter uns, der verschwindet

Sketsche über Diener gehören unter jungen Leuten zu den Klassikern.

Hört nur:

„Herr Ober, dieses Gulasch ist schrecklich!“

„Unser Koch hier hat schon Gulasch gemacht, als du noch nicht geboren warst!“

„Das mag ja sein, aber warum hat er ihn bis heute aufbewahrt?“

Oder:

„Herr Ober, da liegt eine Fliege und schläft auf meiner Suppe!“

„Entschuldigen Sie, mein Herr, ich werde sie jetzt gleich wecken!“

Und so könnten wir fortfahren.

Wenn man einen Sketsch schreibt oder einen Witz, dann spielt man mit den Annahmen des Zuhörers. Wenn wir einen Diener-Witz hören, nehmen wir an, dass dies in einem Restaurant stattfindet. Wir sehen die Szene vor uns, der Gast hat ein Problem und ruft den Ober. Normalerweise, wenn da Probleme sind mit Fliegen in der Suppe oder etwas anderes mit dem Essen nicht in Ordnung ist, erwarten wir, dass sich der Ober sofort entschuldigt und eine neue Portion serviert. So aber nicht in den Witzen über den Ober. Hier wird dem Zuhörer der Boden unter den Füßen entzogen, wenn der Ober seine höchst überraschenden Antworten gibt. Der Humor liegt in der Überraschung. Stand-up-Komiker, die ihr Metier beherrschen, bauen ihre Geschichten tüchtig so auf, dass wir als Zuhörer ihnen folgen – und dann plötzlich nehmen sie uns den Boden unter den Füßen weg. Die Geschichte nimmt eine Wendung, die wir nicht vorhergesehen haben.

„Wer ist der Größte?“ fragt Jesus heute, „derjenige, der zu Tische sitzt oder der, der dient? Ist es nicht der, der zu Tische sitzt?“ – Ja, denken wir als Zuhörer, so muss es sein. Wir folgen der Argumentation Jesu. In der normalen Weltordnung, da sitzt der König zu Tische, während ihm die Diener aufwarten. Aber dann verwendet Jesus denselben rhetorischen Kniff wie ein Stand-up-Komiker. Er entzieht uns den Boden unter unseren Füßen. „Nein, ich bin ja unter euch als der, der dient“. Unser ganzes Weltbild wird auf den Kopf gestellt und soll zerstört werden. Der König ist nicht der Größte, Jesus war auch nicht Führer oder Meister für alle seine Jünger, er war ihr Diener! Ich weiß nicht, ob Jesus Humor hatte, aber etwas witzig ist das im Grunde. All das, was wir von der Welt glaubten, erweist sich in den Augen Gottes als gerade umgekehrt.

Darüber können wir auf der Kirchenbank etwas lachen, aber vielleicht hat das Evangelium dieses Sonntags nicht denselben Schock-Effekt auf uns wie auf die Jünger. Der Boden unter uns wird nicht ganz entzogen, weil wir die Botschaft Jesu schon anerkennen. Wenn es eine Botschaft der Bibel gibt, die wir wirklich in Dänemark zu Herzen genommen haben, dann eben diese! Der Arbeitsmarkt in Dänemark ist für seine egalitären hierarchischen Strukturen bekannt. Ein Chef hat nicht mehr Macht als seine Mitarbeiter ihm geben. Ein Beispiel: Eine Abteilung in einem Büro sollte einen neuen Abteilungsleiter bekommen. Der oberste Chef ernannte einen der Mitarbeiter. Das veranlasste einen der anderen Mitarbeiter, sich bei dem obersten Chef zu beschweren, worauf der Chef antwortete: „Mir war nicht klar, dass du sich selbst als Leiter verstehst“. Aber nein, nein, das tat der Mitarbeiter bzw. die Mitarbeiterin bestimmt nicht, er bzw. sie war nur nicht der Auffassung, dass der andere Mitarbeiter bzw. die Andere Mitarbeiterin qualifiziert war, die anderen zu leiten.

In der Kirche ist es auch schwer, Leiter zu finden, nicht viele Pastoren wollen Pröpste werden. Macht ist nicht verlockend, weder für Pastoren noch für Frauen. Es fehlen Frauen für leitende Positionen in der Wirtschaft und in Aufsichtsräten. Man kann das Problem der fehlenden Frauen in Leitungsgremien dadurch lösen, dass man Quoten einführt. Aber die Wirklichkeit ist, die Frauen haben den guten Teil gewählt. Sie wollen lieber bei ihren Kindern sein, sich lieber mit ihren Freundinnen und dem guten Leben vergnügen als schwierige und unpopuläre Entscheidungen zu treffen mit Stress und Hast.

Der Frauen brauch die macht nicht, sie brauchen das nicht, dass man zu ihnen hinaufblickt. Man kann ja auf viele Weise Anerkennung finden. Viele wollen gerne durch ihr fachliches Können Anerkennung finden. Ein tüchtiger Buchhalter kann in seiner Arbeit mehr Anerkennung finden als ein schlechter Chef. Eine tüchtige Kindergärtnerin kann in ihrer Arbeit bei Kindern und Erwachsenen Anerkennung finden, vielleicht mehr als der kommunale leitende Mitarbeiter, der für Umstrukturierungen und Sparvorschläge zuständig ist. Erst wenn die Anerkennung fehlt, verschwindet der Boden unter uns.

Wenn wir Anerkennung finden beim denen, die uns nahestehen und in unserer beruflichen Tätigkeit gewürdigt werden, denken wir nicht viel darüber nach. Kain fühlte sich nicht anerkannt. Sowohl Kain als auch Abel brachten Gott ihr Opfer. Abel dachte nicht so viel darüber nach, während Kain grübelte. Gott nahm sein Opfer nicht an, und Kain fühlte sich übersehen. Das machte ihn traurig und zornig. Die starken Gefühle nahmen Überhand und führten zum Brudermord. Es ist wichtig für einen Menschen, anerkannt zu werden, fehlende Anerkennung kann uns tief seelisch krank machen. Wenn wir die Rolle des Dieners übernehmen, wie Jesus das seinen Jüngern befiehlt, dann erwarten dafür anerkannt zu werden. Wir können uns sehr wohl demütigen und anderen dienen, aber wir erwarten in irgendeiner Weise, dass uns das nützt.

Wenn wir ein Geschenk machen, erwarten wir dafür Dank. Im Wort „Dank“ liegt Anerkennung, „Ja, ich habe gesehen, was du für mich tust, danke:“ Oft erwarten wir auch Gegenleistung. Wer eine Gabe empfängt, ist verpflichtet, eine Gegengabe zu geben, das ist die Logik der Gabe. Nicht immer ist es so, dass die, denen wir etwas geben, imstande sind, uns zu danken. In ein paar Wochen sammeln wir hier in der Gemeinde für Brot für die Welt. Das Geld ist bestimmt für die Opfer der Kriege in Gaza und in der Ukraine, aber wir erwarten nicht, dass die Opfer der Kriege uns etwas geben oder sich bedanken. Dennoch erwarten wir eine andere Anerkennung. Die Leiter der Einsammlung sollen daran denken, uns zu danken, die wir freiwillig von Haus zu Haus gehen, wir wollen gerne eine positive Reaktion darauf, dass wir uns freiwillig gemeldet haben. Letztes Jahr bekamen wir eine rote Tüte mit Süßigkeiten als Dank. Solche Futterbeutel haben wir vielleicht genug, aber der Futterbeutel hat einen Signalwert, denn jetzt können alle anderen sehen, dass die mit den roten Tüten welche von den Guten sind. Alle wir guten Freiwilligen können uns damit brüsten, dass wir zu denen gehören, die geben, wir gehören zu denen mit den starken Ressourcen. Auf diese Weise gehören wir plötzlich zu den Größten, von denen Jesus sprach, zu denen die sich selbst Wohltäter nennen können.

Aber so sollte es ja nicht sein! Wir sollten uns nicht selbst Wohltäter nennen, wir sollten Diener sein.

Jesus selbst war Diener, ohne irgendetwas zu erwarten. Haben sich die Jünger jemals bei Jesus bedankt? Davon hören wir nichts. Im Gegenteil! Das Evangelium dieses Sonntags bezieht sich auf ein Ereignis am Abend von Gründonnerstag, Jesus hat gerade das Abendmahl eingesetzt. Im Laufe der Nacht werden alle Jünger Jesus im Stich lassen. Undank ist der Welt Lohn. Aber das erschreckt Jesus nicht. Im Gegenteil. Der Satan befällt Petrus, aber Jesus betet für ihn. Am Karfreitag wird sich Jesus kreuzigen lassen, weil seine Liebe zu den Menschen größer ist als die Liebe zu seinem eigenen Leben. Soweit ist er bereit, in seinem Dienst zu gehen.

Jesus erkennt seine Jünger an als Menschen. Er weiß sehr wohl, dass sie dem, was er ihnen aufgetragen hat, nicht gerecht werden, dass sie nicht selbstlose Diener sein können. So ist es auch mit uns. Gott erkennt uns an als die Menschen, die wir sind. Wir tun unser Bestes, aber wir können versagen wir Simon Petrus, wenn es wirklich darauf ankommt. Deshalb ging Jesus für uns in den Tod, damit wir die Vergebung der Sünden empfangen.

Som wird der Boden unter unseren Füßen dennoch weggenommen. Nicht als ein Witz, sondern als eine Entlarvung. Wir sind nicht so gut, wie wir gern sein wollen. Deshalb müssen wir unsere Häupter beugen, zum gnädigen Gott beten und sagen:

Lob und Dank und ewig Ehre sei dir unser Gott,

Vater, Sohn und Heiliger Geist.

Du, der du warst, bist und bleibst ein wahrer dreieiniger Gott,

hochgelobt von Anfang an, jetzt und in aller Ewigkeit. Amen.

Pastorin Anna Jensen

5230 Odense M

E-mail: ansj(at)km.dk

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