Matthäus 13, 44- 46

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Matthäus 13, 44- 46

 

Göttinger Predigten im Internet
hg. von Ulrich Nembach und Johannes Neukirch


 

9. Sonntag nach Trinitatis,
12. August 2001
Predigt über Matthäus 13, 44- 46, verfaßt von
Jan Christian Vaessen, Groningen, Niederlande


Matthäus 13:44-46
Jesus stellt seine Gleichnisse über den Schatz im Acker und die
köstliche Perle (Matthäus 13:44-46) in wirtschaftliche Themen
des Alltags. Darum habe ich Sprüche 31:10-31 (die Ode an die tüchtige
Hausfrau) dazu gelesen, nämlich, um zu sehen, wie der Geist Gottes
im Alltag wirken kann.

Liebe Gemeinde

Geisteskraft im stillen Arbeiter.

Man hat als Hausfrau viel zu tun. Man kann schon müde werden nur
bei dem Gedanke an all diese Arbeit. Ich glaube aber, dass der Spruchdichter
ein bißchen übertreibt, denn er fängt seine Ode an die
tüchtige Hausfrau – köstlicher als die schönste Perle
– an mit der Frage: wer findet sie? Es handelt sich hier also um ein
Ideal, woran keiner völlig antworten kann, aber es ist ein Ideal,
das aus dem Leben gegriffen ist.

Immer wenn ich versuche mir vorzustellen, wie das Leben im Alltag in
biblischer Zeiten ausgesehen haben könnte, gehe ich in Gedanken
zurück in die Zeit, die ich in Schwarzafrika verbracht habe. Das
Leben einer afrikanischen Frau sieht – denke ich mir – ungefähr
so aus, wie der Spruchdichter es erlebte. Die Frau ist es, die auf den
Markt geht, um zu kaufen und zu verkaufen. Da in Afrika Männer
oft mehrere Frauen haben, besitzen die Frauen eine eigene sichere wirtschaftliche
Selbständigkeit. Sie müssen sehr oft für sich selbst
sorgen und treiben dann ihren eigenen Handel. Schon bevor die Sonne
aufgeht, sind die Frauen mit vielen Sachen beschäftigt. Sie holen
Holz für das Feuer zum Kochen; sie waschen die Kleider im Fluß,
holen Wasser aus den Brunnen, kochen, versorgen die Hühner und
die Ziegen, wenden die Kakaobohnen, damit diese schneller trocknen,
und dann gehen die Frauen wieder schnell zur Plantage, um einen neuen
Sack Kakao zu holen. So ein Sack Kakao wiegt fünfzig Kilo und wird
von den Frauen auf ihrem Kopf über zehn, zwanzig Kilometer getragen.
Ihren Weg gehen die Frauen stolz und mit Würde. Zuschauer sind
fasziniert von dem schönen Anblick dieser Frauen, wie sie in farbigen
Kleidern mit einem Baby auf dem Rücken mit ihr schweren Last auf
dem Kopf würdig und stolz im Dorf ankommen. Zwei Männer sind
nötig, um ihr die Last abzunehmen.. Mit derselben Würde gehen
sie dann zu ihrer Wohnung, um das Baby zu stillen und andere Sachen
zu erledigen. Von früh am Morgen bis spät am Abend sind sie
beschäftigt und strahlen dabei Ruhe, Stolz und Würdigkeit
aus. Sie bleiben freundlich, was auch geschieht. Dazu sind sie auch
noch sehr gastfreundlich. – Natürlich haben die Frauen in Entwicklungsländer
ein schweres Leben. Aber das bedeutet noch nicht, daß sie ihren
eigenen Wert verlieren. Die holen aus dem Leben, was da für sie
drin ist, und das wirkt ansteckend.

Also weltfremd ist der Spruchdichter nicht. Im alten Israel wird es
auch wohl so ungefähr zugegangen sein. Und man fragt sich: woher
holen die Frauen die Energie und den Mut, um das alles an zu fassen
und zu vollbringen? Bei dem Spruchdichter ist diese verborgene Kraft
verbunden mit dem Geist Gottes. Er nennt zwar den Allerhöchsten
Gott des Himmels und der Erde nicht explizit in seiner Ode an der Hausfrau,
aber diese Ode schließt das ganze Buch der Sprüche ein. Es
ist eigentlich die Zusammenfassung und Schlußfolgerung von allem,
was er in seinem Buch sagt. Die Frauen hatten im alten Israel eine untergebene
Position. Ihre bloße Existenz, Ehre und Ansehen verdankten sie
ihrem Mann. Wenn sie ihren Mann verloren und dabei auch noch kinderlos
waren, waren sie beklagenswerte Menschen. In der Öffentlichkeit
waren sie eigentlich nichts. Am Stadttor, d.h. in der Öffentlichkeit,
sprachen die Männer und zogen damit die Aufmerksamkeit auf sich.
Die Frauen durften zuhause ihre Sachen regeln und das geschah im Verborgenen.
Die Verhältnisse waren im alten Israel also ganz deutlich. Die
Männer waren selbständig und trafen die Entscheidungen; die
Frau war abhängig und folgte.

Aber was tut der Spruchdichter? Er dreht die Sache um. Nicht die Frau
ist abhängig von ihrem Mann, sondern der Mann ist abhängig
von seiner Frau. Es geht ihm gut am Stadttor unter den Mitgliedern des
Gemeinderats – nur Männer – wenn er zu Hause eine tätige Biene
hat, die ihm in allen materiellen Bedürfnissen Befriedigung schenkt.
Und warum dreht der Spruchdichter die Sache um? Nicht so sehr wegen
feministischen Überlegungen, sondern weil die ganze heilige Schrift
Zeugnis davon gibt, daß der Gott Israels besonders aufmerksam
ist, wenn es um Menschen geht, die unterdrückt werden, die Witwe,
die Waise, der Fremdling. Und darum sagt der Dichter allen wichtigen
Herren, die sich selbst so hoch achten dieses: ohne die tätige
Biene bei dir zu Hause wärest du gar nichts gewesen, gerade so,
wie du nichts ohne Gottes Hilfe und seinen Beistand bist. Sei also dankbar
und gib dem Gott des Himmels und der Erde Dank für deine Lebensgefährtin.
Sei ein Segen für deine Frau statt über ihr zu herrschen;
liebe sie und zwinge sie nicht. Denn, woher empfängt deine Frau
die Energie, um alles so perfekt zu organisieren und auszuführen?
Eben, von dem Gott, der Leben gibt und bewahrt. Laß darum die
Liebe Gottes strömen in deiner Ehe und in deinem Alltag, und es
wird dir gut gehen, egal was du darin unternehmen wirst. Und das gilt
beiden Geschlechtern: Männern und Frauen.

Machtstreit begräbt den Geist Gottes, der aber ewig lebt.

Mittlerweile haben die Mann-Frau Beziehungen sich gründlich geändert.
Manchmal scheinen die Positionen umgekehrt zu sein und es entschließt
die Frau und nicht der Mann, was sein muß und was nicht. Man könnte
sich hier auch fragen ob das nicht immer so gewesen ist und daß
das einzige Unterschied zwischen heute und früher nur dies ist
daß es sich heute mehr in der Öffentlichkeit abspielt. Wie
es auch sein mag, der uralte Machtstreit zwischen den Geschlechtern
ist noch immer nicht zu Ende. Menschen wollen gerne mehr sein als andern
und das gilt für allen Bereiche des Lebens. Wenn aber der Grund
aller deiner Beziehungen gegenseitige dienende Liebe ist, dann kommst
du dem Machtstreit, der jeden einsam und hart macht, zuvor. Dann wirst
du vorbei schauen an dem oberflächlichen Schein des Alltags und
die Schätze entdecken, die tief in Menschen verborgen sind. Dann
wirst du dich freuen den Geist Gottes in Menschen wirken zu sehen und
wirst diese tiefe Liebe beantworten mit einer stillen Selbstlosigkeit,
worin der Andere er selbst sein kann. Das alles mag nun der ewige Wille
Gottes sein, es bleibt aber auch ein Ideal das noch nie völlig
realisiert worden ist. Es gibt so viele Sachen im Alltag die gegen so
ein Ideal sprechen. Man muß doch leben, man muß sich bewähren,
die Familie versorgen, Ehre, Macht, Ansehen sammeln, seine Positionen
handhaben und so weiter, und so weiter. Und je härter der Streit
um das tägliche Brot, je mehr das Vertrauen aus den Gedanken verschwindet,
je tiefer die Wirkung des heiligen Geistes unter die Oberfläche
des Bewußtseins sinkt, desto unerreichbarer wird der Schatz in
dem Acker für dich werden.

Aber, was macht der Spruchdichter – und Jesus folgt ihm darin – als
er die Beziehungen umdreht? Er stellt die verborgene und keimende Wirkung
des heiligen Geistes mitten in die harte und derbe Realität des
alltäglichen Lebens. Da braucht man den Geist Gottes am stärksten
und das ist auch die Stelle, wo er sich am stärksten manifestiert.
Aber so, daß die Wirklichkeit ganz anders ist als man erwarten
würde. Mächtige sind abhängig von denen, die sie nicht
hoch achten. Die stillen Arbeiter im Hintergrund sind wichtiger als
sie je für möglich halten. Der Schein trügt und das erste,
das der Geist tut, wenn er wirklich wirkt, ist den schönen Schein
zu zerstören. Denn Gott sieht durch alle Masken dir ins Herz. Da
spielt sich das wirkliche Leben ab und da liegt der Grund aller Beziehungen.
Wenn da etwas ist, das nicht konform zu seinem Willen ist, dann muß
sich das ändern. Herrschsucht – egal ob es sich in Männern
oder Frauen manifestiert – weicht für Liebe, Zwang für dankbare
Selbstlosigkeit, die jedem gut tut. Auch wenn der Markt hart ist und
um jeden Pfennig gestritten werden muß, der Geist wird dich sanft
machen und dich füllen mit Eigenwert. Und dein Handel wird gedeihen,
weil du Qualität lieferst worin die Liebe spürbar ist. So
wirkt der Geist Gottes. Gnädig mitten im harten Leben des Alltags.

Verborgener Schatz und strahlende Perle in der postmodernen Kultur.

Manchmal habe ich das Gefühl, dass zwei einander gegenüber
stehende Bewegungen in unserer heutigen Kultur und Gesellschaft sich
entwickeln, die sich gegenseitig verstärken. Das ist so in Europa,
das nun als politische ‚Einheit‘ gilt, im heutigen Unterricht an den
Realschulen, in der Kirche – überall entwickeln sich immer größere
und zwingendere Systeme, in denen sich der Einzelne verliert. Schöne
Slogans ändern daran nichts. Schlagzeilen wie ‚Zusammen sind wir
stärker‘ sagen nichts, weil der einzelne Mensch vom System nicht
gesehen, ja sogar verneint wird. Darum muß gleichzeitig viel investiert
werden in die persönliche Entwicklung der einzelnen Menschen, in
die eigene Sprache, ja, den eigenen Dialekt, die eigenen Traditionen
und so weiter. Dadurch bekommt der individuelle Mensch wieder einen
höheren Eigenwert. Und so entsteht der hoffnungslose Streit zwischen
System und Individuum, dessen Erfolg wir täglich erfahren. Die
Liebe Gottes ist in diesem Streit tief verborgen und kaum noch wahrnehmbar.

Die Gesellschaft in und um uns wird immer härter und egozentrischer
und, um zu überleben, muß man da irgendwie mitmachen. Aber
dennoch – wenn wir dem Spruchdichter und Jesus glauben dürfen –
ist es möglich, sich mitten in dem harten Streit des täglichen
Lebens vom Geist Gottes inspirieren und führen zu lassen. Setz
dein Vertrauen nicht auf Menschen oder auf von Menschen geschafften
Scheinsicherheit, sondern öffne dein Herz für den Herrn, der
ewig lebt. Verkauf, alles was du hast, sagt Jesus, und kauf den einen
Acker mit dem verborgenen Schatz, der einen Perle, die schöner
als alles andere ist. Gib deine Sicherheiten im Leben auf und erwerbe
die Liebe Gottes. Und, wenn die Liebe Gottes der Grund deines Lebens
wird, dann wird dein Alltag gefüllt werden mit liebevollen, ehrlichen
und guten Beziehungen, worin der Andere eben so wichtig ist wie du selbst.
Dann gehen wir zusammen – nicht als mächtiges kirchliches Bollwerk,
sondern als kleine verletzbare Gemeinde Christi – auf dem Weg zum ewigen
Reich der Liebe und des Friedens. Ein schwerer Weg – ohne Ehre, Macht
und Ansehen. Aber auf diesem Weg kommt die Geisteskraft Gottes in dein
Herz und wird dich führen und bewahren. Der verborgene Schatz im
Acker, der Geist Gottes in deinem Herz, wird dich führen durch
die harte Realität des Alltags und zwar so, daß du als die
schönste Perle strahlen wirst und auch andere gesegnet werden.
Diesen Weg kannst du auch gehen. Den Weg der Verwunderung, den Weg des
Friedens, den Weg vom Genug, das Überfluß wird, wenn man
es mit anderen teilt. Und Gott wird dir ganz nahe sein.
Amen.

 

 

 

 

 

 

Dr. Jan Christian Vaessen, Groningen, Niederlande
E_Mail: jcvaessen@wxs.nl

 

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