Markus 16,1-8

Markus 16,1-8

Erst war alles anders – und dann erst recht!| Ostersonntag | 17.04.2022 | Mk 16,1-8 | Peter Schuchardt |

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Hl. Geistes sei mit euch allen!

Der Predigttext für den heutigen Ostersonntag steht bei Markus im 16. Kapitel:

161Als der Sabbat vorbei war, kauften Maria aus Magdala, Maria, die Mutter von Jakobus, und Salome wohlriechende Öle. Sie wollten die Totensalbung vornehmen.2Ganz früh am ersten Wochentag kamen sie zum Grab. Die Sonne ging gerade auf.3Unterwegs fragten sie sich: »Wer kann uns den Stein vom Grabeingang wegrollen?«

4Doch als sie zum Grab aufblickten, sahen sie, dass der große, schwere Stein schon weggerollt war.5Sie gingen in die Grabkammer hinein. Dort sahen sie einen jungen Mann. Er saß auf der rechten Seite und trug ein weißes Gewand. Die Frauen erschraken sehr.

6Aber er sagte zu ihnen: »Ihr braucht nicht zu erschrecken! Ihr sucht Jesus aus Nazaret, der gekreuzigt wurde. Gott hat ihn von den Toten auferweckt, er ist nicht hier. Seht: Hier ist die Stelle, wo sie ihn hingelegt hatten.7Macht euch auf! Sagt seinen Jüngern, besonders Petrus: Jesus geht euch nach Galiläa voraus .Dort werdet ihr ihn sehen, wie er es euch gesagt hat.«8Da flohen die Frauen aus dem Grab und liefen davon. Sie zitterten vor Angst und sagten niemandem etwas, so sehr fürchteten sie sich. (Mk 16, 1-8 BasisBibel)

Liebe Schwestern und Brüder!

Es ist gut, dass wir heute Ostern feiern. Denn Ostern ist das Fest des Lebens. Jesus ist auferstanden von den Toten. Er lebt und hat die Macht des Todes überwunden. So erzählen es uns die alten Choräle. So erzählen es uns die Ostergeschichten der Bibel. Und es ist in diesen Tagen so immens wichtig, diese Lebensbotschaft zu hören. Denn sonst sind unsere Ohren verstopft und voll mit den Worten, die gerade jetzt wieder durch die Luft schwirren und die Nachrichten prägen. Worte wie Krieg, Angriff, Flucht, Verzweiflung, Tod. Dagegen aber steht nun das große Wort von Ostern:  Der Herr ist auferstanden! Er ist wahrhaftig auferstanden! Gott hat das Leben zum Sieg geführt. Die alten Choräle in unserem Gesangbuch erzählen von dem großen Kampf zwischen dem Tod und dem Leben. Es mag sein, dass diese Wortwahl in früheren Jahren nicht gerne gehört wurde. Doch durch die Bilder und den verzweifelten Kampf der Ukrainer ums Überleben erhalten auch diese Begriffe eine erschreckende Aktualität. Das Leben ist nicht einfach schön, so wie viele von uns es sich gerne erträumen. Das Leben ist oft hart und manchmal eben auch ein Kampf, ein Kampf Gut gegen Böse oder eben das Leben gegen den Tod.

Heute hören wir im Predigttext von einem inneren Kampf. Der Evangelist Markus erzählt in seiner Ostergeschichte davon. Sie beginnt mit den drei Frauen, die zum Grab gehen. Nun endlich, in der Frühe des Sonntagmorgens, gerade als die Sonne aufgeht, können Maria Magdalena, Maria und Salome wieder zum Grab. Sie waren schon am Freitag da, am Karfreitag, als man den Leichnam Jesu ins Grab gelegt hatte. Der Sabbat ist zu Ende, der Tag der Ruhe im Judentum. Jetzt endlich können sie dort am Grab weinen und trauern. Und sie können den toten Jesus mit dem Öl salben. Das ist ein alter Ritus des Abschiednehmens.  Die Frauen brauchen das, denn mit dem Tod von Jesu ist alles anders geworden. Sie hatten Jesus doch begleitet, so lange Zeit. Sie hatten seine Worte im Ohr, die so getröstet und so viel Hoffnung geschenkt hatten. Sie spürten noch immer das Bort an den Händen, mit dem er den Hunger so vieler gestillt hatte. Menschen, die blind waren oder von Dämonen besessen, hatte Jesus geheilt und ihnen eine neue Zukunft geschenkt. Und erst vor wenigen Tagen war Jesus doch in Jerusalem eingezogen als der neue König, umjubelt von den Menschen. Jetzt endlich, so hatten die Frauen mit den Jüngern gehofft, jetzt endlich wird Gott sein neues Reich errichten! Doch dann war ihr Jesus verraten und gefangengenommen worden, wie ein Verbrecher. Er wurde gefoltert und starb am Kreuz. Alle Hoffnung, alle Träume, alle Freude war vorbei. Alles war anders. Nun hoffen sie, ihre Trauer, um Jesus durch das Salben ein wenig lindern zu können. Doch die Trauer lässt sie nicht sehen, dass ein neuer Tag anbricht. Die Sonne geht auf als Zeichen der Hoffnung. Sie aber haben keine Hoffnung, ja sie sind sogar frustriert und fragen sich: Bringt das überhaupt etwas? Da liegt doch noch der große Stein vor dem Grab! Und wir haben niemanden, der diesen Stein wegrollt. Dann stehen wir draußen und können doch nicht zu Jesus. So versinken die Frauen in ihrer Hoffnungslosigkeit und Trauer. All ihre Lebensfreude ist dahin, ist mit Jesus am Kreuz gestorben. 

Doch nun kommen sie am Gab an und sehen erstaunt: Der Stein ist fort. Das Grab steht offen. Sie können hinein. Markus erzählt uns nicht ausdrücklich, wer diesen großen, schweren Stein weggerollt hat. Es kann nur Gottes Liebe gewesen sein, die dieses Sinnbild des Todes überwand. Doch das sehen die Frauen noch nicht. Ob sie erstaunt sind? Ob sie es einfach so hinnehmen, dass das Grab offen ist? Oder nehmen sie das in ihrer Trauer gar nicht richtig wahr? Ich denke, es ist eine Mischung aus allem. Doch jetzt, und ist das wichtige für sie, jetzt können sie ja doch ins Grab und Jesus salben. Auf dem Markt hatten sie doch dafür extra heute Morgen die Salbgefäße gekauft. 

Aber nun ist noch einmal alles ganz anders. Denn Jesus ist nicht da. Sie sehen einen jungen Mann in einem weißen Gewand. Dass es ein Engel ist, das erkennen die Frauen in ihrem Erstaunen und ihrer Trauer noch nicht. Da ergeht es ihnen wie Elia unter dem Ginsterstrauch, der das auch anfangs nicht merkt. Sie erschrecken, als sie den Mann sehen. Und ganz ehrlich, liebe Schwestern und Brüder, das hätte ich auch getan. Denn nun ist doch auch die Sicherheit des Todes nicht mehr da. Tot ist tot, dieser Satz gilt bei Jesus nicht mehr. Das erklärt ihnen auch der Engel: Ihr braucht euch nicht zu erschrecken. „Ich weiß, ihr sucht Jesus, der gekreuzigt wurde. Aber der ist nicht hier. Wenn ihr den Gekreuzigten sucht, dann guckt ihr in die Vergangenheit. Aber Jesus ist auferstanden. Gott hat ihn auferweckt. Hier im Grab ist er nicht. Gott hat ihm eine völlig neue Zukunft eröffnet – und euch auch!“ Und dann weist der Engel sie noch einmal auf die Stelle hin, an die der Leichnam Jeus hingelegt worden war. „Ihr wart doch am Karfreitag da, ihr habt es doch mit euren Augen gesehen. Und jetzt seht doch: Er ist nicht hier.“ Ich finde, der Evangelist Markus macht das sehr schön. Denn die ganze Szene spielt ja im Grab. Und ein Grab ist ein Ort des Todes. Doch das Grab Jesu wird zum Ort des Lebens. Hier hören die Frauen die allererste Osterpredigt: Jesus ist auferstanden! Und dann bekommen die Frauen noch einen Auftrag: „Geht nun los. Geht weg vom Grab. Geht zu den Jüngern und besonders zu Petrus und sagt ihnen: Jesus geht euch nach Galiläa voraus. Dort werdet ihr ihn sehen. Erinnert euch doch: Er hat es euch gesagt!“ Die Frauen gehen, so schnell sie können, aus dem Grab, und dann rennen, ja fliehen sie davon. Sie zittern am ganzen Körper und können sich gar nicht beruhigen. Denn nun ist erst recht alles anders! Der Tod hat nicht mehr das letzte Wort. Jesus ist kein Leichnam, der betrauert und gesalbt wird. Jesus lebt! Gott hat ihm das ewige, unzerstörbare Leben geschenkt. Das ist zuviel für die Frauen. Niemand sagen sie etwas davon, so groß ist ihre Angst. So endet Markus sein Evangelium. Und wenn es dabei geblieben wäre, dann wären wir jetzt gar nicht hier. Die Botschaft vom auferstandenen Jesus hätte niemals die Menschen erreicht. Die Welt würde sich weiter hoffnungslos um sich selbst drehen. Die Gewaltherrscher aller Zeiten würden kommen und gehen, ohne dass es eine Macht gegen sie gäbe. Wie schrecklich wäre das. Wie schrecklich und traurig wäre eine Welt ohne Ostern!

Die Frauen aber haben dann doch den Jüngern und auch Petrus davon erzählt. Aber sie brauchten Zeit, um das alles zu fassen und zu verstehen. Wenn Gott wirklich mit der Auferstehung Jesu das ganz Neue schafft, das eigentlich Unvorstellbare, dann geht das nicht von jetzt auf gleich. Da muss man durch einen inneren Kampf hindurch. Dann braucht man Zeit, um dieses Neue überhaupt denken und sagen zu können. Dann muss ich erst die Tränen trocknen und die Augen heben, weg vom Grab und vom Tod hin diese neue Zukunft, die Gott seinen Menschen schenkt. Zu dieser neuen Zukunft gehört ausdrücklich auch Petrus. Denn Petrus, ihr wisst es, hat Jesus dreimal verleugnet. Dreimal hat er gesagt.: „Ich kenne den gar nicht!“ Selbst für diesen Versager öffnet Gott seine neue Zukunft. Sogar ihm gilt das Lebenswort aus dem Grab. „Der Herr ist auferstanden!“ Wir Menschen mögen weiter leugnen, uns von Gott abwenden, wir mögen auch unsinnige Kriege führen. Trotz alledem gibt Gott uns nicht auf. Trotz alledem erklingt auch heute wieder sein Lebenswort. Es ist gut, dass es in den Kriegsgebieten dieser Welt, in der Ukraine, in Mali, im Jemen heute erklingt. Es ist gut, dass wir es uns heute zusagen. Denn damit erzählen wir von dieser anderen, neuen Welt Gottes, die möglich ist und die schon unter uns wächst. Der Tod, Angst und Entsetzen: Alles dies wird nicht bleiben. So wie Gott den Stein vom Grab wegrollt, so wird er auch alles andere, was uns einengt und einsperrt, was seine Liebe hindert, wegrollen. Und er wird den Weg freimachen für seine Liebe, die alles überwinden wird, auch den Krieg, auch die Angst, auch den Tod.

Ich wünsche euch allen frohe und gesegnete Ostern!

Amen

Lieder:

EG 99 „Christ ist erstanden“ 

EG 100 „Wir wollen alle fröhlich sein“

EG 116 „Er ist erstanden, Halleluja“

EG 432 „Gott gab uns Atem“

Fürbittgebet

Lieber himmlischer Vater, 

du sprichst dein Wort des Lebens in unsere Welt.

So oft übertönen die Geräusche von Gewalt und Hass dein Wort.

Aber nur dein Wort schenkt uns Leben.

Darum öffne unsere Ohren und Herzen für dich.

Wir rufen zu dir:

Herr, erbarme dich!

Wir bitten dich für deine Kirche.

Wir leben von deinem Wort.

Lass uns dein gutes Wort sagen, 

wo immer Krieg und Terror die Menschen bedrohen.

Wir denken an die Christen, die ihren Glauben nicht frei leben können.

Lass sie an der Hoffnung festhalten, die du uns schenkst.

Wir rufen zu dir:

Herr, erbarme dich!

Wir bitten für unsere Kinder und Jugendlichen.

Lass sie die Freude des Lebens erfahren.

Lass sie die Hoffnung von Ostern in ihrem Herzen spüren.

Wir rufen zu dir:

Herr, erbarme dich!

Herr,

so viele sind verzweifelt und suchen einen Sinn in ihrem Leben.

So viele sind gefangen in Sucht und Angst und Trauer.

Hilf ihnen.

Zeige ihnen den Weg, der zu deiner Freiheit führt.

Wir rufen zu dir:

Herr, erbarme dich!

Wir bitten für uns selbst.

Manches macht uns Angst.

Manches wünschen wir uns so sehr.

In der Stille sagen wir dir, was uns heute bewegt: STILLE

Lass uns auf dich vertrauen.

Wir rufen zu dir:

Herr, erbarme dich!

Wir danken dir, lieber himmlischer Vater, 

für deinen Sohn, der auferstanden ist von den Toten.

Er schenkt unserer Welt deine gute Zukunft.

Ihm sei Lob und Dank in Ewigkeit.

Amen

Anmerkung:

Gute Anregungen fand ich bei 

Gottfried Voigt, Der schmale Weg, Homiletische Auslegung der Predigttexte. Neue Folge: Reihe I, Göttingen 1978

Pastor Peter Schuchardt

Bredstedt

E-Mail: peter.schuchardt@kirche-nf.de

Peter Schuchardt, geb. 1966, Pastor der Evangelisch-Lutherische Kirche in Norddeutschland (Nordkirche), seit 1998 Pastor an der St. Nikolai Kirche in Bredstedt/Nordfriesland (75%), seit 2001 zusätzlich Klinikseelsorger an der DIAKO NF/Riddorf (25%).

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