Matthäus 17, 1-9

Matthäus 17, 1-9

Gotteserlebnis «Berg» | Letzter Sonntag nach Epiphanias | 29.01.2023 | Matthäus 17, 1-9 | Berthold W. Haerter |


Predigt zur Jahrespredigtreihe: Biblische Stätten

*Da Konfirmandinnen im Gottesdienst beteiligt sind, benutze ich die «Basisbibel», unsere Unterrichtsbibel.


17Sechs Tage später nahm Jesus Petrus, Jakobus und dessen Bruder Johannes mit sich. Er führte sie auf einen hohen Bergwo sie ganz für sich waren.Da veränderte sich sein Aussehen vor ihren Augen: Sein Gesicht leuchtete wie die Sonne und seine Kleider wurden strahlend weiß wie Licht.Da erschienen Mose und Elija vor ihnen und redeten mit Jesus.Petrus sagte zu Jesus: »Herr, es ist gut, dass wir hier sind.Wenn du willst, werde ich drei Zelte aufschlagen: eins für dich, eins für Mose und eins für Elija.«Noch während Petrus redete, legte sich eine Wolke aus Licht über sie. Da erklang eine Stimme aus der Wolke: »Das ist mein geliebter Sohnan ihm habe ich Freude. Hört auf ihn!«Als die drei Jünger das hörten, warfen sie sich nieder und fürchteten sich sehr.Jesus ging zu ihnen und berührte sie. Er sagte: »Steht auf. Fürchtet euch nicht!«8Als sie aufblickten, sahen sie nur noch Jesus.Während sie vom Berg herabstiegen, schärfte Jesus ihnen ein: »Erzählt keinem, was ihr gesehen habt, bis der Menschensohn von den Toten auferweckt worden ist.« 

(Basisbibel Mt 17, 1-9)

Liebe Gemeinde

  1. «Christologische Legende»

Der Berner Theologe Ulrich Luz bezeichnet die soeben gehörte Geschichte als «christologische Legende».

Und Eugen Drewermann meint, es ist falsch danach zu fragen, ob Jesu Verklärung nun historisch oder unhistorisch ist.

Gotteserlebnisse sind nicht beschreibbar, finden aber bis heute statt.

Ich halte es für klug, wenn wir uns diesen biblischen Text Stück für Stück anschauen und Wahrheiten entdecken, die uns vielleicht weiterbringen.

  1. Abseits

«Sechs Tage später nahm Jesus Petrus, Jakobus und dessen Bruder Johannes mit sich.

Er führte sie auf einen hohen Berg, wo sie ganz für sich waren.»

Sechs Tage?

Das kommt uns doch bekannt vor:

«Sechs Tage in der Woche darfst du jede Arbeit tun. Aber der siebte Tag ist ein Ruhetag.»

So heisst es in den 10 Geboten (2. Mose 20, 9-10)

Selbst heute ist der 7. Tag noch etwas Besonderes, unser uns zugesicherte Frei-Tag.

An diesem besonderen Tag, der Ruhe, des Entspannens, auch der Zeit für mich und Gott, nimmt Jesus drei seiner wichtigsten Freunde mit auf einen einsamen Berg, also nicht auf die «Rigi» (touristisch erschlossener Berg am Vierwaldstätter See), sondern eher auf den «Kleinen Mythen». (einsamer, nicht ganz einfach zu besteigender markanter Berg in der Nähe Einsiedelns, den Zuhörenden bekannt)

Gottesbegegnungen, so sagt uns dieser Anfang, geschehen kaum in einer Massenhysterie, wie bei einem Fussballspiel oder beim Gewinn einer Skiabfahrt durch einen Schweizer.

Nachhaltige Gottesbegegnungen geschehen kaum im euphorischen Rausch der Menge, auch weniger in religiös aufgeladenen Momenten in einer begeisterten Jesus besingenden Menge z.B., sondern im Stillen, im Rückzug, im Nachdenken und Besinnen.

Vielleicht auch in einem Gottesdienst oder einer anderen Veranstaltung, aber es betrifft immer nur Einzelne.

  1. Aufstieg

Zu einem Gotteserlebnis gehört eben auch ein echter oder symbolischer Aufstieg, etwas Mühsames, mit der Welt und Gott Ringendes und Kämpfendes.

Gottesbegegnungen geschehen, wenn ich frage, suche und mich mit dem Gegebenen nicht zufriedengebe.

Und dann geschieht es:

  1. Verwandlung

«Da veränderte sich Jesu Aussehen vor ihren Augen:

Sein Gesicht leuchtete wie die Sonne und seine Kleider wurden strahlend weiß wie Licht.

Da erschienen Mose und Elia vor ihnen und redeten mit Jesus.»

So wird in der Regel das Ostergeschehen, Jesu Erscheinen nach dem Tod beschrieben.

Es ist ein nicht beschreibbarer Moment.

Und es ist Tatsache, Menschen, die ein Gotteserlebnis haben, können dies kaum in Worte fassen.

Man soll einen nicht wirklicher fassbaren Moment beschreiben, eine Erfahrung, die eigentlich nicht nachvollziehbar ist.

In der Bibel wird dieser Moment mit Elia und Mose in Zusammenhang gebracht.

Wir hörten es in der Lesung, beide hatten ihre kaum beschreibbaren Gotteserlebnisse auf einem Berg. (1. Könige 19, 8-15 in Auswahl)

Elia wie Mose sind eigenwillige Führungspersönlichkeiten, die immer wieder nach Gott fragen, und Gott auch erleben.
Sie erhalten Aufträge von Gott, die ihr Leben kolossal und nachhaltig verändern.

Aber Gott ge-braucht sie.

Sie erleben das, was unsere Jahreslosung (letzte Predigt) sagt:

«Du bist ein Gott, der mich sieht» (1. Mose 16, 13) und das hat Konsequenzen für ihr Leben.

  1. Zuschauer

Das biblische Geschehen, das zeigt, dass Jesus mehr als nur ein Mensch ist, erleben drei Menschen mit.

Johannes, Jakobus und Petrus.

Sie sind es, Jesus wünscht sich, dass sie es erst nach seiner Auferstehung weitererzählen.

Und so wird ihr Gotteserlebnis auf dem Berg (Tabor, wie schon die ersten Christen meinten), in drei von vier Evangelien schriftlich festgehalten.

Einer der drei reagiert.

Es heisst:

  1. Reaktion

«Petrus sagte zu Jesus: »Herr, es ist gut, dass wir hier sind.

Wenn du willst, werde ich drei Zelte aufschlagen: eins für dich, eins für Mose und eins für Elija.»

Ist Petrus in einen besonderen Zustand geraten, in Trance?

Er ist überwältigt aber kann im Gegensatz zu den anderen, noch reagieren.

Auf jeden Fall möchte er diesen besonderen Moment, dieses menschlich nicht Fassbare festhalten.

Er möchte aus dem Moment ein Geschehen machen, frei nach Goethes Faust:

«Verweile doch, Du bist so schön.»

Aber schon Faust wusste, ein Beharren und nicht Weiterstreben nützt mir und auch der Welt nichts.

Das gilt auch für Glaubenssachen.
Das Leben geht weiter und das Besondere geht mit einem Wimpernschlag vorbei bzw. verändert sich.

Hier wird noch eine Steigerung beschrieben.

  1. Gotteserfahrung

«Noch während Petrus redete, legte sich eine Wolke aus Licht über sie.

Da erklang eine Stimme aus der Wolke:

»Das ist mein geliebter Sohn, an ihm habe ich Freude.

Hört auf ihn!«

Die lichte Wolke ist wieder eine Beschreibung von etwas, was man nicht beschreiben kann.

  1. Gottes Wort

Es geschieht aber etwas, was wir aus der Bibel bereits kennen.

Die Stimme Gottes, die das besondere Verhältnis von Jesus und Gott beschreibt, wird schon bei Jesu Taufe so zitiert.

Gott und Jesus sind wie Vater und Sohn, so eng verbunden und nicht voneinander trennbar.

  1. Furcht

«Als die drei Jünger das hörten, warfen sie sich nieder und fürchteten sich sehr.»

Die Reaktion der Jünger kennen wir auch.

Wir haben davon gerade in der Weihnachtsgeschichte gehört.
Auch da wird ein besonders göttlicher Moment bei den Hirten und ihrer Herde umschrieben.

«Auf einmal trat ein Engel des Herrn zu ihnen, und die Herrlichkeit des Herrn umstrahlte sie. Die Hirten erschraken und große Furcht erfasste sie.« (Lukas 2, 9)

Auch dieses Geschehen, das sie Hirten erleben, ist menschlich gesehen nicht fassbar.
Auch hier versuchen die Autoren in Worte zu fassen, wozu wir eigentlich nicht in der Lage sind.
Die Reaktion ist wie bei den drei Jünger, Furcht, Angst, ja geradezu ein Zusammenbrechen.

  1. «Hört auf ihn»

Etwas aber ist hier, bei der «Verklärung Jesu», anders.

Es sind drei Worte, die die Jünger auch noch hören:

«Hört auf ihn.»

Die Aufschreibende haben hier eine wichtige Botschaft für uns.

Wer Gott hören möchte, der muss auf Jesus hören. (Nico ter Linden)

Wer Gott wahrnehmen und für sein Leben «nutzbar» machen will, lese und verinnerliche, was die Bibel über Jesus erzählt.

Jesu Sätze und sein Handeln sind seine Unterstützung für uns heute.

Die kann uns helfen, Kraft zu bekommen, um die Welt mit unseren Möglichkeiten zum Guten zu verändern.

  1. Zurück ins Leben

Nach diesem alles sprengenden Moment geht es aber zurück ins Leben. Die Bibel erzählt:

«Jesus ging zu ihnen und berührte sie.

Er sagte: »Steht auf. Fürchtet euch nicht!«

Als sie aufblickten, sahen sie nur noch Jesus.

Während sie vom Berg herabstiegen, schärfte Jesus ihnen ein:

»Erzählt keinem, was ihr gesehen habt, bis der Menschensohn von den Toten auferweckt worden ist.«

Die Jünger haben sich an Jesu Wunsch vielleicht gehalten.

Auf jeden Fall erzählen sie aber von dem Geschehen, das bezeugen die Evangelien.

Nachdem Jesus sie aus der Lähmung und Angst befreit hat, geht er wieder mit ihnen zurück, den Berg hinunter, in den Alltag.
Er geht mit ihnen zu den anderen, der Menge, die wohl kaum versteht, was Jesus, Johannes, Jakobus und Petrus gerade auf dem Berg erlebt haben.

Die meisten Anhänger Jesu mussten Jesus allein vertrauen, als einzige direkte Verbindung zu Gott.

«Hört auf ihn.»

Es erging ihnen wie uns.

  1. Gotteserlebnis heute

Eines ist aber bis heute geblieben.

Es gibt nicht beschreibbare, nicht anderen wirklich vermittelbare Momente, in denen man Gott erlebt.

Da ich so etwas erlebt habe und andere mir so etwas auch von sich erzählen, vertraue ich darauf, dass Menschen, die nach Gott suchen, Fragen an ihn haben, ihn wirklich erleben wollen, ihn auch erleben.

Stellvertretend für diese alle möchte ich einen jungen Mann zitieren, der mit 22 Jahren ein Buch geschrieben hat : «Meine Real Life Story und die Sache mit Gott»

Philipp Mickenbecker schrieb das Buch 2020, als zweimal vom Krebs geheilter Mensch.

Ein Jahr später aber stirbt er wegen einer dritten Krebserkrankung.
Der Glaube half ihm aber seinen Weg als sinnvollen Weg zu gehen.

In Youtube gibt es dafür viele Information:

Mickenbecker beschreibt ein, für ihn, lebenswichtiges Gotteserlebnis folgendermassen:

«Ich wollte mich etwas bewegen.

Am liebsten den Sonnenuntergang vom Berg aus anschauen, …

Dazu musste ich nur ein paar hundert Meter weit gehen.

Ich durfte das Krankenhaus Zimmer eigentlich nicht verlassen. …(er tat es trotzdem)

Ich hatte wieder starke Schmerzen beim Laufen …

… nach einer Weile ging mir komplett die Kraft aus.

In der Nähe sah ich diese Kirche, an der ich schon ein paar Mal vorbeigelaufen war.

Erst jetzt entdeckte ich einen kleinen Weg, der zu ihr hoch führte.

Irgendetwas hat mich dahin gezogen.

Vor der Kirche stand eine Bank.

Ich hab mich auf die Bank gelegt und erst einmal die Augen zugemacht. …

… und habe gedacht:

Warum kannst du, Gott, nicht mal kurz zu mir sprechen, wenn du das früher doch immer gemacht hast?

Warum versteckst du dich so?

Bist du nicht derselbe wie vor 1000 Jahren?“

Mickenbecker erzählt weiter:

„Und da machte ich die Augen auf.

Über mir war der blaue Himmel, ….

Konnte sich Gott mir jetzt nicht zeigen?

Einmal diese Wolke beiseiteschieben, diese Tür aufmachen und mir Hallo sagen?

In diesem Moment fiel mein Blick auf den Schriftzug, der direkt über mir, über der Tür von der Kirche angebracht war.

Vorher war er mir nicht aufgefallen, obwohl er echt groß und unübersehbar war.

In einem Rahmen stand ein Bibelvers:

Jesus Christus ist derselbe, gestern heute und in Ewigkeit.

Oder stand da sogar: Ich bin derselbe, gestern, heute und in Ewigkeit.

In diesem Moment fühlte es sich für mich so an als würde Gott gerade zu mir herunterschauen, mich auf der Bank liegen sehen, meine Frage gehört haben und zu mir sagen:

„Hallo, ich habe dich gehört und ja, ich bin immer noch derselbe.

Du musst nur mal hinhören, wenn ich mit dir rede.

Du musst einfach mal hinschauen, wenn ich mich dir zeige.

DU musst mich auch sehen wollen!“ …

Das vergesse ich nie.

Das war so ein übernatürliches Gefühl.

Beschreiben kann ich’s aber auch nicht.

Das kann man niemandem erklären, der es nicht selbst erlebt hat.“ (Philipp Mickenbecker: Meine Real Life Story, Asslar, 11. Auflage 2021, p 132ff)

  1. Wir

Liebe Gemeinde

Die Bibel hilft uns, unseren Weg mit Gott und seiner Unterstützung immer wieder neu zu suchen.

Auf Jesus hören, von ihm lesen, hilft uns, uns zu orientieren.
Und manchmal haben wir diese nicht beschreibbaren göttlichen Momente, wie Petrus, wie Johannes und Jakobus sie erlebten, wie die Evangelien sie versuchen zu beschreiben und eigentlich scheitern, wie Philipp Mickenbecker es versucht in Worte zu fassen.

Behalten wir unsere Gottes – Momente als Geschehnisse, die andere kaum verstehen können, die uns aber Gewissheit geben, die befreiend, glücklich, dankbar und zufrieden machen.

Wir wissen es so wieder einmal: Gott, in seiner Liebe, ist da. AMEN


Berthold W. Haerter

Oberrieden am Zürichsee

E-Mail: berthold.haerter@bluewin.ch


Geb. 1963

Pfarrer der ev.-reformierten Landeskirche Zürich

seit 1993

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