Lukas 22,54-62

Lukas 22,54-62

Drei Mal | Lätare | 10.03.2024 | Lk 22,54-62 | Luise Stribrny de Estrada |

Predigt

„Herr, dein Wort ist meines Fußes Leuchte

und ein Licht auf meinem Weg.“

Gott segne unser Reden und unser Zuhören.

Sei du mit deinem Geist in unserer Mitte.

Amen.

Liebe Schwestern und liebe Brüder!

Dreimal behauptet Petrus, dass er Jesus nicht kennt. Dreimal wird er erkannt, und dreimal sagt er nein zu denen, die ihn mit Jesus in Verbindung bringen. Da kräht der Hahn und Jesus, den sie gefangen genommen haben, schaut seinen Freund an. Der weint bitterlich.

Diese Erzählung hat eine Vorgeschichte und eine Nachgeschichte, ohne die wir sie nicht richtig verstehen können. Ich lade Sie und Euch zu einem Dreischritt ein:

Während des letzten Abendmahls wendet Jesus sich plötzlich an Simon Petrus mit dem verstörenden Satz: „Simon, Simon, der Satan hat begehrt, euch zu sieben wie den Weizen“ (Lk. 22,31). Jesus sagt weiter, dass er für Simon gebeten habe, damit sein Glaube nicht aufhöre und er seine Brüder, die anderen Jünger, stärke. Jesus traut Simon Petrus viel zu. Petrus reagiert mit Überschwang, es klingt sowohl tapfer als auch großmäulig: „Herr, ich bin bereit, mit dir ins Gefängnis und in den Tod zu gehen“ (Lk.22,33). Aber Jesus kennt ihn besser als er sich selbst und kündigt ihm an, dass er noch vor dem ersten Hahnenschrei dreimal geleugnet haben wird, dass er ihn kennt.

Nach dem Abendmahl betet Jesus im Garten Gethsemane, dort wird er dann von den Knechten des Hohepriesters gefangen genommen, verraten durch den Kuss des Jüngers Judas. Die Knechte führen Jesus ab und bringen ihn in das Haus des Hohepriesters. Petrus folgt ihm von ferne. Er ist der einzige der Jünger, der sich bis in den Hof des Hohepriesters traut, so nah wie möglich bei Jesus. Mutig ist er, aber trotzdem hat er schreckliche Angst, sie könnten ihn gefangen nehmen wie Jesus oder ihn sogar zum Tode verurteilen. Zu der Magd, die ihn als einen der Jünger Jesu erkannt hat, sagt er: „Ich kenne ihn nicht.“ Hätte er sich zu Jesus bekannt, hätten die Umstehenden ihn womöglich ergriffen und wie Jesus in Fesseln dem Hohepriester vorgeführt. Noch zwei andere erkennen Petrus als Gefährten Jesu, und jedes Mal weist er das weit von sich. Sein Herz klopft wie wild. Aber er ist gerade noch einmal davongekommen, sein Mut hat ihn nicht ins Gefängnis gebracht. Er atmet auf. Da hört er, wie der Hahn kräht. Und Jesus, sein Freund, den er liebhat, sein Meister, dreht sich um und schaut ihm direkt ins Gesicht. Da erinnert Petrus sich an die Vorhersage Jesu vor wenigen Stunden, als sie beim Abendmahl zusammensaßen, er läuft hinaus und weint bittere Tränen der Reue.

Johann Sebastian Bach hat das in seiner Matthäuspassion vertont. Das „…und weinete bitterlich“ klingt so unendlich traurig, dass es kaum auszuhalten ist. In kleinen Halbtonschritten, chromatisch, bewegt sich die Stimme des Evangelisten, nur einmal von einem größeren Sprung unterbrochen. Verzweiflung, Trauer, Enttäuschung über sich selbst sind in die Melodiefolge hineingelegt. Bei Bach geht es weiter mit einer Alt-Arie, die mir eine der liebsten in der ganzen Matthäuspassion ist: „Erbarme dich, mein Gott, um meiner Zähren, meiner Tränen willen! Schaue hier, Herz und Auge weint vor dir bitterlich.“ Sie drückt die Hoffnung aus, dass Gott Petrus und uns verzeihen möge, weil wir aus tiefstem Herzen bereuen, was wir versäumt und falsch gemacht haben. – Bach bleibt nicht beim Geschehen in der Bibel stehen, sondern bezieht es auf uns. Wir versagen so wie Petrus und sind auf Gottes Erbarmen angewiesen.

Wir kehren zurück zum Dreischritt der Erzählung und gelangen jetzt zur Nachgeschichte. Sie findet sich im Johannesevangelium (Joh. 22,15-17). Nachdem Jesus auferstanden ist, trifft er seine Jünger am See Tiberias und hält mit ihnen ein Mahl mit Brot und Fisch. Danach fragt er Petrus dreimal: „Simon, Sohn des Johannes, hast du mich lieb?“ Dreimal antwortete Simon Petrus: „Ja, Herr, du weißt, dass ich dich liebhabe.“ Aber beim dritten Mal wird er traurig, weil es ihm scheint, dass Jesus ihm nicht glaubt, so oft, wie er ihn fragt. Jesus antwortet jedes Mal auf das Bekenntnis des Simon Petrus zu ihm: „Weide meine Lämmer.“ Ich verstehe die Worte von Jesus und Petrus so, dass sie die dreimalige Verleugnung auf dem Hof des Hohepriesters wieder gut machen. Dreimal hat Petrus „nein“ zu Jesus gesagt, dreimal sagt er jetzt „ja“ zu ihm, „ja, ich habe dich lieb“. Die Verleugnung ist überwunden. Es hat sie gegeben, sie wird nicht ungeschehen gemacht, aber sie bestimmt nicht mehr das Verhältnis zwischen Petrus und Jesus. Die beiden Freunde haben sie hinter sich gelassen.

Und noch mehr: Jesus gibt Petrus eine Aufgabe, er soll auf die Menschen aufpassen, die an Jesus glauben, er soll ihr Hirte sein. Er soll für die entstehende Gemeinde da sein und sie leiten. Ausgerechnet Petrus! Das Großmaul, der Angsthase, der Versager. Jesus traut ihm zu, seine Gemeinde aufzubauen. Er hat sich durch seinen Verrat nicht für immer disqualifiziert, sondern wird von Jesus auch mit seinen guten Eigenschaften gesehen. Jesus braucht keine Überflieger, keine Helden, keine perfekten Nachfolger, sondern ganz normale Menschen wie dich und mich. Oder wie Petrus. Der Trauernde, der Liebende, der Mutige.

Wie ist es mit uns? Ich finde mich in Petrus wieder, der sich vor Angst nicht traut, zu seinem Freund zu stehen. Als Jugendliche hatte ich eine gute Freundin, die aber viele von meinen Klassenkameradinnen nicht mochten. Gerne zogen sie in der Pause über sie her und machten sich über sie lustig. Ich wollte unbedingt zu ihrer Clique dazu gehören und hielt deshalb den Mund. Ich bin nicht für meine Freundin eingetreten, sondern habe so getan, als würde ich den anderen zustimmen. Ich habe sie und unsere Freundschaft verraten.

Wir machen Fehler, versagen sogar wie Petrus. Ich denke an eine Freundin, die vor dreißig Jahren geheiratet hat, voller Liebe und Optimismus, dass sie und ihr Mann gemeinsam ein gutes Leben haben würden. Jetzt haben sie sich getrennt. Nachdem die Kinder ausgezogen waren, ging es für sie beide nicht mehr weiter, sie sahen keine gemeinsame Zukunft mehr. Haben sie versagt? Sie konnten das Versprechen, das sie sich bei ihrer Hochzeit gegeben hatten: „Wir wollen zueinander stehen in guten wie in bösen Tagen bis der Tod uns scheidet“, nicht weiter durchhalten. Aber in den dreißig Jahren davor haben sie es gelebt, mal mehr, mal weniger überzeugt. Vielleicht ist es Versagen, oder doch eher ein Auseinanderleben, den Unterschieden zwischen ihnen geschuldet, die sich mit den Jahren mehr in den Vordergrund schoben als die Gemeinsamkeiten. Sie haben einander in der Zeit der Trennung verletzt. Ich wünsche ihnen, dass sie dazu kommen, wieder miteinander reden und sich in die Augen schauen zu können, weil die Wunden vernarbt, sogar geheilt sind.

Mich berührt, dass Jesus seinem Freund Petrus, obwohl er ihn verleugnet hat, mit der Aufgabe betraut, sich um seine Gemeinde zu kümmern. Ich glaube, dass Gott auch für jeden von uns eine Aufgabe hat. Er kann uns brauchen, um an einer besseren Welt zu bauen. Wie kann das aussehen? Ich denke an einen Freund, der sich im Naturschutz engagiert. Er geht hinaus in den Wald und kontrolliert die Nistkästen. Er baut Zäune, damit die Kröten, wenn sie sich auf den Weg zum Laichplatz machen, nicht über die Straße laufen. Er beobachtet und zählt die durchziehenden Gänse, die in der Lagune rasten. So sorgt er für die Tiere, die Geschöpfe Gottes sind.

Eine andere ist in der Arbeit mit Flüchtlingen aktiv. Sie betreibt zusammen mit einer Gruppe das Café Welcome, in das Flüchtlinge an jedem Nachmittag kommen können. Sie tauschen sich mit anderen aus, lernen Deutsche kennen, sitzen gemütlich zusammen und bekommen Hilfe bei ihren Hausaufgaben zum Erlernen der deutschen Sprache. Die Demonstrationen für Demokratie und für ein Land, das für alle offen ist, organisiert sie mit und ist glücklich, dass so viele Menschen dafür auf die Straße gehen. Sie ist davon überzeugt, dass Gott alle Menschen gleich liebt, unabhängig von ihrer Herkunft und Hautfarbe.

So ist Petrus, der Freund von Jesus, ein Mensch, an den wir anknüpfen können. Er ist kein Held, an den wir doch nie heranreichen würden, sondern ein Mensch mit guten Seiten ebenso wie mit Fehlern und Schwächen. Sogar einer, der seinen Freund und Herrn, den er liebt und bewundert, verrät. Ich finde sympathisch, dass er seine Gefühle zeigt, dass er weint, verzweifelt ist und bereut, was er getan hat. Petrus macht mir Mut, dass Gott auch für uns ganz normale Menschen eine Aufgabe hat, um die Welt in seinem Sinne zu verändern.

Dann können wir einstimmen in das nächste Lied:

„Lass uns den Weg der Gerechtigkeit gehn, dein Reich komme, Gott, dein Reich komme.“ Amen. (Ergänzungsheft zum EG, Nr. 25)

Der Predigttext wird als Evangelium gelesen.

Liedvorschläge:

-Wochenlied 1: Korn, das in die Erde, EG 98

-Wochenlied 2: Jesu, meine Freude, EG 396

-zur Melodie von Wochenlied 2 gibt es einen neuen Text von Jörg Zink:

  Dich rühmt der Morgen, in: Durch Hohes und Tiefes Nr. 413

-Holz auf Jesu Schulter, EG 97

Luise Stribrny de Estrada

Lübeck

E-Mail: pastorin.stribrny@gmx.de

Luise Stribrny de Estrada, geb. 1965, Pastorin der Nordkirche. Von 2001-2009 Pastorin der deutschsprachigen evangelischen Gemeinde in Mexiko. Seit 2009 Pastorin in Lübeck, zunächst in der St.Philippus-Gemeinde, die nach der Fusion im Jahr 2022 zur Gemeinde Marli-Brandenbaum gehört.

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