Matthäus 1,18-25

Matthäus 1,18-25

 


Göttinger Predigten im Internet
hg.
von Ulrich Nembach und Johannes Neukirch


Predigtreihe
„Maria“

17. Sonntag nach
Trinitatis, 15. Oktober 2000
Matthäus 1,18 –25
Felizitas von
Schönborn


Immanuel, Gott mit uns

1. Der Stammbaum mit dem der Evangelist
Matthäus sein Evangelium beginnt, ist wie die Ouvertüre einer Oper.
Nichts ist dem Zufall überlassen, mit genau bemessenen Klängen wird
der Zuhörer auf das Kommende eingestimmt. Eigentlich ist ein Stammbaum
nichts anders als eine lange Liste von Ahnen, die sich begegnet sind, einen
Bund geschlossen und gemeinsame Nachkommen hinterlassen haben. Leitmotivisch
klingt in einer Ahnenreihe mit großen Namen oft ein hohe Geburt und eine
besondere Bestimmung an. Leitmotiv der matthäischen Ahnenreihe ist sein
Bekenntnis, daß Jesus als Nachkomme Davids der von den Propheten
angekündigte Messias ist. Das Glaubenszeugnis des Evangelisten will uns
sagen will, daß für Gott die Heilsgeschichte bereits in der
Erwählung Abrahams begonnen und sich trotz der vieler Verfehlungen
nachkommender Generationen in Jesus erfüllt hat.

2. Seine Botschaft komponiert Matthäus mit
hebräischen Buchstaben, die zugleich Zahlenszeichen sind. Der Name
„David“ ergibt die Zahl vierzehn. Von Abraham über David bis zu
Jesu werden dreimal vierzehn Namen gezählt. Die Vierzehn setzt sich
zweimal aus der heiligen Zahl Sieben zusammen. Wobei vier die Erde
verkörpert und drei die Erde. Himmel und Erde vereinen sich, wenn Gottes
Reich anbricht. Unter den Frauennamen des Stammbaums finden sich nicht die
großen jüdischen Stammesmütter Sara, Rebekka oder Lea.
Matthäus erwähnt vier wenig bekannte Frauengestalten: Thamar, Rahab,
Ruth und Batseba. Alle vier sind Ausländerinnen und in der einen oder
anderen Weise der Unzucht verdächtigt worden. Gott hat sich diese Frauen
mit niedriger Abstammung erwählt, um sie zu großen Ehren zu
führen. Er mißt mit anderem Maß als die Menschen, in seinem
Reich sollen die Letzten die Ersten sein.

3. Die Heilszeit beginnt mit der Geburt
Christi, die bereits vom Propheten vorausgesagt wurde; „Seht, die Jungfau
wird schwanger werden sein und einen Sohn gebären, und man wird seinen
Namen Immanuel nennen“. Der Name Immanuel ist ein Zeichen, daß Gott
bei uns Menschen weilt. In der Tradition wird Maria, die Mutter Jesus, die
Jungfrau genannt. Sie ist nach Lukas eine Cousine Elisabeths, die Johanes den
Täufers geboren hat. Wir wissen weder etwas über ihre Jugend vor
ihrer Verlobung mit Josef, noch wissen wir etwas von ihrem Ende.

4. Die Vorstellung einer Geburt ohne
menschlichen Vater durch göttliche Schöpferkraft war in den ersten
christlichen Jahrhunderten allgemein verbreitet. Man dachte, Gott würde
der Welt auf diese Weise außergewöhnliche Menschen schenken. So
wurde angenommen, daß große Männer von Plato bis Alexander
ohne menschlichen Vater entstanden seien. Im Neuen Testament spielt die
Jungfrauengeburt eine kleine Rolle, nur bei Matthäus und bei Lukas findet
sie Erwähnung. Beide Male wird sie von Engeln angekündigt, aber
niemals beschrieben.

5. Bei Lukas redet der Engel zu Maria, bei
Matthäus zu Josef. In der Engelserscheinung kommt die Nähe Gottes zum
Ausdruck. Traditionell wird der Evangelist selbst, der inspirierte Vermittler
zwischen dem Alten Testament und Neuen Testament, als Engel dargestellt. Engel
begleiten auch den Lebensweg Jesus. Sie sind bei ihm, als er in der Wüste
versucht wird und dienen ihm, als der Teufel die Vergeblichkeit seiner
Verführungskünste einsehen muß. In den biblischen Geschichten
in denen es um Geburt und Zeugung geht, erscheint meist Gabriel, die Kraft
Gottes. Nach jüdischer Überlieferung prägt er dem werdenden Kind
das Bild Gottes ein. Als er Josef im Traum erscheint, läß er ihn den
zukünftigen Namen des Kindes wissen. Es soll Jesus heißen. Das ist
die griechische Form von Josua – Gott ist Heil.

6. Jesus wird der lang erwartete Heiland sein
und die Menschen von ihren Sünden errettet. Die Trennung des Menschen
durch die Sünde, macht die Not des biblischen Menschen aus. Daß
Maria das dem göttlichen Willen gehorcht, macht sie im christlichen Sinn
zur ersten Glaubenden. Sie spürt, daß sich die Zeit erfüllt hat
und eine neue Ära angebrochen ist. Von nun an kehren sich die alten Werte
um, was den Menschen als klein und unbedeutend erscheint, kann vor Gott
groß sein. Diese Frohe Botschaft erfüllt sie mit Jubel:

„Meine Seele preist die Größe
des Herren,
und meint Geist jubelt über Gott, meinen Retter.
Denn
auf die Niedrigkeit seiner Magd hat er geschaut.
Gott vollbringt mit seinem
Arm machtvolle Taten…
er zerstreut
die im Herzen voll Hochmut sind,

er stürzt die mächtigen
vom Thron
und erhöht die Niedrigen,
Die Hungernden beschenkt er
mit seinen Gaben
und läßt die Reichen leer ausgehen…“
(LK1,46 ff.)

7. Auch Josef, dem Zimmermann und Nachkommen
Davids ist eine entscheidende Rolle in der Heilsgeschichte zugedacht. Auch von
Josef wissen wir wenig. Er scheint noch vor dem ersten öffentlichen
Auftritten Jesu gestorben zu sein. Man kann ihn sich als noblen und
gütigen Menschen vorstellen, dessen Liebe zu Maria an das Hohelied
gemahnt. Auch seine Liebe ist gütig, erträgt, glaubt, hofft alles und
hält allem stand. Als er erfährt, daß seine Braut vom heiligen
Geist schwanger ist, beschließt er sie ohne Aufsehen zu verlassen. Im
biblischen Kontext heißt das, er sieht von einer Strafanzeige ab, die ein
Todesurteil für Maria hätte bedeuten können. Denn eine Braut,
die sich mit einem anderen Mann eingelassen hat, wird des Ehebruchs für
schuldig empfunden.

8. Die Anrede des Engels „Sohn David“
zeigt, daß für den Status des Sohnes allein die rechtliche und nicht
biologische Vaterschaft entscheidend ist. Sein Gottesgehorsam wird lapidar
beschrieben: „Als aber Josef vom Schlaf aufstand, tat er wie ihm der Engel
befohlen hatte und führte seine Frau heim. Und er erkannte sie nicht, bis
sie einen Sohn geboren hatte, und nannte seinen Namen Jesus. “ Hier
schließt sich der Bogen. In dem Josef Jesus als seinen Sohn anerkennt,
macht er ihn zu einem Nachkommen Davids.

Felizitas von Schönborn
E-Mail:
felizita@iprolink.ch


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