Lukas 23,26-49

Lukas 23,26-49

Versuche nicht, es zu verstehen! | Karfreitag | 29.04.24 | Ps 22; Lukas 23,26-49 (dänische Perikopenordnung) | Eva Tøjner Götke |

Versuche nicht, es zu verstehen!

Die Gottverlassenheit des Karfreitags trifft hart.

Wo bleibt Gott, fragen wir, wenn jemand einen allzu frühen Tod stirbt?

Wenn wir sinnloser Gewalt begegnen.

Wenn Krankheit und Unglück uns triffen.

Warum?

Warum all dieses Leid?

Wo ist Gott in all dem?

Gottes eigener Sohn hat so gefragt.

Gefragt und gefragt – nicht als eine interessante grundsätzliche theologische Frage, die wir stellen, wenn wir aufdecken wollen, dass die Sache mit Gott und Liebe nichts miteinander zu tun haben.

Jesus schrie zu Gott. Vom Kreuz schrie er.

Mitten in der Gottverlassenheit.

   Du hast dies hier zu verantworten! Du bist es, der die Macht hat!

Wo bist du? Warum hast du mich verlassen? Höre mich.

Höre mein Schreien!

Dieser Schrei ist ein Karfreitagsgebet. Das ist ein Schrei um Hilfe!

Dort, wo keine Hilfe ist.

Ein Schrei nach Stärke! Dort wo aller Mut schwindet.

Aber es ist nicht ein Aufgeben. Es ist ein sich Hingeben.

An Gott.

Mitten in der Gottverlassenheit.

Kein Aufgeben. Sondern ein Karfreitagsgebet.

Weiter als bis dahin kommen wir nicht, nicht weiter als bis zum Gebet.

Das ist die Sprache des Glaubens und der Hoffnung. Wir bekommen nie eine Antwort auf unsere Frage nach dem Warum.

Wir bekommen nie eine Antwort auf all das Leid in der Welt. Auf die Frage danach, woher das Böse kommt.

Es gibt keine rationale Erklärung.

Wir bekommen nie eine Antwort auf die Frage, warum Jesus leiden musste – Gottes eigener Sohn. Es gibt keine rationale Erklärung, auch wenn die Theologie mehrere Erklärungen angeboten hat, um alles in einen Zusammenhang zu stellen.

Aber das bedeutet nicht, dass dies eine sinnlose Geschichte ist. Vielleicht erzählt sie uns etwas, was nur in dieser Weise hier erzählt werden kann. Weil wir das, was sie erzählt, die Leidensgeschichte, wiedererkennen – sie rührt uns an, unsere Gefühle, sie trifft uns – und letztlich gibt sie uns Trost.

Und dass ist der Sinn der Geschichte. Nicht dass wir sie erklären und verstehen können.

Sondern dass wir Trost und Stärke finden – und den Mut, das zu ertragen, was nicht zu ertragen ist.

An dem Tag, wo wir vom Leiden anderer nicht berührt oder angerührt werden, sind wir wirklich verloren – in der Gottlosigkeit.

An dem Tag, wo wir nicht angefochten sind, wo wir nicht nach dem Warum fragen, wo wir nicht entrüstet sind und uns nicht engagieren gegen das Böse und für andre kämpfen – da haben wir unsere Menschlichkeit und Mitmenschlichkeit verloren – sich an die Stelle anderer zu versetzen, Empathie zu haben.

Das kann natürlich eine Art sein zu überleben – all das zu übersehen, was wehtut und Trauer und Scham Schuld hervorruft. Wir nennen das Verdrängen.

Aber die Verdrängung ist auch eine Art Gnadengabe.

Denn wenn wir uns gefühlsmäßig von all dem, was um uns herum geschieht – in der kleinen wie in der großen Welt – beeinflussen lassen würden, würden wir daran zugrunde gehen.

Wir brauchen einen Filter. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass es ein Filter ist. Daran erinnert uns das Kreuz.

Das Leiden in der Welt ist eine Realität.

Menschliche Unmenschlichkeit ist eine Möglichkeit. Und die wohnt in uns allen. Daran will das Kreuz uns erinnern.

Karfreitag will uns daran hindern, irgendetwas zu vergessen.

Karfreitag will uns daran hindern, uns selbst in unserer Selbstzufriedenheit einzulullen.

Wir sind nicht nur Opfer des Leidens. Wir sind auch Zuschauer.

Und wir sind auch die, die anderen Böses antun.

Das ist so schamvoll. Wir sollten es besser wissen.

Aber all dies hier hat ja nichts mit einem Wissen zu tun, hat nichts mit Rationalität zu tun.

Sondern dass wir uns zu dem bekennen, was wir nicht erklären können und worüber wir nur weinen können – oft über uns selbst.

Das Kreuz spricht zu uns in seiner eigenen rätselhaften Sprache.

Das Kreuz zeugt zugleich von der Gottverlassenheit des Leidens und von der Nähe Gottes. Er ist für dich gestorben. Um dir Trost und Stärke und Mut zu geben, das zu ertragen, was unerträglich ist.

Das Kreuz zeugt zugleich von dem furchtbaren Leiden, das Worte nicht beschreiben können,  und von der Hoffnung auf die Liebe, die das Leben wieder von den Toten auferstehen lässt.

Der gekreuzigte und auferstandene Herr.

Das Geheimnis des Kreuzes.

Des halb zünden wir nun am Altar die Lichter an. Und deshalb feiern wir das Abendmahl. Geben nicht auf. Sondern übergeben uns Gott.

Der sich für uns Menschen hingab. Und den Preis bezahlte.

Dass wir den Mut bekommen, uns dem Leben hier in der Welt hinzugeben – und nicht nur das Leiden sehen, sondern auch einen Blick dafür bekommen, wie schön es ist, das Leben. Amen.

Pastorin Eva Tøjner Götke

DK-5230 Odense M

Email: etg(at)km.dk

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