Lukas 24,1-12

Lukas 24,1-12

Ostersonntag |09.04.2023 | Lk 24,1-12 | Ulrich Nembach |

Liebe Gemeinde!

Der Herr ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden. Mit diesem alten, auf das Lukasevangelium (Kap. 24, V. 34) zurückgehenden Gruß begrüße ich Sie an diesem Ostermorgen. Christen in aller Welt tun das seit vielen Jahrhunderten, aufgerichtet aus der Niedergeschlagenheit des Karfreitags, jubelnd, staunend, verwundert, getröstet, getrost, froh und festlich gestimmt.

Es ist viele Jahre her, dass ich, noch Student, mit einer Gruppe anderer Studenten über Ostern nach Mallorca gefahren bin. Wir haben Ferien gemacht. Wir erkundeten die Insel.  Wir unternahmen Vieles.  Sehenswürdigkeiten wurden  besichtigt. Am Ostersonntag sind wir zum Gottesdienst in die Kirche gegangen. Es war ein eindrucksvoller Gottesdienst, ich erinnere mich bis heute an ihn. In tiefer Ehrfurcht feierte die Gemeinde die Auferstehung Jesu von den Toten. Da kamen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zusammen. Das ist Ostern.

2.

Hier und heute tun wir uns mit dem Gedenken der Auferstehung eher schwer. Die Auferstehung lässt sich nicht erklären. Sie widerspricht unserer Erfahrung. Das macht uns ratlos. Wie gelähmt stehen wir da – eine Situation wie vor 2000 Jahren. Hören wir den lukanischen Bericht vom frühen Morgen des Ostersonntags:

1Aber am ersten Tag der Woche sehr früh kamen sie zum Grab und trugen bei sich die wohlriechenden Öle, die sie bereitet hatten. 2Sie fanden aber den Stein weggewälzt von dem Grab 3und gingen hinein und fanden den Leib des Herrn Jesus nicht.
4Und als sie darüber ratlos waren, siehe, da traten zu ihnen zwei Männer in glänzenden Kleidern. 5Sie aber erschraken und neigten ihr Angesicht zur Erde. Da sprachen die zu ihnen: Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten? 6Er ist nicht hier, er ist auferstanden. Gedenkt daran, wie er euch gesagt hat, als er noch in Galiläa war 7und sprach: Der Menschensohn muss überantwortet werden in die Hände der Sünder und gekreuzigt werden und am dritten Tage auferstehen.
8Und sie gedachten an seine Worte. 9Und sie gingen wieder weg vom Grab und verkündigten das alles den Elf und allen andern Jüngern. 10Es waren aber Maria Magdalena und Johanna und Maria, des Jakobus Mutter, und die anderen Frauen mit ihnen; die sagten das den Aposteln.11Und es erschienen ihnen diese Worte, als wär’s Geschwätz, und sie glaubten ihnen nicht. 12Petrus aber stand auf und lief zum Grab und bückte sich hinein und sah nur die Leinentücher und ging davon und wunderte sich über das, was geschehen war.

Die Szenerie kommt uns eigenartig bekannt vor. Sie entspricht derjenigen der Weihnachtsgeschichte. Dort spielen Hirten eine große Rolle, hier sind es drei Frauen. Sie werden beim Namen genannt. Maria Magdalena, Johanna und Maria, die Mutter des Jakobus, sind gekommen, um den Leichnam Jesu zu salben. Sie hatten wohlriechende Öle hergestellt. Mit ihnen wollen sie Jesus, wie es Brauch war, die letzte Ehre erweisen.

Aber nichts ist so, wie sie es erwartet hatten. Das Grab ist offen, der Stein ist weggewälzt, der Körper des Toten nicht da. Und wie in der Weihnachtsgeschichte unversehens ein Engel auftritt und die Hirten ins Bild setzt („Euch ist heute der Heiland geboren…“), sind es an dieser Stelle zwei Himmelsboten, die, das Geschehen bezeugend, die Situation erhellen: „Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten? Er ist nicht hier, er ist auferstanden.“ Das kommt eigentlich nicht überraschend: Die Frauen sollen, sie dürfen, sie können sich an Jesu Worte erinnern.

Und sie erinnern sich. Sie wenden sich unverzüglich ab vom Grab und berichten den Jüngern, was sie gehört und gesehen haben. Die aber, die Apostel, halten es für leeres Gerede, nichts denn ‚Weibergeschwätz‘ – „und sie glaubten ihnen nicht.“

Nur Petrus ist sich nicht so sicher. Er steht auf. Auch er geht zum Grab, sieht hinein, sieht nichts als die Leinentücher, nicht mehr und nicht weniger als die Frauen. Da geht er wieder weg vom Grab und wundert sich über das augenscheinlich Geschehene. Auch die Weihnachtsbotschaft rief zunächst nur Staunen (Lk 2, 18) hervor.

Petrus wundert sich. Das kann doch nicht sein! Er versteht die Welt nicht mehr. Oder? Vielleicht ist es das: Er, für den Jesus selbst gebeten hat, dass sein Glaube nicht aufhöre (Lk 22, 32), dieser Petrus, der Jesus am Karfreitag noch vehement verleugnet hatte, beginnt zu glauben.

3.

Verstehen wir das? Verstehen wir die Welt? Wir freuen uns über die Osterferien. Nicht wenige verreisen, wie auch ich das vor Jahren gern getan habe. 2023 werden vermutlich noch mehr Menschen unterwegs sein als sonst; endlich sind die Beschränkungen wegen der Pandemie vorbei, Ostern ist eine gute Gelegenheit wegzufahren. Schaffen wir uns Raum für die österliche Botschaft? Nehmen wir noch ihr Gewicht wahr und ihre Wucht? Die Kirchen bewahren und verkündigen sie. Christ ist erstanden! Man kann es gar nicht oft genug hören.

4.

Ein letzter Gedanke zum Schluss! In unseren Gottesdiensten bekennen wir unseren Glauben, den Glauben an Gott, an Christus, an den Heiligen Geist. Konzentriert und bedachtsam sprechen wir das Credo, vielleicht rezitieren wir es auch bloß in allsonntäglicher Routine. Am Ende jedoch bezeugen wir gemeinsam: Wir erwarten die Auferstehung der Toten und das ewige Leben – „das Leben der kommenden Welt“, wie es im älteren Glaubensbekenntnis heißt.

So denken wir weit über unsere Friedhöfe hinaus. Tag für Tag reiht sich auf ihnen ein Grab an das andere. Auf den Schlachtfeldern der Erde sterben Zivilisten und Soldaten zu Hunderten. Sie werden sinnlos getötet, wie nun schon seit 14 Monaten in der Ukraine. Um sie alle trauern wir, leiden mit ihren Angehörigen mit, ihre Trauer geht uns nahe. Und ebenso halten wir fest an der Hoffnung auf „einen neuen Himmel und eine neue Erde“ (Jes. 65,17). Wir trauen Gottes Verheißung. Ja, wir sind ihrer gewiss, heute gewisser denn je: Es ist Ostern!

Amen

Prof. Dr. Dr. Ulrich Nembach, Göttingen

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