Markus 2,1-12

Markus 2,1-12

Das Wort der Taufe von der Macht der Liebe | 19. Sonntag nach Trinitatis | Markus 2,1-12 (dänische Periokopenordnung) | Von Thomas Reinholdt Rasmussen |

Die ersten Worte, die bei einer Taufe gelesen werden, sind die Worte aus dem Matthäusevangelium: „Mir ist gegeben alle Macht“. Das sind deutliche Worte darüber, dass alle Macht Jesus gegeben ist und dass ihm diese Macht von Gott übertragen ist.

„Mir ist gegeben alle Macht“, heißt es da.

Aber wenn die Worte so ausgesprochen und gesagt sind, hat man ja eigentlich noch nichts gesagt. Denn was ist das eigentlich für eine Macht, von der hier die Rede ist? Was ist das für eine Macht, die Gott hat, und was für eine Macht ist das, die er Jesus übertragt oder anvertraut? Was für eine Macht ist ihm gegeben?

Es heißt ja, „mir ist gegeben alle Macht“.

Debatte über die Allmacht Gottes

In den letzten Jahren war in den Zeitungen in Dänemark eine große Debatte über die Frage, um was für eine Macht es sich handelt, wenn wir von der Macht und Allmacht Gottes reden. Das ist eine Debatte, die sicher aus der Koexistenz mit dem Islam entsprungen ist. Und das Problem ist ja, wenn Gott allmächtig ist, also alle Macht hat, warum dann alle diese Widrigkeiten und sogar Leiden, die wir ertragen müssen? Warum verhindert Gott das nicht, wenn er alle Macht hat? Und wenn er allmächtig ist, ist Gott dann nicht im Grunde böse, weil er dem allem kein Ende bereitet?

Die Diskussion über die Allmacht ist eine Diskussion, die einen Abgrund von Schlussfolgerungen in Bezug auf Gott eröffnet, und dies ist das wahrlich auch geschehen: Gott ist zu einem Despoten gemacht worden und sogar auch zum Gegenteil zu einem Gott, der nicht allmächtig ist sondern ohnmächtig, ein Gott, der sich nur in handerringender Ohnmacht zeigt – als ein sogenannter schwacher Gott.

Aber das Problem ist ja, dass wir uns nicht auf die eigenen Aussagen der Schrift von Gott und der Macht Gottes beziehen. Das Problem ist ja, dass wir verschiedene philosophische Ausdrücke und Auffassungen in den Begriff der Allmacht einbeziehen. Dann wird Gott entweder zu einem fernen Allherrscher oder zu einem nahen Jammergott. Und beides macht keinen Sinn.

Was also bedeutet das: Mir ist gegeben alle Macht?

Macht im heutigen Evangelium

Ja, dafür hat das heutige Evangelium eine Erklärung. Hier hören wir von dem eigenen Gottesdienst unseres Herren in einem Haus, wo die Leute zusammenkommen, um das Wort zu hören. Uns so dicht stehen die Leute, dass die Gruppe mit einem Gelähmten auf einer Bahre, die zu dem Haus kommen, durch das Dach einsteigen müssen, um sich Jesus nähern zu können.

Es kommt zu einem Wortwechsel. Eine Debatte, könnte man sagen, und Jesus vergibt dem Gelähmten seine Sünden – worüber die anwesenden Schriftgelehrten sehr verärgert sind. Und in diesem Zusammenhang fallen eben die Worte, die gerade die Macht Gottes erklären. Denn Jesus sagt, dass er die Vollmacht hat, Sünden zu vergeben.

Das Wort „Vollmacht“ ist in der griechischen Sprache dasselbe Wort wie Macht Gottes. Mir ist gegeben alle Macht bzw. Vollmacht, könnte man sagen.

Da haben wir also eine recht klare Definition der Macht Gottes: Die Macht der Vergebung. Die Macht, Sünde zu vergeben. Die Macht, eine Beziehung zu schaffen.

Das ist die Macht Gottes. Nicht eine Macht, blind zu herrschen. Nicht eine Macht, alles zu können, sondern eben eine Macht, eine Beziehung zu schaffen, wo keine Beziehung war. Eine Macht, ein Machterhältnis zu dem zu schaffen, was zerrissen war.

Vergebung ist nämlich Wiederaufrichtung einer Beziehung und eines Verhältnisses. Das zu erneuern, was zerbrochen war. Und diese Macht ist also die Macht Gottes.

So grundlegend ist also der christliche Gott ein Gott, der Beziehung schafft. Also eine Macht, die in der Liebe wirksam ist.

Von dieser Macht erzählt auch die ganze christliche Grunderzählung. Als die Beziehung zuerst im Paradies zerbrach und dann am Kreuz wieder neu geschaffen wurde – der Bruch zwischen Gott und dem Menschen und der Bruch zwischen Menschen – da wurde das Gebrochene in der Auferstehung geheilt. Gott schuf eine neue Beziehung am Ostermorgen.

Gott ist also ein Gott, der Beziehung schafft. Und wir glauben an einen Gott, der Beziehung schafft. Wir glauben an einen Gott, der alles neu macht.

Das ist ja gerade der Kern der Vergebung: Dass die Beziehung erneuert wird. Und eben das zeigt Jesus im heutigen Evangelium: Ihm ist alle Macht gegeben, Sünden auf Erden zu vergeben.

Ihm ist alle Macht gegeben, das Verhältnis zu erneuern.

Ihm ist alle Macht gegeben, eine Brücke zu bauen, wo keine Brücke ist.

Die Macht Gottes ist also nicht eine despotisch blinde Herrschermacht, sondern Gottes Macht ist seine Liebe. Die Macht der Liebe.

Von daher kann man fragen, warum Gott nicht einfach mit einem Fingerzeig Schmerz und Leiden abschafft. Aber so ist die Liebe nicht. Das wissen wir selbst aus unseren Erfahrungen mit der Liebe. Die Liebe liebt vielmehr stets durch Schmerz und Leiden, ja durch Kreuz und Grab. Die Liebe ist die einzige Macht, die unverändert sein kann durch Kreuz, Tod und Grab. D ie Unveränderlichkeit Gottes.

Liebe als Allmacht

Deshalb ist die Liebe Gottes die Allmacht Gottes. Und Liebe hofft alles, glaubt alles, erträgt alles, wie Paulus schreibt. Unsere Liebe ist oft ein armer Abglanz der Liebe Gottes, deshalb sollten wir wohl darauf achten, dass wir uns nicht zu hoch aufschwingen im Lobpreis unserer Liebe, die nicht immer alles hofft, alles glaubt und alles erträgt. Das lehrt uns alle Erfahrung.

Aber die Liebe Gottes tut eben das, denn sie ist seine Allmacht. Die Macht der Liebe, und das ist die Macht, die Jesus gegeben ist und die Macht, die er der Welt offenbart: Also liebt Gott die Welt, dass er seinen eingeborenen Sohn gibt, so dass niemand verloren geht, sondern dass er das ewige Leben hat in seinem Namen.

Wenn wir also bei der Taufe die Worte hören, dass Jesus alle Macht gegeben ist, dann sollen wir das hören als eine Zusage der Liebe. Als eine Zusage, dass Gott uns liebt mit all der Macht, die in seiner Liebe liegt. Die Macht, die uns in der Taufe umfängt und die alles hofft, trotz all unseres Versagens, die alles glaubt, trotz unserer Untreue, die alles erträgt, trotz unseres mangelhaften Glaubens. Denn Gott ist Liebe, und mit dieser Liebe umfängt und erlöst er uns und die Welt. Die Liebe ist die Macht Gottes. Amen.

Propst Thomas Reinholdt Rasmussen

DK 9800 Hjørring

Email: trr(at)km.dk

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