Lukas 22,39-46

Lukas 22,39-46

Wie Jesus das Ja zu seinem Sterben fand | Gründonnerstag | 06.04.2023 | Lk 22,39-46| Barbara Pfister |

Liturgischer Hinweis: Hinführung zur Predigt

Passion – wir stehen kurz vor dem Höhepunkt der Leidensgeschichte Jesu. An diesem letzten Abend ist viel passiert: Jesus diente seinen Jüngern, indem er ihnen die Füsse wusch. Er sprach beim Festessen über sein baldiges Sterben und dass sein Freund Judas ihn verraten und seinen Henkern ausliefern wird. Ein anderer Freund, Petrus, ereifert sich und verspricht Jesus ihn zu beschützen. Doch Jesus sagt ihm voraus, dass er, bevor der neue Morgen anbricht, leugnen wird, Jesus zu kennen, um so sein eigenes Leben zu schützen. Jesus teilt an diesem Abend das Brot mit seinen Jüngern und bestätigt ihnen, dass er bereit ist sein Leben zu lassen für seine Freunde. Der ereignisreiche Abend schliesst mit einem gemeinsamen Loblied.

Liturgischer Hinweis: Lesung Auszüge aus Psalm 118 (Hoffnung für alle)

oder alternativ das Lied «Nun saget Dank und lob den Herren»
(Text von Ambrosius Lobwasser 1573 aus Psalm 118)

1 Dankt dem HERRN, denn er ist gut, und seine Gnade hört niemals auf!
4 Alle, die Ehrfurcht vor Gott haben, sollen rufen: Seine Gnade hört niemals auf!
5 In auswegloser Lage schrie ich zum HERRN. Da holte er mich aus der Bedrängnis heraus und schenkte mir wieder die Freiheit.
6 Der HERR ist auf meiner Seite, ich brauche mich vor nichts und niemandem zu fürchten. Was kann ein Mensch mir schon antun?
7 Der HERR steht für mich ein und hilft mir; darum werde ich die Niederlage meiner Feinde erleben.
8 Es ist viel besser, beim HERRN Schutz zu suchen, als sich auf Menschen zu verlassen.
13 [Meine Feinde] haben mich erbittert bekämpft, um mich zu Fall zu bringen, doch der HERR hat mir geholfen.
14 Er hat mir Kraft gegeben und mich gerettet; nun kann ich wieder fröhlich singen.
17 Ich werde nicht sterben, sondern am Leben bleiben und erzählen, was der HERR getan hat!
21 Ich danke dir, HERR, denn du hast mich erhört! Du selbst hast mich gerettet.
22 Der Stein, den die Bauleute wegwarfen, weil sie ihn für unbrauchbar hielten, ist zum Grundstein des ganzen Hauses geworden!
23 Was keiner für möglich gehalten hat, das tut der HERR vor unseren Augen!
24 Diesen Freudentag hat er gemacht, lasst uns fröhlich sein und jubeln!
25 O HERR, hilf uns doch! Gib uns Gelingen!
29 Preist den HERRN, denn er ist gut, und seine Gnade hört niemals auf!

Predigt

  • Ein denkwürdiger Abend

Vor 2 Jahren bekam ich zu Ostern diese dicke Biografie geschenkt: «Jesus – eine Weltgeschichte», verfasst vom Journalisten und Historiker Markus Spieker.[1] Da drin steht über diesen Gründonnerstag Abend:

Bevor Jesus und die nunmehr elf Jünger die Stadt in Richtung Ölberg verlassen, stimmen sie ein Lied an. Welches, das verraten die Evangelisten nicht. Einiges aber spricht dafür, dass es sich um den Psalm 118 handelte, das grosse Finale des Passalieder-Zyklus, der die Psalme 113-118 umfasst. […]

«Danket dem Herrn, denn er ist gut, und seine Gnade hört niemals auf.»
Die Worte, die sich daran anschliessen, klingen fast, als wären sie eigens für diesen Abend gedichtet worden. Sie nehmen das vorweg, was in den nächsten Stunden passieren wird: «In auswegloser Lage schrie ich zum Herrn. Da holte er mich aus der Bedrängnis heraus und schenkte mir wieder die Freiheit. Der Herr ist auf meiner Seite, ich brauche mich vor nichts und niemandem zu fürchten. Was kann ein Mensch mir schon antun?»

Jesus führt die Jünger in Richtung Ölberg [… und] sucht ein Gärtchen auf, das Gethsemane heisst, übersetzt: Ölpresse. Früher wurden hier Oliven zu Olivenöl zerquetscht. Tatsächlich fühlt sich Jesus, als hätte ihn jemand durch eine Mühle gedreht. Sein Hirn schüttet Stresshormone aus. Die Angst kriecht in ihm hoch. Seinen Jüngern gegenüber bezeichnet er sich als «todtraurig». Nie zuvor hat er die Last seiner Verantwortung so intensiv gefühlt, nie die bevorstehenden Leiden so konkret vor Augen gehabt.[2]

Es war ein denkwürdiger Abend. Einerseits steht da Psalm 118 mit seinen wunderbaren Verheissungen: Gott ist auf meiner Seite. Ich muss mich vor nichts und niemandem fürchten. Wenn ich in einer ausweglosen Lage bin, holt Gott mich heraus. Andererseits wissen wir alle, was am folgenden Tag, an Karfreitag, passiert ist: Von Gott verlassen, in Todesangst wird Jesus ans Kreuz genagelt. Keine Legion von Engeln kommt ihn zu befreien und auch Gott spricht kein Machtwort, um sein Sohn aus diesem Elend herauszuholen.

In diesem Ausmass kennen wir Druck, Angst und Leid wohl nicht. Aber trotzdem ist uns das Gefühl bekannt zerquetscht und ausgepresst zu werden, wie wenn wir zwischen zwei schwere Mühlsteine geraten wären.

Auf der einen Seite drücken all die Verheissungen Gottes, die wir aus der Bibel kennen z.B. dass er immer da ist und denen, die ihn bitten gerne Gutes schenkt. Auf der anderen Seite drückt unsere Erfahrung und das momentane Erleben, wo Gebetserhörungen ausbleiben, die Lage ausweglos bleibt, weil wir nicht von Gott aus unserer Bedrängnis herausgeführt werden.

Zwischen diesen Mühlsteinen spielt sich der Kampf zwischen unserem Willen und Gottes Willen ab. Der auch uns nicht selten Tränen, Schweiss und schlaflose Nächte kostet und ans Eingemachte geht.

Ich lese die Szene, wie sie uns der Evangelist Lukas berichtet:

Predigttext: Lukas 22,39-46 (Zürcher Bibel)

39 Und er ging hinaus und begab sich auf den Ölberg, wie es seine Gewohnheit war, und die Jünger folgten ihm.
40 Als er dort angelangt war, sagte er zu ihnen: Betet, dass ihr nicht in Versuchung kommt!
41 Und er selbst entfernte sich etwa einen Steinwurf weit von ihnen, kniete nieder und betete:
43 Vater, wenn du willst, lass diesen Kelch an mir vorübergehen. Doch nicht mein Wille, sondern der deine geschehe.[1] Da erschien ihm ein Engel vom Himmel und stärkte ihn.
44 Und er geriet in Todesangst und betete inständiger, und sein Schweiss tropfte wie Blut zur Erde.
45 Und er erhob sich vom Gebet, ging zu den Jüngern und sah, dass sie vor lauter Kummer eingeschlafen waren.
46 Und er sagte zu ihnen: Was schlaft ihr? Steht auf und betet, damit ihr nicht in Versuchung kommt!

Alle 4 Evangelien erzählen diese Begebenheit. Nur lautet bei Matthäus und Markus die Bitte, die Jesus an seine Jünger richtet etwas anders: Bleibet hier und wachet mit mir. (Mt 26,38; Mk 14,34). Diese Aufforderung kennen wir als Taizé Lied, welches wir zwischen den folgenden 3 Gedanken jeweils singen werden.

Lied: Bleibet hier und wachet mit mir! Wachet und betet, wachet und betet! (Taizé 1984)

  • Betet, dass ihr nicht in Versuchung kommt

Von dieser Aufforderung Jesus wird die Szene am Ölberg gerahmt. Gleich zweimal lässt Lukas Jesus sagen: Betet, dass ihr nicht in Versuchung kommt.

Was meint er wohl hier mit «Versuchung». Um Süssigkeiten, Schokolade, Kaffee, Alkohol, Fleisch oder den übermässigen Social Media Konsum kann es ja wohl nicht gehen. Das passt nicht in die Geschichte. Auch wenn viele, die ich kenne während dieser Passions- und Fastenzeit darauf verzichten und dann in Versuchung geraten, wenn diese Dinge vor ihnen auf dem Tisch stehen.

In unserem Sprachgebrauch wird «Versuchung» meist negativ verwendet. Es geht um das Verführt werden zu etwas, was wir eigentlich nicht wollen oder das negative Folgen für uns hat. Versuchungen fühlen sich an wie Fallen, die uns gestellt werden, die schonungslos zuschnappen, wenn wir ihnen zu nahe kommen.

Doch diese negative Seite der Versuchung ist nur eine Hälfte. Im biblischen Sprachgebrauch klingt da viel mehr auch noch die Bedeutung eines zielgerichteten Versuchs, einer Prüfung oder Probe mit.

Das muss keinesfalls immer negativ sein. Denken wir doch an uns bekannte Prüfungen und Proben wie die Abschlussprüfung einer Ausbildung. Da muss das erworbene Wissen unter Beweis gestellt werden um ein Diplom zu erhalten. Oder beim Vorführen des Autos (Motorfahrzeugprüfung), wird das Gefährt auf die Probe gestellt, damit offensichtlich wird, ob es weiterhin fahrtauglich und sicher ist. Die Älteren unter uns kennen auch den jährlichen, verkehrsmedizinischen Sicherheitscheck ab Fünfundsiebzig. Da wird geprüft. Ob man weiterhin Autofahren darf. Bei all diesen Beispielen ist es möglich an der Prüfung zu scheitern oder sie zu bestehen.

Die Absicht hinter all diesen genannten unangenehmen Situationen ist durchwegs eine positive: Qualifikation, Sicherheit und Unfälle vermeiden. Ganz allgemein, viel weitergefasst, erleben wir immer wieder unterschiedlichste Prüfungen im Leben. Es gehört zum Menschsein Schweres, Unverständliches und Nöte, die uns ratlos zurücklassen, durchzustehen. Vielleicht deshalb sprechen wir ja auch von «leidgeprüften» Menschen.

In solchen Situationen stellt uns Gott auf den Prüfstand, aber nie mit der Absicht, dass wir versagen, sondern immer mit dem Ziel, dass wir bestehen – mit seiner Hilfe. Deshalb ist es wohl eine gute Aufforderung von Jesus, dafür zu beten, dass wir erst gar nicht in Versuchung kommen. Nicht erst im Garten Getsemane lehrt er uns so zu beten, sondern bereits im «Unser Vater»: Führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen.

Doch nicht immer führt Gott unsern Weg an Versuchung und Anfechtung vorbei. In dieser Nacht am Ölberg wurde das Gottvertrauen von Jesus und den Jüngern hart auf die Probe gestellt. Es gab die Möglichkeit im Glauben Schiffbruch zu erleiden oder auch durchzuhalten bis zum Sieg am Ostermorgen. Während Judas durch seinen Verrat, Petrus durch sein Verleugnen und die anderen Jünger durch ihr Flüchten und Jesus im Stich lassen, dieser Versuchung erlagen, bestand Jesus die harte Probe. Doch wie nur schaffte er das?

Lied: Bleibet hier und wachet mit mir! Wachet und betet, wachet und betet! (Taizé 1984)

  • Blut und Wasser schwitzen

 Diese Redewendung wurde auf Deutsch zu einem Synonym für Todesängste auszustehen. Genau das erlebte Jesus in dieser Nacht:

41 Er selbst … kniete nieder und betete.
44 Er geriet in Todesangst und betete inständiger, und sein Schweiss tropfte wie Blut zur Erde.

Während seine Jünger vor lauter Kummer eingeschlafen sind und nicht wachten und beteten, kämpfte Jesus mit der Angst. Ich selbst bin noch nie in solche Todesangst geraten. Vielleicht gibt es unter uns jedoch Menschen, die schon mal wegen Herzbeschwerden oder Atemnot sowas ähnliches durchgemacht haben.

Doch grosse Angst kann uns auch befallen und lähmen, wenn wir eine Schreckensmeldung erhalten, die Ärztin uns eine Diagnose eröffnet, ein operativer Eingriff auf uns wartet, wir Menschen oder Situationen hilflos ausgeliefert sind oder allein gelassen werden.

In solche Angst geriet Jesus, der Gottes Sohn, in dieser letzten Nacht vor seinem Tod. Ohne inständiges Beten und sich an Gott klammern, hätte er diese Belastung wohl nicht ausgehalten und durchgestanden. Nirgends sonst kommt so eindrücklich zum Vorschein, dass Jesus nicht nur Gottes Sohn, sondern auch ganz und gar Mensch, mit allen Schwächen, war.

Durch sein Leiden wird Jesus fähig, all unsere menschlichen Nöte und Ängste zu verstehen und uns durch diese hindurch zu begleiten. Wir können zusammen mit dem Hebräerbriefschreiber sagen, dass es dank dieser furchtbaren Erfahrung, für uns kein verständnisvollerer und vollmächtigerer Seelsorger gibt als Jesus. Denn er versteht uns und kann mitleiden, weil er am eigenen Leibe erfahren hat, was wir in den dunkelsten Stunden erleben.

7 Als Christus hier auf der Erde war – ein Mensch von Fleisch und Blut –, hat er] mit lautem Schreien und unter Tränen gebetet und zu dem gefleht, der ihn aus der Gewalt des Todes befreien konnte, und weil er sich seinem Willen in Ehrfurcht unterstellte, wurde sein Gebet erhört.

8 Allerdings blieb es selbst ihm, dem Sohn Gottes, nicht erspart, durch Leiden zu lernen, was es bedeutet, gehorsam zu sein.

9 Doch jetzt, wo er durch sein Leiden vollkommen gemacht ist, kann er die retten, die ihm gehorsam sind; ihm verdanken sie alle ihr ewiges Heil.

(Hebräer 5,7-9; neue Genferübersetzung)

Jesus ist ja nicht ein[er …], der uns in unserer Schwachheit nicht verstehen könnte. Vielmehr war er – genau wie wir – Versuchungen aller Art ausgesetzt, allerdings mit dem entscheidenden Unterschied, dass er ohne Sünde blieb.

(Hebräer 4,15; neue Genferübersetzung)

Weder Todesangst noch Leiden, schafften es, den Menschensohn von Gott zu trennen und die Beziehung von Jesus zu seinem himmlischen Vater zu zerbrechen. Wir können der Angst nicht fliehen, aber wir können es machen wie Jesus: mit aller Angst, allem Leid und Schmerz zu Gott fliehen. Für solch schlaflose Getsemane-Nächte hat Antje Sabine Naegeli ein hilfreiches Gebet formuliert:

Nicht vor dem Schmerz fliehen,
sondern wissen,
wohin wir mit dem Schmerz fliehen können,
darin liegt die Befreiung.

Der Schlaf verweigert sich mir.
Dunkle Schatten
legen sich über die Gedanken.
Wie der Nebel dem Boden entsteigt,
so steigt der Schmerz auf
aus den Tiefen der Seele
und deckt alle Getrostheit zu.
Ich bekämpfe ihn nicht.
Ich fliehe mit ihm zu dir,
mein Gott,
und bette mich in deine Arme.
Geborgen bin ich
an deinem Herzen.

(Antje Sabine Naegeli)

Wenn diese Geborgenheit spürbar wird, ist das wunderbar. Doch bei Jesus hat sich dieses Gefühl wohl an jenem Abend nicht eingestellt. Da blieb es beim Kampf und dem Durchringen zu seinem Ja zu Gottes Willen.

Lied: Bleibet hier und wachet mit mir! Wachet und betet, wachet und betet! (Taizé 1984)

Jesus bat seinen Vater im Himmel: 43 Vater, […] lass diesen Kelch an mir vorübergehen. Oder mit unseren Worten: Ich will nicht sterben! Aber dies ist noch nicht sein ganzes Gebet. Was ich ausgelassen habe beim Vorlesen ist:

  • Dein Wille geschehe

Auch diese Bitte ist uns bekannt aus dem «Unser Vater». Wie oft sagen wir sie gedankenlos, weil uns der Wortlaut einfach so vertraut ist. Doch mit dem heutigen Bibeltext im Hinterkopf merken wir auf einmal, was es uns kosten kann zu beten: Dein Wille geschehe. Jesus kostete es das Leben.

Ist es denn immer Gottes Wille einfach alles widerspruchslos anzunehmen und zu ertragen? Will uns Jesus hier ein Beispiel absoluter Schicksalsergebenheit geben, ganz entsprechend dem Pop-Schlager «Qué será, será, whatever will be, will be»?

Das wäre ein fatalistisches Missverständnis, das weder der «Unser Vater»-Bitte noch dem Todeskampf Jesu gerecht würde. Denn wenn es sich da einfach um eine zufällige, willkürliche Macht handeln würde, gegen die Jesus entweder ankämpfen oder sich ihr fügen müsste, wäre das wirklich blosse Schicksalsergebenheit. Aber es geht hier ja nicht um ein unpersönliches Schicksal, sondern um die Beziehung zu einer Person, um den Willen Gottes, unseres himmlischen Vaters.

Die Evangelien erzählen uns, dass es Jesu Auftrag war und Menschen den Willen Gottes bekannt zu machen. Dazu brachte Jesus seinen eigenen Willen immer wieder mit dem von Gott in Einklang, wie wir es z.B. im Johannesevangelium lesen:

Ich lebe davon, dass ich Gottes Willen erfülle und sein Werk zu Ende führe. Dazu hat er mich in diese Welt gesandt. (Joh 4,34; Hoffnung für alle)

Dabei kann ich nicht eigenmächtig handeln, sondern ich entscheide so, wie Gott es mir sagt. […]. Denn mir geht es nicht darum, meinen eigenen Willen zu tun, sondern ich erfülle den Willen Gottes, der mich gesandt hat.« (Joh 5,30; Hoffnung für alle)

Diese Willenseinigung nennt die Bibel Gehorsam. Das heisst, wenn wir Gottes Willen tun, ihm gehorsam sind, dann sind sein Wille und unser Wille deckungsgleich. Wir wollen dann nicht länger mehr etwas anderes als Gott will, sondern wir wollen dasselbe, was Gott will. Und genau zu diesem Einklang ringt sich Jesus hier durch:

Vater, wenn du willst, lass diesen Kelch an mir vorübergehen. Doch nicht mein Wille, sondern der deine geschehe.

Jesus ringt mit Gott und sich selbst. Er will nicht sterben, aber er kommt zur Einsicht, dass der Weg ans Kreuz der einzig gangbare ist um Gottes Willen umzusetzen, nämlich, dass alle Menschen gerettet werden können. Gott will, dass die Trennung zwischen Mensch und Gott überwunden wird, dass die Menschen nicht mehr länger nur ihrem Eigenwillen folgen und ihm davonlaufen oder gegen ihn ankämpfen. Er will, dass wir wieder sein Wille tun können und wollen.

Wäre Jesus dem menschlichen Willen gefolgt oder hätte auf den Willen seiner Jünger gehört, hätte er diesen Weg ans Kreuz bestimmt nicht gewählt. Doch in dieser Nacht hat er sich zu einem Ja durchgerungen: Ich will das, was Gott will! Weil ich davon ausgehe, dass dies das Beste für mich und die gesamte Menschheit ist.

Aufgrund von diesem Entscheid erlebte Jesus gerade nicht, dass sich Psalm 118 bewahrheitete:

In auswegloser Lage schrie ich zum Herrn. Da holte er mich aus der Bedrängnis heraus und schenkte mir wieder die Freiheit. […] Ich werde nicht sterben, sondern am Leben bleiben. (Psalm 118, 5+17)

Wenn sogar Jesus auf eines seiner tiefsten Gebete um Rettung ein Nein von seinem himmlischen Vater erhielt, erstaunt es uns das, wenn auch wir das ab und an so erleben?

Jesus wurde nicht vor Leid und Tod bewahrt. Aber trotzdem schenkte ihm Gott Freiheit. Nämlich die Freiheit freiwillig den Willen Gottes zu tun und so sein Auftrag hier auf Erden zu Ende zu führen – zu Gunsten von uns, wie wir es im Hebräer gelesen haben:

Doch jetzt, wo er durch sein Leiden das Ziel erreicht hat und alles vollbracht ist, kann er die retten, die ihm gehorsam sind; Ihm verdanken wir alle unser ewiges Heil. (Hebräer 5,9; neue Genferübersetzung)

Die Antwort auf Jesu Gebet in dieser Nacht ist die Auferstehung nach dem Tod und nicht das bewahrt werden vor dem Tod. Dieses endgültige Ja Gottes über unserem Leben, die Auferstehung zum ewigen Leben durch Schmerzen, Leid und Tod hindurch, gilt auch für uns. Paulus gibt uns passende Worte, wie wir unser Hingabegebet an Gottes Willen formulieren könnten:

Sein Leiden möchte ich mit ihm teilen und mein Leben ganz für Gott geben, so wie es Jesus am Kreuz getan hat. – Ich will [aber auch] die Kraft seiner Auferstehung erfahren.
(Phil 3,10; Hoffnung für alle; Reihenfolge umgestellt)

Amen

Liturgischer Hinweis: Gebet nach der Predigt

Vater, wenn du willst, lass diesen Kelch an mir vorübergehen. Doch nicht mein Wille, sondern der deine geschehe. Da erschien ihm ein Engel vom Himmel, und stärkte ihn. (Lk 22,43)

Dieser Engel liess Jesus nicht ausrichten, er müsse den bitteren Kelch nicht austrinken oder sein Leiden werde ihm erspart. Im Gegenteil: weil ihm das Leiden nicht erspart blieb, schickte ihm Gott diesen Engel, um ihn zu stärken.

Dass Gott auch uns solch eine Stärkung schicken möge, mitten in all dem, was uns belastet, schmerzt und leiden lässt, darum wollen wir bitten:

Schick mir keinen Engel der alle Dunkelheit bannt
aber einen der mir ein Licht anzündet
Schick mir keinen Engel der alle Antworten kennt
aber einen der mit mir die Fragen aushält
Schick mir keinen Engel der allen Schmerz wegzaubert
aber einen der mit mir Leiden aushält
Schick mir keinen Engel der mich über die Schwelle trägt
aber einen der in dunkler Stunde noch flüstert
Fürchte dich nicht

(Elisabeth Bernet)

VDM (Verbi Divini Ministra) Barbara Pfister, CH-Bubikon
E-Mail: barbara_pfister@gmx.ch

Barbara Pfister, geb. 1977, Pfarrerin in der ev. ref. Kirche Wetzikon (Zürich). Diese Predigt wurde im Altersheim Wildbach und im Seniorenzentrum Oase gehalten.

[1] Spieker Markus; Jesus eine Weltgeschichte; fontis Verlag Basel, 2020

[2] Ebd. S. 463f

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