Mein Platz in der Heilsge…

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Mein Platz in der Heilsge…

Mein Platz in der Heilsgeschichte | Predigt für den ersten Sonntag nach Epiphanias – III -10.1.2021 | Römer 12,1-8 | von Suse Günther |

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit euch allen. AMEN

Römer 12,1-8

Ich ermahne euch nun, liebe Brüder, dass Ihr Eure Leiber hingebt als ein Opfer, das lebendig, heilig und Gott wohlgefällig ist. Das sei Euer vernünftiger Gottesdienst. Und stellt Euch nicht dieser Welt gleich, sondern ändert Euch durch die Erneuerung Eures Sinnes, damit Ihr prüfen könnt, was Gottes Wille ist, nämlich das Gute und Wohlgefällige und Vollkommene. Denn ich sage Euch durch die Gnade, die mir gegeben ist, jedem unter Euch, dass niemand mehr von sich halte als sich‘s gebührt zu halten, sondern dass er massvoll von sich halte, ein jeder, wie Gott das Maß des Glaubens ausgeteilt hat. Denn wie wir an einem Leib viele Glieder haben, so sind wir alle ein Leib in Jesus Christus und haben verschiedene Gaben nach der Gnade, die uns gegeben ist.  Ist jemandem prophetische Rede gegeben, so übe er sie dem Glauben gemäß aus. Ist jemandem ein Amt gegeben, so diene er.  Ist jemandem Lehre gegeben, so lehre er. Ist jemandem Ermahnung gegeben, so ermahne er. Gibt jemand, so gebe er mit lauterem Sinn. Steht jemand der Gemeinde vor, so sei er sorgfältig. Übt jemand Barmherzigkeit, so tue er es gern.

Gott, gib uns ein Herz für Dein Wort und nun ein Wort für unser Herz. AMEN

Liebe Gemeinde!

Vor kurzem habe ich ein Gespräch zwischen zwei Patientinnen im Krankenzimmer mitgehört. Die eine bedauerte, dass sie so sehr auf Hilfe angewiesen sei und so gar nicht mehr selbst hilfreich für ihre Familie sein könne, die doch jede unterstützende Hand so sehr nötig habe.

Ich denke, wir alle können das nachvollziehen. Wir fürchten uns nicht nur davor, völlig abhängig zu werden. Sondern vor allem auch davor, selbst nichts mehr geben zu können.

Die andere Frau im Krankenzimmer hielt allerdings dagegen, obwohl in einer ähnlichen Lage: „Etwas kann ich immer noch tun“, so meinte sie: „Ich bete für meine Leute. Die haben so viel zu tun in ihrem Alltag, dass sie nicht zum Nachdenken kommen. Ich aber habe hier Zeit. Ich mache mir Gedanken und bringe die Anliegen vor Gott“

Ich persönlich habe immer wieder erlebt, dass Gebete viel bewirken und denke daher, dass diese Patientin wirklich ihren Lieben sehr viel Gutes tut, wenn sie deren Anliegen im Gebet vor Gott bringt.

Sie dient damit nicht nur ihren Angehörigen, sondern auch sich selbst. Denn auch das ist richtig: Beten verändert Menschen. Und veränderte Menschen verändern die Welt. Es ist eben ein Unterschied, ob sich ein Mensch als hilflos und damit auch als sinnlos erlebt. Oder ob jemand für sich die Einstellung haben kann: Ich bin mit dem, was ich zu geben habe, immer noch wertvoll.

Paulus erinnert uns im Predigttext genau daran, wenn er sagt: „Ihr habt verschiedene Gaben, setzt sie ein. Und erkennt in diesen Gaben die Gnade Gottes, die euch selbst zuteil geworden ist.“ Werdet Euch also, indem Ihr selbst abgebt von dem, was Ihr habt bewusst darüber, wie viel Ihr habt. Werdet dankbar und letztlich auch reich, indem Ihr gebt.

Vielen Menschen waren und sind in diesen Zeiten die Hände gebunden. Viele können und dürfen das nicht mehr geben, was sie zu geben hätten. Ins Haus einladen? Ein Ehrenamt ausüben? Menschen besuchen? Fehlanzeige.

Auch Paulus damals waren die Hände gebunden. Es war ihm nicht möglich, seine Gemeinden, die so weit auseinanderlagen, zu besuchen. Immer wieder musste er seine Reisen unterbrechen, weil ihn eine Krankheit dazu zwang, weil er festgenommen wurde, weil er Schiffbruch erlitt. Immer wieder war er auf Hilfe angewiesen. Und doch hat er wie kaum ein anderer Menschen erreicht und ermutigt, christliche Gemeinden gegründet und sie lebendig erhalten.

Wie er das gemacht hat, davon lesen wir im neuen Testament in seinen Briefen. Und damit ist schon eine Antwort gegeben auf die Frage, wie er es geschafft hat, die Menschen zu erreichen trotz aller Widrigkeiten: Er hat Briefe geschrieben.  Eine Möglichkeit, die auch uns gegeben ist. In der Isolation, in der Einschränkung durch eine Krankheit. Ich meine, ich hätte noch nie so viele Karten erhalten und geschrieben wie an Weihnachten 2020. Ein Lob an dieser Stelle an alle, die diese Post weitergeleitet und zugestellt haben.

Paulus hat Briefe geschrieben. Und er hat sich, wie wir heute sagen: „gut vernetzt“, er hat also, trotz weiter räumlicher und zeitlicher Entfernungen den Kontakt gehalten zu seinen Leuten, da haben wir es ja heute leichter als er mit unseren modernen Medien.

Sicherlich hat er auch das getan, was die Patientin im Krankenhaus als ihre ganz persönliche Gabe erkannt hat: Er hat die Anliegen seiner Mitmenschen im Gebet vor Gott gebracht.

Eine weitere Gabe hatte Paulus, aus der auch wir lernen können: Er hat sich Pausen gegönnt, gönnen müssen. Immer wieder wird berichtet, dass ihn eine Krankheit gezwungen hat, innezuhalten. Bei Freunden zu bleiben, bis er wieder zu Kräften gekommen war. Hilfe anzunehmen. Das ist eine Fähigkeit, die viele von uns erst sehr mühevoll lernen.

Und dann auch dies: Paulus hat in schweren Zeiten den Mut nicht verloren, sondern auf Gott vertraut. Wenn es hart auf hart kam, hat er sich das ins Gedächtnis gerufen: „Durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin. Und seine Gnade an mir ist nicht vergeblich gewesen“ (1.Kor 15,10)

Das ist ein „vernünftiger Gottesdienst“ in Zeiten, in denen über die Durchführbarkeit und Bedeutung von Gottesdiensten ganz neu diskutiert wird.

Können wir Gottesdienste halten, ist es wichtig? Ich halte es für richtig und wichtig, wir halten alle Abstände und Hygieneregeln ein. Aber darüber hinaus gibt es eben auch den Gottesdienst, der mehr ist als das sonntägliche Treffen im Kirchengebäude. Der Gottesdienst, der darin besteht, dass wir unsere Möglichkeiten füreinander lebendig werden lassen. Unser christlicher Glaube und die Art, ihn zu leben, ist immer in Bewegung. Wir sind niemals fertig. Etwas, was sich gestern noch als guter Weg herausgestellt hat, kann heute schon nicht mehr passen. Aber Paulus traut seinen Leuten das zu, dass sie ihre Gaben füreinander lebendig werden lassen in ihrer jeweiligen Zeit und unter den jeweiligen Bedingungen. Und: In ihrem jeweiligen Kontakt zu Gott. Was möchte Gott von mir in diesen Zeiten? Mit welchen Gaben rüstet er mich aus? Was kann ich jetzt tun? Und was lasse ich besser bleiben? Das sind Fragen, die sich Paulus und seinen Leuten täglich neu stellten. Und das sind Fragen, die sich uns täglich neu stellen.

Was möchte Gott von uns? Er möchte, dass wir nach seinem Willen fragen und seine Antwort für uns hören.

Und wie können wir seine Antwort in unserem Leben hören? Paulus beantwortet das so:  Indem wir bescheiden und maßvoll leben. Indem wir unsere Gaben füreinander einsetzen, einander dienen und in dem, was wir tun, sorgfältig sind. Indem wir einander vom Glauben erzählen und ohne Hintergedanken geben und mitfühlend sind. Indem wir miteinander auch über unsere Zukunft bei Gott und den Menschen sprechen.

Sind das nicht Antworten, die auch uns heute auf der Suche nach Gottes Auftrag für uns, ansprechen?

Und so fällt mir persönlich dann noch eine weitere Gabe ein, die wir auch in der Isolation unserer Tage ausüben können:

Wir können lesen. In der Bibel lesen. Nachdenken darüber, wie Gott immer wieder mit den Menschen unterwegs war, in ihrem Leben gehandelt hat. Und uns davon ansprechen lassen. So manche Antwort auf die Fragen unseres Lebens werden wir dort finden.

Wir sind von Gott mit Gaben ausgestattet. Paulus in Kleinasien. Die römische Gemeinde in Europa. Wir heute. Wir sind Teil des Leibes Christi über die zeitlichen und räumlichen Entfernungen hinweg. Auch die, die nicht zu unserer Gemeinde vor Ort zählen, die vielleicht weit weg wohnen und deren Schicksal uns nur über die Fernsehnachrichten erreicht, sind Teil dieses Leibes. Auch das ist unser vernünftiger Gottesdienst, die nicht zu vergessen und sehr genau zu überlegen, was wir für sie tun können. Auch hier gilt: Füreinander beten, sich selbst nicht überschätzen, füreinander einstehen in Wort und Tat.

Möchten wir das im neuen Jahr, das uns hoffentlich viel Gutes bringt, nicht vergessen, was wir im alten mühevoll lernen mussten: Wie sehr wir weltweit zusammengehören und aufeinander angewiesen sind.

Gott schütze uns und alle und lasse uns miteinander lebendig bleiben in seinem Auftrag und in seinem Namen. AMEN

de_DEDeutsch