Matthäus 5,14-16

Matthäus 5,14-16

8. So. n. Trinitatis | 30.7.2023 | Mt 5,14-16* | Hansjörg Biener |

Jesus Christus spricht:

„Ihr seid das Licht der Welt. […] Man zündet auch nicht ein Licht an und setzt es unter einen Scheffel, sondern auf einen Leuchter; so leuchtet es allen, die im Hause sind. So laßt euer Licht leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.“ (Matthäus 5,14-16*)

Bevor es mit dem Ernsten losgeht, eine kleine Geschichte aus der Gattung „Wer weiß denn sowas?“.

Was ist ein Scheffel?

Die Menschen haben dieses Bibelwort schon so oft gehört, dass es sprichwörtlich geworden ist. Aber: Das Wort „Scheffel“ ist heute weitgehend ungebräuchlich. Wir kennen es vom „Licht unter dem Scheffel“ und noch vom „Geld scheffeln“.  Doch wer weiß, was ein Scheffel ist? Deshalb im Folgenden Kurioses aus der Übersetzungsgeschichte der Bibel.

Was ist ein Scheffel? Ein Gefäß von 50 bis 222 Liter. Sagt der Duden [Duden 5/6 O-So, S. 2246]. Das online-Lexikon/Die Wikipedia nennt sogar eine Spannbreite von 17,38 bis 310,25 Litern. Da überrascht dann doch, wenn der Bibelprofessor Ulrich Luz im Evangelisch-katholischen Kommentar zum Matthäusevangelium von 8,75 Liter schreibt. [Luz, EKK I/1, S. 223] Das Problem löst sich auf, wenn man in die Geschichte der Bibelübersetzungen schaut. Martin Luther wählte „Scheffel“ als Übersetzung für das Hohlmaß modios, dessen Volumen eben mit ca. 8,75 Litern angegeben wird. Damit man sich das vorstellen kann, ein Vergleich: Unsere Eimer haben, laut Amazon.de, so 10, 12, 15 Liter, manchmal auch deutlich mehr.

Verständlicher und zutreffender wäre also heute das Wort Eimer! Aber Gott bewahre! 1975 hat man in einer Überarbeitung der Luther-Bibel das Wort „Eimer“ verwendet und dafür viel Spott geerntet. [https://de.wikipedia.org/wiki/Lutherbibel#Lutherbibel_von_1975] Das war dann doch zu viel Modernisierung! Tatsächlich wurde das sogenannte „Eimertestament“ schon nach wenigen Jahren ersetzt. Seit 1984 lesen wir in der Luther-Bibel wieder „Scheffel“. Aber sprachlich hatten die Überarbeitenden mehr Recht als die Kritiker. „Scheffel“, das Wort ist so unvermeidlich, dass es in den wichtigsten deutschsprachigen Übersetzungen verwendet wird. Die für die deutschsprachige Schweiz maßgebliche reformierte Züricher Bibel [2007] verwendet es, ebenso die für den ganzen deutschen Sprachraum geltende katholische Einheitsübersetzung [2016]. Die jüngste Ausgabe der Luther-Bibel von 2017 hat „Scheffel“ sowieso. Andere Bibelübersetzungen verwenden Begriffe wie „Gefäß“ [Neue Genfer Bibel 2000], „Krug“ [Bibel in gerechter Sprache 2006] oder „Topf“ [Gute Nachricht Bibel 2018].

„Sein Licht nicht unter den Scheffel stellen“, das heißt in unserer Alltagssprache: „Sich nicht künstlich klein machen, sondern zu seinen Stärken stehen.“ Gerade, weil wir es so oft gehört haben, will ich Ihnen von einem praktischen Versuch erzählen, um einen neuen Zugang zu gewinnen. Wir alle wissen: Wenn man eine Kerze anzündet und ein Glas darüberstülpt, geht sie aus… Und wie ist das bei einem Eimer? Ich habe es ausprobiert. Ein Eimer hat es nicht überlebt. Weil er aus Plastik war. „Bleiben Sie dran…“

Experiment Teil 1: eine brennende Kerze auf einem Eimer

Stellen wir uns also vor: einen Eimer und eine Kerze. Ich zünde die Kerze an und stelle sie auf den Eimer. Was passiert? Das Licht ist natürlich gut zu sehen. Und wenn der Raum dunkel wäre, täte das Licht bis in den letzten Winkel seine Wirkung. Nicht nur, weil man in der Nähe des Lichtes noch etwas tun kann, sondern auch, weil dunkle Winkel und Schatten sich herausheben. „Auf einen Leuchter gestellt, dient das Licht dem ganzen Haus“, sagt Jesus. Jesu Zeitgenossen verstehen das sofort, denn auf dem Land waren viele Häuser Ein-Raum-Häuser. Wie die Kerze auf einem Leuchter, so heben sich Christen und Christinnen von der Menge ab und tun eine Menge für die Welt. Einfach so, weil sie da sind, wie sich auch eine brennende Kerze nicht bemüht. Jesus sagt: „Habt keine Angst davor, gesehen zu werden. Lasst euch ruhig sehen in dieser Welt. Ihr habt doch etwas.“ Oder mit der biblischen Sprache: „Lasst euer Licht leuchten, und ihr dient damit dem ganzen Haus.“

Doch sehen wir sofort auch etwas anderes: Die Kerze auf dem Eimer ist dem Luftzug ausgesetzt. So spüren wir auch in der Alltagswelt manchen Luftzug, der auch unseren Glauben bewegt. Manchmal ist man versucht, sich als Christ zurückzuhalten, um sich zu schützen. Doch das muss nicht immer sein. Vielleicht haben Sie das als Kinder so gemacht wie ich: Immer wieder Kerzen angeblasen und probiert, wie lange die Flamme standhält. Keineswegs werden Kerzen durch Luftzüge immer ausgeblasen. Manchmal strahlt die Flamme nur umso heller, und manchmal ist es faszinierend, wie sich die Flamme immer wieder durchsetzt. Genauso mag das auch mit dem Bekenntnis sein. Jesus sagt: „Habt keine Angst vor den Luftzügen der Welt. Ihr habt etwas, mit dem ihr bestehen könnt.“ Oder mit der biblischen Sprache: „Stellt euer Licht nicht unter den Scheffel.“

Experiment Teil 2: eine brennende Kerze unter Eimern

Und damit wären wir dann beim zweiten Teil des Experiments. Was passiert eigentlich, wenn wir das Licht unter den Scheffel stellen? Wenn wir in einer Kultur lebten, in der man Kerzen in der Nacht braucht, wüssten wir, wie völlig widersinnig so ein Tun ist. [Wir Stromkunden und Lampenbenutzer müssen es uns dagegen klar machen, um die Pointen des Jesus-Worts zu verstehen.].

Das erste ist offensichtlich: Ein Licht unter dem Scheffel kann man nicht mehr sehen, und natürlich wird es dunkel. Die Übertragung können wir mitvollziehen: Es wird nicht nur dunkel im Haus, sondern es wird dunkel in der Welt. Manchmal denke ich mir: Dass die Welt so ist, wie sie ist, mit Kinderschändern und Korruption, mit Verzweiflungstaten von Erwachsenen und minderjährigen Intensivtätern, hängt vielleicht auch mit der kollektiven Zurückhaltung der Gläubigen zusammen, die nicht für das eintreten, was ihnen wichtig und heilig ist. Wenn Christen „Werteverfall“ beklagen, sollten sie sich auch fragen: Was habe ich eigentlich zu[r Besserung] dieser Welt beigetragen? Habe ich meine Stimme erhoben gegen dieses oder jenes Programm im Fernsehen oder gegen diese oder jene Formulierung in den Neuen Medien, gegen den Nackt-Kalender in der Werkhalle oder anzügliche Bemerkungen im Büro, extremistische Äußerungen im Bekanntenkreis und Intrigen in der Nachbarschaft? Und wenn das Gebot der Nächstenliebe und der Gottesliebe schon gleich wichtig sind: Habe ich Dinge aus dieser Welt, die mich traurig gemacht haben oder berührt oder verletzt haben, auch vor meinen Gott gebracht? Nun mag man sagen: Ich bin eh kein großes Licht und, in der Öffentlichkeit zu stehen, steht mir nicht. Das ist menschlich nachvollziehbar, aber offenbar nicht gut für die Welt.

Fragen wir nun nach dem weniger Offensichtlichen: Was passiert eigentlich mit einem Licht, das unter einem Scheffel steht? Wir wissen: Es geht aus. Aber wissen wir es wirklich? Das war der Punkt, wo ich am meisten Spaß hatte und am meisten gelernt habe. Ich habe mich nicht auf das fremde Wissen verlassen, sondern selbst experimentiert. Zuerst allerdings mit einem gelben Plastikeimer. Ich war total fasziniert, denn dieser Eimer hat das Licht der Kerze durchscheinen lassen. Zunächst helles Leuchten, dann Flackern, wie die Flamme ums Überleben kämpft, und dann immer mehr ein Glimmen, wenn der Sauerstoff zu Ende geht. Der gelbe Eimer hat das Experiment nicht überlebt, denn der Boden begann zu schmelzen.

Das hat mich einiges gelehrt auch über den Prozess des Verglimmens. Zunächst einmal ist mir aufgefallen, wie viel Hitze eine Kerze unter dem Scheffel noch entwickeln kann. Und vielleicht entspricht das ja auch unserer Erfahrung, dass wir in bestimmten Situationen ganz körperlich spüren, jetzt müsstest du etwas sagen oder tun, wenn Du Dir und Deinem Glauben treu sein willst. Ganz offenbar scheint das so zu sein, dass die Flamme des Glaubens auch dann noch durchdringen will, wenn wir ihn verstecken. Zweitens war ich sehr überrascht, wie lange sich die Kerze unter dem Scheffel hielt. Und das ist ja auch klar: Je mehr Luft im Eimer ist, desto länger kann sie noch brennen. So mag es auch sein, dass jemand seinen Glauben lange unter den Scheffel stellen kann und es den lange noch gibt, bevor er verglimmt. Und auch das kann man mit unserer Lebenserfahrung vergleichen. Wie viele Menschen gibt es, die sich immer noch als Christen und Christinnen empfinden, auch wenn sie schon lange nichts mehr für ihren Glauben getan haben. Eine Kerze im Eimer geht irgendwann aus. So ist es auch mit einem Glauben, den man lange nicht praktiziert. Ihm geht die Luft aus, so wie einer Kerze unter einem Gefäß. Als ich einen feuerfesten Eimer genommen hatte, konnte ich das Ausgehen der Kerze nicht mehr beobachten, aber hinterher feststellen. So könnte man sagen: Wer seinen Glauben nicht der Luft des Lebens aussetzt, der wird ihn über kurz oder lang verlieren, ohne dass man den Zeitpunkt von außen bestimmen kann. Und entspricht nicht auch das unserer Erfahrung?

Das eine Licht und die vielen

Nun sind wir aber hier, um etwas für unseren Glauben zu tun. Darum sagt Jesus uns hier und heute:

Ihr seid das Licht der Welt. (…) So laßt euer Licht leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.“

Schon in der Alltagssprache ist damit gemeint: Lasst eure Gaben und Fähigkeiten ruhig sehen. Ich habe bisher aber vermieden, das Lichtsein der Christen mit irgendwelchen Werken des Christseins zu verbinden. Das Licht einer Kerze leuchtet in alle Richtungen. Natürlich könnte man Spiegel und Linsen verwenden, um das Licht in eine Richtung zu lenken. Aber das ist nicht das erste. Ich will also keine spezifischen Werke benennen, die Christsein beweisen. Wenige Verse vor unserem Predigttext finden wir die Seligpreisungen, aus denen ich eher Grundhaltungen als Taten entnehme. Für mich ist die Seligpreisung mit der größten Strahlkraft das Wort von der Lauterkeit: „Selig sind, die reinen Herzens sind; denn sie werden Gott schauen.“ (Matthäus 5,8) Bescheidenheit und Geduld aus Glauben, Sanftmut und Gütekraft, Sehnsucht nach persönlicher Redlichkeit und gesellschaftlicher Gerechtigkeit. Aus so etwas mögen gute Taten Überzeugung erwachsen. Nicht weil sie als christliche Pflicht andemonstriert wurden, sondern weil sie zu einem gehören, so wie das Leuchten zum Licht. [Das alles wird durchaus auch von Ungläubigen oder Zweifelnden gesehen und manchmal auch beobachtet. Es war mir in der Gemeindezeit stets ein Stachel, wenn da jemand sagte: „Ihr Christen seid auch nicht anders.“]

Doch von der Bibel her lässt sich diese Aufforderung noch genauer fassen. Manchen von Ihnen wird längst jenes andere Bibelwort Johannes 8,12 eingefallen sein. Da sagt Jesus von sich selbst:

Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben.“

Wenn man die beiden Bibelverse nun nebeneinander stellt, dann ist klar: „Das Licht für die Welt schlechthin“ sind nicht wir. Wir sollen leuchten, müssen aber nicht alles erhellen. Wir sollen wirken, müssen aber nicht alles bewirken. Deshalb tun wir gut daran, diese beiden Worte zusammen zu hören. Ganz nahe verbindet das unsere Mission und Jesu Mission in dieser Welt. Und wir gewinnen darin die Art, wie unser Licht leuchten könnte vor den Menschen. Jesu Art, von Gott her zu reden und im Namen eines freundlichen Gottes freundlich mit dieser Welt zu handeln. Unser Licht – das verbindet sich eng mit dem Licht des Glaubens, das Jesus in dieser Welt entzündet hat, weil wir uns nicht an den Eigengesetzlichkeiten und Alternativlosigkeiten dieser Welt orientieren sollen, sondern an einem menschenfreundlichen Gott. Unsere guten Werke – das ist all das, wozu wir befähigt werden, wenn wir in einer engen Verbindung mit diesem Glauben leben. Die Welt braucht Christen, die sich nicht verstecken, sondern sichtbar ihren Glauben leben. Die Welt braucht Menschen, die erkennen lassen, wofür sie stehen. Natürlich kann es da auch windig sein, doch helfen solche Menschen der Welt mehr als diejenigen, die sich vor den Herausforderungen dieser Welt verstecken.

Jesus Christus spricht: „Ihr seid das Licht der Welt. […] Man zündet auch nicht ein Licht an und setzt es unter einen Scheffel, sondern auf einen Leuchter; so leuchtet es allen, die im Hause sind. So laßt euer Licht leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.“ (Matthäus 5,14-16)


Dr. Hansjörg Biener (*1961) ist Pfarrer der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern und als Religionslehrer an Nürnberger Gymnasien tätig. Außerdem ist er außerplanmäßiger Professor für Religionspädagogik und Didaktik des evangelischen Religionsunterrichts an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. (Hansjoerg.Biener (at) fau.de)


Literatur

Die erwähnten Bibeln über ihre Internetpräsenzen.

Duden. Das große Wörterbuch der deutschen Sprache in 6 Bänden. Band 5 O-So, Mannheim u. a.: Bibliographisches Institut, 1980.

Luz, Ulrich: Das Evangelium nach Matthäus (Mt 1-7), Zürich: Benziger Verlag/Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag, 1985 (Evangelisch-katholischer Kommentar zum Neuen Testament, Bd. I/1).

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